Ich war Ferdinand von Schill

Historischer Roman

Preußen 1806. Die Schlacht bei Jena und Auerstedt ist geschlagen. In Magdeburg sammeln sich Versprengte. Das französische Heer rückt heran. Da macht ein Schneidergeselle - der Zufall ließ ihn an den Rock eines toten Leutnants geraten - sich auf und folgt beherzten Leuten, die nicht einfach kapitulieren wollen vor der Übermacht der Waffen. Und er, eben noch wandernder Handwerksbursche, nimmt die Rolle an, die ihm aufgedrängt wird: Er wird Ferdinand von Schill. In seinem Buch versucht Heinz-Jürgen Zierke — in der Erzählweise anknüpfend an seine erfolgreichen historischen Romane „ Nowgorodfahrer “ und „Karl XII.... alles anzeigen expand_more

Preußen 1806. Die Schlacht bei Jena und Auerstedt ist geschlagen. In Magdeburg sammeln sich Versprengte. Das französische Heer rückt heran. Da macht ein Schneidergeselle - der Zufall ließ ihn an den Rock eines toten Leutnants geraten - sich auf und folgt beherzten Leuten, die nicht einfach kapitulieren wollen vor der Übermacht der Waffen. Und er, eben noch wandernder Handwerksbursche, nimmt die Rolle an, die ihm aufgedrängt wird: Er wird Ferdinand von Schill.

In seinem Buch versucht Heinz-Jürgen Zierke — in der Erzählweise anknüpfend an seine erfolgreichen historischen Romane „ Nowgorodfahrer “ und „Karl XII. —, ein möglichst genaues historisches Bild der Zeit zu zeichnen und einen Schill vorzustellen, der sowohl Patriot ist als auch Mensch sein darf.



Schill lieh also zwei Pferde, Bauernpferde. In den Kinderjahren war er öfter auf ungesattelten Gäulen geritten, aber der Leutnant von Lilienthal legte sich am nächsten Tag einen Leinenbeutel mit klein gehacktem Fleisch in die Hose, damit er überhaupt sitzen konnte.

Sie vermissen den braven Franz? Schill vermisste ihn auch; er fehlte ihm sehr.

Dabei hatte die Fahrt verheißungsvoll begonnen. Bei gutem Wetter erreichten sie am nächsten Tag die Höhe von Danzig und durften hoffen, noch am Abend Pillau anzulaufen, den Vorhafen von Königsberg. Da schlug der Wind um, blähte sich auf, wuchs sich aus zu einem Sturm, zu einem wahren Ungewitter. Als Schill wieder halbwegs zu sich kam, nahm er zuerst nur wahr, dass die Wolken immer noch über ihn hinwegstoben wie von dreigeschwänzten Teufeln gepeitscht, und das Schifflein schwankte wie ein ungeübter Reiter auf einem trabenden Pferd.

Er hob den Kopf ein wenig an.

»Muss Stralsund anlaufen«, rief der Schiffer ihm zu.

Stralsund? Sie waren von Kolberg ostwärts gesegelt und befanden sich jetzt mehr als zwanzig Meilen westlich davon? Hatte der Sturm die Erde verdreht oder den Himmel?

»Rügen!« Der Schiffer wies nach rechts, steuerbord hieß das wohl auf See, wo auf den Wellen ein grauer Landstreifen schaukelte.

Nach Stralsund also. Auch gut, wenn das Geschick es will, vielleicht sogar besser. Der das dachte, war das wieder der alte Robert? Nein, auch Schill dachte so.

Aber Franz, wo war Franz?

Der lag, den Kopf verbunden, mit Tüchern an die Bank gefesselt, im Schiffsraum und murmelte Unverständliches vor sich hin. Als das kleine Fahrzeug vor dem Winde schlingerte und schwankte wie ein Weizenhalm mit überschwerer Ähre, hatte sich Franz um seinen maladen Rittmeister bemüht, da traf ihn eine zersplitterte Rah am Kopf. Ein Schiffsknecht hob ihn auf, verband ihn notdürftig und legte ihn flach.

Nach Stunden erwachte Franz aus der Unmacht, sprang fluchend auf, packte den Schiffsknecht am Rockkragen, schrie, er sei der Rittmeister von Schill, sie hätten nur die Kleider getauscht ...

Mein Gott, dachte Schill, was weiß er wirklich, und was weiß Thessen?

Die Schiffsleute überwältigten und banden ihn. Vielleicht murmelte er nun Kommandos vor sich hin, so leise, dass ihn nur die Läuse in der Hemdennaht verstanden.

»Dat hett em de Grütt ümröhrt«, meinte der Schiffer. Er behielt recht.

Wie gesagt, der Rittmeister war nicht der Mann, sich über Geschehenes, das er ohnehin nicht ändern konnte, lange zu grämen. Was nicht heißen soll, dass er sich keine Gedanken machte, doch doch. Er wendete und drehte alles, was ihm widerfuhr, so lange, bis er eine zumindest erträgliche Seite fand. Die nahm er für das Ganze.

Dass das Schiff nicht in Königsberg angekommen war, ersparte ihm mögliche unangenehme Begegnungen. Zwar hatte er sich vorbereitet und glaubte mithilfe des guten Franz und seines Gedächtnisverlustes gewappnet zu sein, aber so wurde alles viel einfacher. Auch dass er dem Könige seine Pläne nicht heute oder morgen vortragen konnte, schlug vielleicht zu seinem Vorteil aus. Wenn er von den Schweden günstige und gültige Zusagen erreichte, hatte er etwas, was er den hohen Herrschaften auf den Tisch legen konnte, und das überzeugte sie eher als die klügsten Argumente.

Natürlich knüpfte er an Stralsund noch andere Erwartungen, die, wenn er nur daran dachte, den Puls in den Galopp spornten. Doch die Wirklichkeit ist ein störrischer Gaul; der Weg, auf den wir sie mit den Zügeln unserer Träume lenken, behagt ihr nicht, und sie bricht aus.

Während Lilienthal den schwedischen Militärbehörden Schills Ankunft meldete und um eine Unterredung mit dem Gouverneur nachsuchte, ließ der Rittmeister den Stadtarzt kommen.

Nein, der konnte auch nicht helfen, der Schaden war nicht reparabel. Der brave Franz taugte nicht einmal mehr für die Invalidenkompanie. Am besten gab man ihn seiner Familie zurück. Ja, wo lebte denn seine Familie? Besaß er Frau und Kinder, Vater und Mutter, Geschwister oder sonstige Anverwandte?

Schill wusste es nicht, und Franz begriff die Frage nicht. Er begriff überhaupt nichts, tat, als wäre er gar nicht da. Nur wenn man ihn »Herr Rittmeister« titulierte, leuchteten seine Augen auf, und er brummelte unverständliche Befehle. Vielleicht konnte Thessen Auskunft geben. Der Arzt bedauerte, eine neuerliche Seereise wäre nicht angezeigt, wegen der Gefahr eines Wiederausbruchs der katalonischen Krise. Er erbot sich, ihn vorläufig im Städtischen Armenhaus im Johanniskloster unterzubringen, und da Schill eine gewisse Summe für Kost und Logis aussetzte, nahm er ihn gleich mit.

Betroffen sah Schill ihm nach. Er hatte einen Kameraden verloren, den einzigen neben Thessen, auf den er sich wirklich hatte verlassen können.



Geboren 8.7.1926 in Marienthal, Kreis Greifenhagen (Pommern), aufgewachsen und Volksschule in Wildenbruch/Pommern.

Lehrerbildungsanstalt in Neisse und Patschkau (Oberschlesien), Arbeitsdienst, Wehrmacht, Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion.

Vorstudienschule Greifswald, Studium der Germanistik (abgebrochen), Dramaturg an den Theatern Greifswald und Stralsund, Arbeit in verschiedenen Kulturverwaltungen, Chefdramaturg des Staatlichen Folkloreensembles der DDR.

Seit 1967 freischaffender Schriftsteller.

Heinz-Jürgen Zierke lebt seit 1969 in Stralsund.

Bibliografie

Das Gottesurteil, Roman, 1965

Sieben Rebellen, 1957

Sie nannten mich Nettelbeck, Roman, 1969

Eine Chance für Biggers, Roman, 1970

Nowgorodfahrer, Roman, 1973

Von einem, der auszog, Napoleon zu schlagen, 1975

Gänge durch eine alte Stadt, Riga, 1977

Karl XII. ,Roman, 1978

Eine livländische Weihnachtsgeschichte, Erzählungen, 1981

Ich war Ferdinand von Schill, Roman, 1983

Der Dänenschatz, 1988

Wibald der Mönch, Roman, 1987

Odins Schwert, 1990

Pommern grient,1997

Spuk auf Spyker, Erzählungen, 1998

Ana Regina vaziuoja i miesta, Novelle, 1998

Das Mädchen aus Vineta, Erzählung, 2000



Kinderhörspiele (vor 1990)

Hensken

Jana

Der schwarze Stein

Der Rebellenmajor u. a.

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  • Artikelnummer SW9783956552786.1
  • Autor find_in_page Heinz-Jürgen Zierke
  • Autoreninformationen Geboren 8.7.1926 in Marienthal, Kreis Greifenhagen (Pommern),… open_in_new Mehr erfahren
  • Wasserzeichen ja
  • Verlag find_in_page EDITION digital
  • Seitenzahl 482
  • Veröffentlichung 15.04.2015
  • ISBN 9783956552786

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