Jules

Eine Erzählung aus dem Camp du Vernet

Jules
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Jules ist eine packende Erzählung über das menschliche Schicksal im Angesicht des Grauens des Zweiten Weltkriegs. Im Camp du Vernet, einem französischen Straflager für politische Gefangene, erlebt der Leser die Geschichte von Jules, einem polnischen Juden und Lederarbeiter, der sich trotz der schrecklichen Bedingungen seine Menschlichkeit bewahrt. Mit unerschütterlicher Entschlossenheit kämpft Jules nicht nur gegen die brutalen Aufseher, sondern auch gegen die eigene Krankheit und die Verzweiflung. Durch seine Freundschaft mit dem Erzähler, einem deutschen Arzt, wird Jules' unbändiger Lebenswille und sein Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit... alles anzeigen expand_more

Jules ist eine packende Erzählung über das menschliche Schicksal im Angesicht des Grauens des Zweiten Weltkriegs. Im Camp du Vernet, einem französischen Straflager für politische Gefangene, erlebt der Leser die Geschichte von Jules, einem polnischen Juden und Lederarbeiter, der sich trotz der schrecklichen Bedingungen seine Menschlichkeit bewahrt. Mit unerschütterlicher Entschlossenheit kämpft Jules nicht nur gegen die brutalen Aufseher, sondern auch gegen die eigene Krankheit und die Verzweiflung. Durch seine Freundschaft mit dem Erzähler, einem deutschen Arzt, wird Jules' unbändiger Lebenswille und sein Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit lebendig. Diese ergreifende Erzählung, basierend auf wahren Begebenheiten, ist eine bewegende Mahnung, die Lehren der Geschichte nie zu vergessen und die unerschütterliche Kraft des menschlichen Geistes zu ehren. Ein zeitloses Werk, das nun als E-Book neu aufgelegt wurde, um die Erinnerung an diese dunkle Zeit lebendig zu halten.



Ernst aber hat gegen das Mäntelchen – es ist der Pariser Lederarbeiter Aron Liter –, Ernst, der saubere, blitzblanke, korrekte deutsche Junge, er hat gegen Aron Liter eine schier unüberwindliche Abneigung; Ernst, der sofort aus einem Stück Holz sich einen Bügel für seinen Rock macht, der sofort anfängt, sein Hemd und seine Taschentücher zu waschen, er sieht, wie Aron Liter die erste Woche überhaupt nicht aus seinen Kleidern steigt, wie er sich nicht einmal von seinem Mäntelchen trennt. Ernst ekelt sich, wenn Aron neben uns isst; er ekelt sich, wenn der andere Tag und Nacht schrecklich hustet und dicke gelbe Klumpen an Ernsts Nase vorbei durch unsere Fensterluke hinausspuckt. Ernst verlangt schließlich von mir, ich solle meinen Nebenmann zwingen „auszuziehen“. Abgesehen davon, dass Aron Liter dieses Ansinnen nur mit Hohn und den schrecklichsten Flüchen der Welt beantwortet hätte, fühle ich mich auch nicht berechtigt, ihn von seinem Platz zu vertreiben. Ernst wendet sich jetzt selbst an das Mäntelchen. Es kommt zu einem Wortwechsel in einem unmöglichen Deutsch-Polnisch-Französisch, da Ernst dem Monsieur Aron Liter die Anfangsgründe der Hygiene klarmachen will, während Monsieur Liter ihm einen seiner furchtbarsten Flüche entgegenschleudert: „Ein Tausendfüßler sollst du sein und dir jeden Abend die Füß’ waschen müssen!“ Als Ernst in seiner Erregung sich sogar erbietet, lieber ein Tausendfüßler zu sein mit tausendfacher Fußwaschung als ein Schwein mit zwei schmutzigen Füßen, da fordert ihn sein Gegner mit bösem Hohn auf, ihm doch heißes Wasser, Seife, Handtücher und ein warmes Zimmer herbeizuschaffen, da er als Lungenleidender nicht so verrückt sei, sich draußen vor den offenen Waschtrögen den Tod zu holen. Im Übrigen habe er, Aron Liter, den jungen Mann nicht angeredet, ein Zeichen dafür, dass er, Aron Liter, keine Unterredung mit ihm wünsche. Ernst appelliert jetzt an uns alle, ob wir die Gefahr einer Verlausung oder gar einer Infektion dulden wollten? Da er meines Nachbarn Namen vergessen hat, spricht er von dem „Nebenmann Juil“.

Der aber hat dieses Wort noch einmal herum missverstanden; er protestiert: „Ich heiße nicht Jules, mein Herr! Ich heiße für Sie Monsieur Aron Litère! Einen Menschen nennt man bei seinem richtigen Namen, oder gar nicht! Aron Litère, mein Herr, nicht Jules!“ Seine großen Hände, die kräftigen Hände eines alten Lederarbeiters, spannen sich vorn am Saum des Mantels. Sein Kopf steht plötzlich mitten unter uns. Dieser Kopf ist zugleich von einer bemerkenswerten Hässlichkeit und Schönheit: die Stirn ist klein, gebuckelt, verbeult, Adern durchziehen wie knotige Stränge Schläfen und Nasenwurzel, rötlich-blondes Haar sträubt sich in dünnen Büscheln an beiden Seiten des Schädels, die starken, kreisrund geschnittenen Lippen sind halb geöffnet, die breite Nase ist etwas plattgedrückt und gibt dem Profil den Ausdruck eines Raubtiers … aber das Eindringlichste sind doch die Augen, zwei harte, kampfwütige dunkelblaue Augen von einer Wildheit, Kraft und Schönheit, die sein eigenes Wesen und die Entschlusskraft seiner Gegner völlig zu beherrschen scheinen. „Mein Name ist Aron Litère, meine Herren, nicht Jules!“

Keiner wagt, dem Wütenden zu antworten. Er zieht sich das schwarze Mäntelchen wieder über die Ohren, legt sich auf die mit dünnem Stroh bedeckte Holzplanke und rollt sich zu einem Nichts zusammen. Von dieser Stunde an heißt Aron Liter bei uns nur noch Jules.



Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.

Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.

Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.

Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.

Staatliche Auszeichnungen

1943: Orden Roter Stern

1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock

1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.

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