Der schwarze Jäger

Tim Mullen – Band 3

Kopfgeldjäger Tim Mullen ist wieder einmal beinahe vollkommen abgebrannt, als er in dem abgelegenen Städtchen White Hill statt einer üppigen Prämie nur eine Zahlungsanweisung für die Bank erhält, die ihm jedoch nicht ausbezahlt wird, da der Direktor der Bank ermordet wurde. Tim nimmt die Verfolgung des Mörders auf, bei dem es sich angeblich um einen dem Alkohol verfallenen Indianer handeln soll. Doch bald kommen Zweifel in Tim Mullen auf. Warum sollte ein Indianer den Direktor einer Provinzbank töten? Tim erkennt, dass viel größere Interessen im Spiel sind. Es geht um den Verlauf einer neuen Eisenbahnlinie. Doch inzwischen haben sich... alles anzeigen expand_more

Kopfgeldjäger Tim Mullen ist wieder einmal beinahe vollkommen abgebrannt, als er in dem abgelegenen Städtchen White Hill statt einer üppigen Prämie nur eine Zahlungsanweisung für die Bank erhält, die ihm jedoch nicht ausbezahlt wird, da der Direktor der Bank ermordet wurde. Tim nimmt die Verfolgung des Mörders auf, bei dem es sich angeblich um einen dem Alkohol verfallenen Indianer handeln soll. Doch bald kommen Zweifel in Tim Mullen auf. Warum sollte ein Indianer den Direktor einer Provinzbank töten? Tim erkennt, dass viel größere Interessen im Spiel sind. Es geht um den Verlauf einer neuen Eisenbahnlinie. Doch inzwischen haben sich auch noch andere Kopfgeldjäger an die Spur des Indianers geheftet. Und diese interessiert die Frage nach Schuld oder Unschuld nicht, sondern nur die üppige Prämie, die auf seinen Kopf ausgesetzt wurde.



Er schob die Flügeltüren beiseite und betrat den Saloon, der angenehm nach Tabakqualm und Whisky roch. Die Hälfte der Spieltische war unbesetzt und an der Bar lehnten lediglich zwei Cowboys, die ihre Hüte in den Nacken geschoben hatten und angestrengt auf ihre Gläser starrten. Es war erst Nachmittag, daher war es ruhig in dem Saloon. Doch es war diese Atmosphäre, die Tim Mullen am meisten behagte, wenn einfach nur ein paar Männer da waren, um Karten zu spielen und etwas zu trinken. Abends war es ihm meistens zu laut.

Er ging zur Theke. Der Barkeeper stützte sich vor ihm auf einen Ellbogen und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.

„Ich fang mit ´nem Bier an, würde ich sagen.“

„Macht fünfundzwanzig Cent.“

Während der Barkeeper das Bier zapfte, zog Tim Mullen eine frisch gedruckte Dollarnote aus seiner Westentasche und legte sie auf den Tresen.

„Wollen Sie raushaben?“, fragte der Barkeeper, als er das randvolle Glas vor ihm abstellte.

Tim Mullen schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Es wird bestimmt nicht bei dem Glas bleiben.“

Er schaute in den großen Spiegel, der über der Bar hing, während er seinen ersten Schluck nahm. Dabei fiel ihm eine Gruppe Spieler ins Auge, die an einem der Tische direkt hinter ihm saß. Es waren vier Männer, aber Tims Aufmerksamkeit wurde vor allem von einem erregt, der ihm seine linke Seite zugewandt hatte. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. Der Mann war ein Weißer mit strohblonden Haaren, einem Schnauzbart und auffällig blauen Augen. Er trug eine grüne Jacke und einen hohen weißen Stetson.

Tim Mullen griff in sein Jackett und holte ein Bündel Papiere heraus. Er faltete es auseinander. Es waren zwei Dutzend Steckbriefe, die er stets bei sich führte. Er blätterte darin und zog dann einen heraus. Steckbriefzeichnungen waren immer fürchterlich ungenau, da sie von schlechten Zeichnern nach wagen Erinnerungen angefertigt wurden. Aber manchmal war das Gesicht eines Gesuchten so auffällig, dass man es gar nicht so falsch wiedergeben konnte. Und dieses hier passte auffällig zu dem Mann, der da am Tisch saß und angestrengt in seine Karten starrte. „William C. Carter“, stand auf dem Steckbrief. 700 Dollar. Nicht viel, aber auch nicht wenig.

Die Beschreibungen unter den Zeichnungen waren oft sehr hilfreich. Strohblond, auffällig blaue Augen, etwa fünfeinhalb Fuß groß, ca. dreißig Jahre alt. Trägt eine grüne Jacke. Reitet einen Schecken.

Tim winkte den Barkeeper herbei.

Der Mann trottete heran und verschränkte die Arme vor der Brust. Er stellte keine Fragen, hob nicht einmal die Augenbraue, denn ein schneller Blick auf den Streckbrief hatte ihm verraten, dass Tim Mullen wohl kaum nach einem zweiten Bier fragen würde.

„Finden Sie nicht auch, dass der Mann, der da hinten am Tisch sitzt“, Tim wies mit dem Daumen über seine Schulter, „deutliche Ähnlichkeit mit diesem Meisterwerk besitzt?“

„Kann ich nicht einschätzen“, sagte der Barmann unterkühlt.

„Sie schauen ja auch gar nicht hin. Los schauen Sie sich den Steckbrief an und dann sagen Sie mir, was Sie denken.“

„Solche Steckbriefe sind nie sonderlich genau.“

„Ich finde, der hier ist eindeutig.“

Der Barkeeper seufzte schwer, stützte sich mit beiden Händen auf den Tresen und musterte abwechselnd erst den Steckbrief und danach den Spieler. Dann zuckte er mit den Schultern.

„Kann schon sein.“

„Kann schon sein? Schauen Sie doch. So schlecht ist das Bild doch gar nicht. Die Farbe der Haare, der Augen, die Größe, die Jacke. Wissen Sie, was er für ein Pferd reitet?“

„Nein. Interessiert mich auch nicht. Fragen Sie ihn doch selbst.“

„Das mache ich.“

„Sind Sie ein Kopfgeldjäger?“

„Naja, für siebenhundert Dollar kann man lange Bier trinken.“

Die Miene des Barkeepers verfinsterte sich. „Ich will hier aber keine Schießereien.“

Tim tippte auf den Steckbrief. „Da steht doch tot oder lebendig. Ist also seine Entscheidung.“

Im Spiegel sah Tim, wie der Mann, der ihm seine rechte Seite zuwandte, also dem gesuchten Bill Carter genau gegenübersaß, aufstand und zur Bar herüberkam.

Er faltete den Steckbrief zusammen, nahm sein Bier und ging zu dem Spieltisch, wo er sich auf den frei gewordenen Stuhl setzte. Die drei anderen Spieler, die bis jetzt immer noch angestrengt in ihre Karten gesehen hatten, schauten auf.

„Da ist besetzt“, sagte Bill Carter.

„Ich möchte auch nicht spielen. Ich habe eine Frage.“ Tim Mullen nahm einen Schluck von seinem Bier.

„Was?“, fragte Carter und sein gereizter Unterton verriet, dass er mit seinem Blatt nicht zufrieden war.

„Reiten Sie einen Schecken?“

Carters Augen verzogen sich zu Schlitzen, als er Tim Mullen ungläubig musterte.

„Wie kommen Sie darauf?“

Tim Mullen faltete den Steckbrief auseinander und warf ihn so in den Pott, dass Bill Carter ihn gut sehen konnte. „Passt vieles zusammen. Wenn Sie aufstehen, sind Sie bestimmt auch fünfeinhalb Fuß groß.“

Bill Carter wollte entsetzt aus dem Stuhl hochfahren und zu seiner Waffe greifen, doch Tim Mullen hob Einhalt gebietend die Hand.

„Warten Sie Bill – ich nehme an Sie sind Bill, auch wenn Sie meine Frage wegen dem Pferd noch nicht beantwortet haben – zwei Dinge sollten Sie bedenken. Erstens. Der dicke Mann, der da an der Bar das Bier ausschenkt, möchte hier ungern eine Schießerei haben.“

„Und zweitens?“, fragte Bill Carter mit zusammengebissenen Zähnen.

Tim Mullens Miene wurde ernst. „Zweitens ist mir das scheißegal, wenn Sie zu ihrer Kanone greifen. Dann puste ich Sie aus ihren Stiefeln.“

„Wir sind vier gegen einen!“

„Ja, aber ihre beiden Freunde hier halten immer noch angespannt ihre Karten umklammert. Und dabei sollten Sie es belassen. Der Mann, auf dessen Stuhl ich sitze, hat gerade in jeder Hand zwei Gläser Bier. Das heißt, es ist vollkommen klar, dass ich zuerst auf Sie schießen würde. Denken Sie, dass ihre Freunde dann noch nach ihren Colts greifen, wenn ich Sie umgepustet habe? Vielleicht denken Sie daran, danach zu greifen, aber ich hab´ dann ja meine Waffe schon in der Hand, also ist klar, dass noch mehr Männer sterben würden. Sinnlos sterben, denn wenn Sie versuchen würden, Sie zu rächen, macht Sie das ja auch nicht wieder lebendig. Die eine Frage lautet: Wissen ihre Freunde hier, dass Sie wegen Vergewaltigung und Mord an einem Mädchen gesucht werden oder ist ihnen diese Information neu? Und die andere Frage: Wollen Sie dafür lieber jetzt erschossen oder in ein paar Tagen gehängt werden?“

Anstatt zu antworten, zog Bill Carter seinen Revolver. Aber er hatte mit so etwas keine Erfahrung. Er war nicht gerade schnell.

Tim Mullen war sehr erfahren. Sehr schnell. Sehr ruhig. Und sehr präzise. Die anderen hatten kaum gesehen, wie er seinen Revolver gezogen hatte. Sie hörten nur das gewaltige Donnern, welches die Tischplatte regelrecht erbeben ließ.

Bill Carter schrie auf und knickte zur linken Seite weg. Der schwere Colt, den er gerade aus dem Holster gezogen hatte, polterte zu Boden. Tim Mullens Kugel hatte Carter die Kniescheibe zertrümmert, sodass er vor Schmerz jeglichen Gedanken aufgab, noch einmal zum Revolver zu greifen. Er wand sich am Boden und stieß wilde, schmerzerfüllte Flüche aus.

Tim Mullen legte seinen noch rauchenden Revolver auf den Tisch und packte den Steckbrief wieder weg, während ihn die Freunde Bill Carters ungläubig ansahen.

„Schätze, ihr könnt auch zu dritt weiterspielen“, sagte Tim, leerte sein Glas bis zur Hälfte, bevor er sich erhob und nach seinem Revolver griff. Er ging um den Tisch und stellte sich breitbeinig vor Bill Carter auf, der zwischen einem unterdrückten Schreien und einem Winseln hin und her schwankte. Tim Mullen kniete sich hin und suchte seine Taschen ab. In einer fand er ein nicht mehr ganz sauberes Taschentuch, das er auf die Schusswunde presste.

„Drück das da drauf und blute hier nicht alles voll. Weißt du, dass hat jetzt sicherlich sehr weh getan. Ich bin mir nicht sicher, ob du gezogen hast, weil du dem Strick entgehen wolltest, oder weil du dumm bist und dich für ´nen großen Revolverhelden gehalten hast. Jedenfalls bin ich kein Mörder und finde, dass einer, der kleine Mädchen vergewaltigt und umbringt, genügend Zeit haben sollte, um vor dem eigenen Tod Angst zu kriegen. Deswegen habe ich dir nur ins Knie geschossen. So und jetzt gehen wir zum Sheriff.“

„Ich kann nicht laufen, Arschloch!“, heule Bill Carter.

„Das gehört zu den vielen Sachen, die du vorher hättest abwägen sollen, Schwachkopf“, sagte Tim Mullen, packte den Mann und legte seinen Arm um dessen Schulter. „Aber ich bin ja kein Unmensch.“

weniger anzeigen expand_less
Weiterführende Links zu "Der schwarze Jäger"

Versandkostenfreie Lieferung! (eBook-Download)

Als Sofort-Download verfügbar

eBook
2,99 €

  • SW9783961273942458270

Ein Blick ins Buch

Book2Look-Leseprobe

Andere kauften auch

Andere sahen sich auch an

info