Schild überm Regenbogen - Anflug Alpha 1

Wolfgang Held erzählt in seinem Roman von einem der faszinierendsten Berufe, die es gibt: dem des Fliegers. - Wie silberne Speere stoßen die schlanken Maschinen in das Blau des Himmels. Auf ihren Flügeln blitzen die Strahlen der Morgensonne; tief unten zerschmelzen ein paar Wolkenreste in der Wärme des aufziehenden Tages ... Das Leben eines Piloten ist schwer und voller Verantwortung. Leutnant Lenz verliert für Sekunden die Nerven und vertraut den Instrumenten nicht mehr. Fliegt die MiG noch horizontal, funktioniert der Autopilot? Die Überschallgeschwindigkeit stellt höchste Anforderungen an die Kondition und Konzentration der Piloten. Leutnant... alles anzeigen expand_more

Wolfgang Held erzählt in seinem Roman von einem der faszinierendsten Berufe, die es gibt: dem des Fliegers. - Wie silberne Speere stoßen die schlanken Maschinen in das Blau des Himmels. Auf ihren Flügeln blitzen die Strahlen der Morgensonne; tief unten zerschmelzen ein paar Wolkenreste in der Wärme des aufziehenden Tages ... Das Leben eines Piloten ist schwer und voller Verantwortung.

Leutnant Lenz verliert für Sekunden die Nerven und vertraut den Instrumenten nicht mehr. Fliegt die MiG noch horizontal, funktioniert der Autopilot? Die Überschallgeschwindigkeit stellt höchste Anforderungen an die Kondition und Konzentration der Piloten. Leutnant Lenz muss katapultieren. Aber die Genossen der Kette Milan halten zu ihm, beweisen echte Kameradschaft, und auch seine Freundin Anke besteht die Bewährungsprobe.

Wolfgang Held berichtet von Fliegern, tapferen Frauen, von Mut und Liebe. »Schild überm Regenbogen« ist ein Buch voller Spannung und Abenteuer. Es schildert die Begeisterung junger Menschen für das Fliegen und beschreibt ihre Gedanken und Gefühle.

Das erstmals 1973 beim Militärverlag der DDR erschienene Buch entstand nach dem DEFA-Film "Anflug Alpha eins" von 1971 (mit Alfred Müller, Stefan Lisewski, Peter Aust, Jürgen Frohriep, Jutta Wachowiak, Gerry Wolf, ...).



»Fünf-null-dreiundzwanzig! Hier Alpha eins. Konzentrieren Sie sich auf die Geräte. Nehmen Sie Horizontalflug nach dem künstlichen Horizont ein ... Vergleichen Sie mit den anderen Geräten!«

In seiner Stimme ist nichts von der Sorge und der Erregung zu spüren, die ihn bewegen. Er spricht so, als sei alles nur eine Übung am Flugsimulator. Er will, dass die Radiowellen nicht nur seine Worte, sondern auch seine Besonnenheit auf den Flugzeugführer oben in der MiG übertragen. »Melden Sie mir die anliegenden Regimes!«

Zwei, drei stumme Sekunden.

»Hier Fünf-null-dreiundzwanzig. Mein künstlicher Horizont ist ausgefallen ... Höhe null-fünfundzwanzig. - Ich befinde mich in der Rückenlage ... Nein, nicht ... Doch, in der Rückenlage!«

Major Schrader stößt mit einer heftigen Bewegung seine Schirmmütze in den Nacken, aber seine Stimme bleibt ruhig.

»Schalten Sie das Horizontalflugregime des Autopiloten ein!«, ordnet er an. Vor Spannung wird ihm der Kragen zu eng. Jetzt reiß dich am Riemen, Fridolin, denkt er beschwörend. Du darfst dich nicht selbst verrückt machen. Dein künstlicher Horizont ist in Ordnung. Begreif doch, dass der Defekt allein hinter deiner Stirn sitzt. Mit dir selbst musst du jetzt fertig werden, Junge. - Mit dir! Und das schaffst du auch!

»Fünf-null-dreiundzwanzig. Mein Autopilot ist ausgefallen! Er arbeitet nicht«, klingt es wie ein verzweifelter Hilferuf heiser aus dem Lautsprecher.

Der anwesende Unteroffizier schaut den Major an. »Er wird nicht damit fertig, Genosse Major«, sagt er, und sein Blick ist eine stumme, ernste Frage. Der Flugleiter versteht sie.

»Welche Höhe liegt an?«, fragt er beherrscht ins Mikrofon.

»Höhe null-zwanzig!«, antwortet Siegfried Lenz.

Hinter der Stirn des Majors jagen sich die Überlegungen. Katapultieren? Die teure Maschine aufgeben? Gibt es keinen anderen Weg, den Leutnant unbeschadet zur Erde zurückzubringen? Er weiß, dass ihm nur wenige Sekunden für eine Entscheidung bleiben, die ihm niemand abnehmen kann. Er ist der Flugleiter, er allein trägt die Verantwortung. Er muss alle Möglichkeiten blitzschnell abwägen. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass Siegfried Lenz schon in zwei Minuten zu logischem Denken und Handeln zurückfindet und die Maschine sicher landet. Es kann aber auch passieren, dass er bereits in einer Minute mit Überschallgeschwindigkeit im Sturzflug bodenwärts jagt, in einen Acker stößt, in eine Ortschaft ... Nein! Major Schrader braucht nicht viel Fantasie, um sich die Auswirkungen einer solchen Katastrophe vorzustellen. Eine MiG ist zwar teuer, aber ein Menschenleben unersetzbar!

»Fünf-null-dreiundzwanzig!« Seine Miene verrät, dass er den Entschluss gefasst hat. »Hier Alpha eins. - Katapultieren Sie!« Dann wendet er sich an den Unteroffizier und befiehlt, Rettungsalarm auszulösen. Danach wiederholt er: »Hier Alpha eins. - Katapultieren Sie! - Katapultieren Sie!«

Wolkenfetzen rasen am Kabinenfenster vorbei. Die klare, kühle Stimme des Majors dringt ins Unterbewusstsein des völlig verstörten Siegfried Lenz. Aussteigen! Er zögert. Was wird mit der Maschine? Sie darf niemanden in Gefahr bringen. Bin ich auf Nordkurs? Noch zehn Sekunden, Genosse Flugleiter! Noch fünf Sekunden ...

»Katapultieren Sie!« Jetzt ist der Kommandoton wie ein Hieb. Siegfried Lenz reagiert automatisch. Tausendfach geübte Griffe entscheiden nun über sein Leben. Das Kabinendach wird fortgerissen. Der Treibsatz zündet und schleudert den Sitz mit dem Flugzeugführer von der stürzenden Maschine weg. Gleich darauf löst sich Mann und Gerät. Über Siegfried Lenz öffnet sich mit lautem Knall der Fallschirm. Er fällt pendelnd einer glatten, grüngrauen Fläche entgegen. Die Ostsee!

Seine Beine stechen wie Dolche ins Wasser, und im nächsten Augenblick trifft ihn ein Schmerz, als tauche er in glühende Lava. Ein riesiger, schwarzer Rachen schnappt nach ihm, und alle Lichter verlöschen. Leutnant Lenz hat das Bewusstsein verloren.



Wolfgang Held

Geboren 1930 in Weimar, aufgewachsen und erzogen in einem konsequent sozialdemokratischen Elternhaus, stark geprägt vom Erlebnis KZ Buchenwald im April 1945 auf der Suche nach einem von der Gestapo verhafteten Onkel.

Volksschule und Handelsaufbauschule in Weimar, 1948/49 als Volkspolizist freiwilliger Aufbauhelfer (Enttrümmerung, Wasserleitung Maxhütte, u.a.).

Erkrankung an Tuberkulose. Im Sanatorium für den weiteren Lebensweg entscheidende Begegnung und monatelanges, gemeinsames Zusammenleben in einem Zimmer mit gleichaltrigem Vikar.

Journalistische Ausbildung. Tätigkeit als Redaktionsassistent. Erste Buchveröffentlichung 1959.

Ab 1964 freischaffender Schriftsteller. Im literarischen Schaffen beeinflusst von Louis Fürnberg, Hans-Joachim Malberg, Bruno Apitz und Walter Janka. Zahlreiche Romane, Kinder- und Jugendbücher (u.a. Autor des Weimarer Knabe-Verlages), Drehbücher für Film und Fernsehen.

Literarische Auszeichnungen: Literatur-und Kunstpreis der Stadt Weimar, Nationalpreis der DDR, Preis der Filmkritiker, u.a. als erster deutscher Drehbuchautor für den Europäischen Filmpreis Felix nominiert, Goldene Ehrennadel der Stadt Weimar 2005.

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