Der unheimliche Whitney
Missouri - Band 18
Die ganze Cowboy-Crew schikaniert den jungen, unerfahrenen Dan Whitney. Besonders Revolverschwinger Lee Parker tut sich dabei hervor.
Schließlich wird Dan Whitney unter Hohn und Spott aus der Stadt gejagt. Der Revolvermann und seine Kumpane übernehmen das Sagen. Doch der Gedemütigte kommt zurück und beginnt eine gnadenlose Abrechnung...
Ein weiterer packender Western von Spitzenautor Wolf G. Star.
Dan Whitney kneift die Augen zusammen, als er Lee Parker in der Schwingtür des Saloons »Golden Star« auftauchen sieht. Unbewusst schließt er die Hand fester um das Whiskyglas. Er tut, als habe er den Revolvermann nicht gesehen, wendet sich dem Keeper zu, der unmittelbar vor ihm steht.
»Noch einen, Dusty«, sagt er und schiebt dem Mann das leere Glas zu.
Sofort kommt der glatzköpfige Salooner der Aufforderung nach. Auch er hat den neuen Gast schon gesehen und ahnt, dass gleich wieder eine deftige Auseinandersetzung fällig ist. Mitleidig blickt er auf den jungen Cowboy, aber er hütet sich, ein Wort zu sagen. Dan Whitney setzt das Glas an die Lippen, als ihn die höhnische Stimme Lee Parkers erreicht:
»Ich würde den Whisky nicht trinken, Kleiner. Dusty wird dir ein Glas Milch geben, das ist gesünder für dich.«
Dan läuft rot an und setzt das Glas hart auf die Theke zurück. »Kümmere dich um deine eigenen 'Angelegenheiten', entgegnet er scharf. Zornig fixiert er den hageren Mann mit dem bleichen Gesicht, der sich zwei Schritte entfernt von ihm aufbaut.
Im Saloon ist es totenstill geworden. Die Gäste an der Theke haben sich zurückgezogen, um keinem der beiden Streithähne im Weg zu sein.
Parker schüttelt langsam den Kopf.
»Ich habe es aber nicht gern, wenn meine Ratschläge unbeachtet bleiben. Soweit ich mich erinnere, habe ich dir schon mehrfach empfohlen, Milch zu trinken. Aber anscheinend muss ich dir das erst beibringen, du Säugling.«
Einige Männer im Saloon lachen. Dan Whitney ballt die Hände zu Fäusten, als er es hört. Er ist mittelgroß und schlank. Seine blauen Augen wandern in die Runde.
»Gleich wird er wieder anfangen zu weinen«, höhnt Lee Parker. Ohne den Jungen aus den Augen zu lassen, sagt er zu dem Keeper: »Hol ein Glas Milch, heute wird er es lernen!«
Der Glatzköpfige sieht unentschlossen zwischen den beiden hin und her.
»Ich weiß nicht, Lee…«, beginnt er, doch eine herrische Handbewegung lässt ihn verstummen.
»Los, hol die Milch, sonst lernst du mich kennen!«
Dusty zuckt mit den Achseln und verschwindet in der Küche. Wenig später kommt er tatsächlich mit einem Glas Milch zurück und stellt es auf die Theke.
Der Revolvermann lächelt Dan Whitney auffordernd an.
»Ich lade dich zu einem Drink ein, mein Kleiner. Auf dein Wohl!«
Der Cowboy spuckt auf den Boden und zischelt voller Wut:
»Du kannst deine Milch selbst trinken, Killer. Du hast sie bestimmt nötiger als ich.«
Das Lächeln des Revolvermannes ist wie weggewischt. Er tritt ganz dicht vor Whitney hin und sieht ihn durchbohrend an.
»Du kannst den Drink nicht ablehnen, das ist eine Beleidigung.«
»Einen Halunken kann man nicht beleidigen«, gibt der Cowboy furchtlos zurück, obwohl er weiß, was jetzt folgen wird.
Einen Augenblick steigt Bitterkeit in ihm hoch.
Warum können ihn die Leute seines Ranchers nicht in Ruhe lassen?
Was haben sie gegen ihn?
Lee Parker ist am schlimmsten. Ihm ist klar, dass der junge Mann gegen ihn keine Chance hat, mit den Fäusten nicht, und erst recht nicht mit dem Revolver.
Aber sein Stolz lässt es nicht zu, dass er vor ihnen zu Kreuze kriecht. Er weiß, dass er sich immer wieder dagegen wehren wird, obwohl es sinnlos ist.
Lee Parker ist bei den letzten Worten des Cowboys zusammengezuckt.
»Ich werde dir dein verdammtes Lästermaul schon noch stopfen«, ruft er zornig.
Die rechte Faust kommt blitzschnell hoch und zielt nach Dans Kopf. Doch der hat darauf gewartet und duckt sich. Der Schlag geht ins Leere, und der Revolvermann wird von der Wucht nach vorn gerissen. Gleichzeitig richtet der Cowboy sich wieder zu voller Größe auf und knallt Lee Parker den Kopf mit aller Gewalt unter das Kinn. Parker schreit auf und taumelt zurück, schüttelt sich wie ein nasser Hund und starrt seinen Gegner hasserfüllt an.
»Dafür schlage ich dich windelweich«, knurrt er und hebt die Fäuste.
Dan Whitney empfindet keinen Triumph, als er den Mann schwanken sieht. Mit einem heiseren Aufschrei stürmt er vorwärts, um dem Großmaul den Rest zu geben.
Lee Parker wartet eiskalt. Er blockt den wilden Schwinger ab, den der Cowboy auf seinen Kopf zielt, und schlägt selbst zu. Dan stöhnt und krümmt sich zusammen. Einen Augenblick vernachlässigt er seine Deckung, und dann trifft ein harter Schlag ihn am Kinn. Der Cowboy taumelt zurück und fällt schwer zu Boden.
»Komm hoch, du Kröte!» faucht Lee Parker lauthals. »Dir werde ich's zeigen.«
Benommen richtet sich Dan Whitney auf. Schwankend steht er auf den Beinen.
Da ist sein Gegner wieder heran. Erbarmungslos schlägt Lee Parker auf den Cowboy ein. Stumm sehen die Gäste im Saloon zu. Niemand greift ein, um ihm zu helfen. Längst hat er die Hände sinken lassen und nimmt die Schläge ohne Deckung hin. Er blutet aus der Nase und aus einer Platzwunde an der Stirn. Das linke Auge ist schon fast zugeschwollen.
»Hör auf, Lee!«, sagt Dusty schließlich unbehaglich. »Der Junge ist erledigt. Willst du ihn totschlagen?«
Der Revolvermann wirbelt herum. »Halt dich da raus, verstanden? Sonst mache ich mit dir weiter.«
Dan Whitney liegt auf den Dielen und rührt sich nicht mehr.
»Schwächling«, brummt Parker verächtlich.
Schwer atmend steht er vor seinem Opfer und starrt auf den Besinnungslosen. Er wendet sich an einen der Gäste.
»Hol Wasser!«, befiehlt er grinsend. »Der Knabe hat seine Milch nicht angerührt.«
Zögernd befolgt der Mann diese Aufforderung. Wenig später ist er zurück und leert einen Eimer Wasser über dem Bewusstlosen aus.
Dan Whitney beginnt sich zu regen. Verschwommen sieht er die Gestalt seines Peinigers vor sich auftauchen.
»Hoch mit dir!« hört er ihn sagen. »Oder soll ich nachhelfen?«
Der Cowboy richtet sich stöhnend auf. Wilde Schmerzenswellen rasen durch seinen Körper. Er hat das Gefühl, als sei er unter eine Stampede gekommen. Sein Kopf dröhnt, als würde er mit einem Schmiedehammer bearbeitet werden.
Aber als er das schadenfrohe Gesicht des Revolvermannes sieht, reißt er sich zusammen. Nach mehreren Versuchen gelingt es ihm, sich an der Theke hochzuziehen. Schwankend steht er da und klammert sich an einem der Hocker fest. Er unterdrückt einen Schwächeanfall und starrt auf Lee Parker, der ihn lauernd mustert.
»Trink deine Milch, Kleiner! Dann reite nach Hause und lass dich trockenlegen.«
Dan Whitney nickt schwach und greift nach dem Glas, das immer noch auf der Theke steht. Ohne den Revolvermann aus den Augen zu lassen, trinkt er die Milch in einem Zug. Dann lässt er das Glas achtlos auf den Boden fallen und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.
Er tritt ganz nah an den Revolvermann heran und starrt ihm voller Hass ins Gesicht.
»Du solltest künftig auch Milch trinken, Killer. Das macht stark. Vielleicht wirst du es eines Tages brauchen. Das ist der erste und einzige Rat, den ich dir gebe.«
Bevor Lee Parker eine Antwort geben kann, hat Dan Whitney sich abgewandt und verlässt den Saloon.
Verblüfft starrt der Revolvermann ihm nach, dann stößt er ein schallendes Gelächter aus.
»Er droht mir«, sagt er ungläubig. »Das Baby droht mir, das ist doch wirklich nicht zu fassen.«
*
Sid Harper sieht erstaunt auf, als er den Hufschlag hört. Dann bemerkt er den Mann, der auf seinem Pferd liegt und sich mit letzter Kraft festhält.
»Verdammt!« stößt er aus und lässt achtlos den Eimer fallen, den er gerade mühsam im Brunnen mit Wasser gefüllt hat. Mit wenigen Schritten ist er bei dem Pferd und kommt gerade noch zurecht, um dem Mann zu helfen und ihn vor einem schweren Sturz zu bewahren.
»Hell and Devils!« entfährt es ihm, als er den Bewusstlosen sanft auf die Erde gleiten lässt.
»Das ist ja unser Kleiner. Wer hat den denn so zugerichtet?« Er nimmt den Cowboy auf die Arme, trägt ihn hinüber ins Bunkhouse und legt ihn auf sein Lager.
»Du siehst ja schlimm aus, mein Junge«, murmelt er betroffen, als Dan Whitney die Augen aufschlägt.
»Wer war denn das?«
Dan Whitney versucht zu sprechen, aber er bringt nur ein undeutliches Krächzen heraus.
Da schüttelt Sid Harper den Kopf.
»Lass es«, sagt er schnell. »Ich werde dich zuerst einmal verarzten. Ein Glück, dass die Boys alle auf den Weiden sind. Es braucht dich niemand zu sehen in diesem Zustand.«
Er geht hinaus und kommt wenig später mit Wasser, Verbandzeug und einer Flasche Whisky zurück. Schweigend wäscht er Dan das Blut aus dem Gesicht und verbindet die verkrustete Wunde an der Stirn. Dann zieht er den Cowboy aus und reibt ihm den Körper mit Whisky ein. Dan Whitney stöhnt schmerzvoll auf, aber dann beißt er die Zähne zusammen und sagt kein Wort.
Als Harper fertig ist, reicht er ihm die Flasche.
»Trink einen Schluck, das wird dir weiterhelfen.«
Gehorsam lässt er die Flüssigkeit durch die Kehle rinnen. Er bekommt keine Luft und muss husten, aber dann spürt er die wohlige Wärme des Alkohols. Erschöpft reicht er die Flasche zurück.
»Vielen Dank, Sid«, flüstert er. »Ich werde dir das nie vergessen.«
Der Cowboy winkt ab.
»Rede keinen Blödsinn, sag mir lieber, wer das war.«
Dan Whitney grinst verzerrt.
»Lee Parker hat mich zu einem Drink eingeladen.«
»Und du hast abgelehnt?«, fragt Sid erstaunt.
Dan nickt.
»Ich habe es versucht. Es war Milch. Sid. Der ganze Saloon war voller Männer. Alle haben es gesehen.«
Sid Harper macht eine wegwerfende Handbewegung.
»Du solltest das nicht so tragisch nehmen, Dan. Die Leute vergessen solche Kleinigkeiten schnell wieder. Und schließlich wissen sie ja, warum du die Milch getrunken hast, nicht wahr?«
Dan richtet sich mühsam auf, stützt sich auf die Ellbogen und sieht den Cowboy forschend an.
»Was habt ihr eigentlich gegen mich, Sid? Ich tue meine Arbeit wie jeder andere auch, und ich glaube, dass ich sie gut verrichte. Trotzdem zieht ihr mich bei jeder Gelegenheit auf und macht mir das Leben zur Hölle. Willst du mir nicht sagen, was ich falsch mache?« .
Sid Harper reibt sieh unbehaglich die Nase.
»Weißt du, Dan«, sagt er schließlich stirnrunzelnd, »der Hauptgrund wird sein, dass du dich über unsere Scherze zu sehr aufregst. Sicher, ich gebe zu, dass sie oft rau und hart sind, aber es ist dir dabei noch keiner ans Leder gegangen. Du musst versuchen, dich zu wehren, und wenn du dagegen nicht ankommst, dann lache darüber und zeige den Jungs, dass du Spaß verstehst.
Jeder von uns wird einmal auf den Arm genommen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Aber wir laufen deshalb nicht gleich durch die Gegend und sind beleidigt oder wollen Rache nehmen. Du bist noch sehr jung und obendrein ein Hitzkopf. Du nimmst alles zu persönlich. Es wäre besser, wenn du dich manchmal etwas mehr beherrschen würdest. Wenn die Jungs merken, dass es dir nichts mehr ausmacht, dann hören sie schon von selbst auf.« Sid grinst verlegen. »Wir sind alle eben ein wenig boshaft, deshalb gehen wir selbstverständlich zuerst an den Schwächsten heran, und das bist zurzeit eben du.«
Dan Whitney sieht seinen Kameraden wütend an.
»Du willst doch nicht etwa behaupten, Lee Parker hätte nur einen Spaß gemacht?«
Sid Harper hebt abwehrend die Hände.
»Moment!«, sagt er schnell. »Da liegt der Fall anders. Ich habe gerade nur von uns Cowboys gesprochen. Lee ist wirklich dein Feind, und ich schätze, dass du weißt warum.«
Dan lächelt bitter.
»Wegen Mary, natürlich. Er ist auch hinter ihr her.« »Genau.«
Sid klopft Dan auf die Schulter. »Weil er aber weiß, dass er bei dem Girl nicht ankommt, versucht er alles, um dich madig zu machen. Vor ihm musst du dich in Acht nehmen.«
Dan sieht seinen Partner einen Moment nachdenklich an.
»Was ist mit dem Vormann?« will er schließlich wissen.
Sid Harper zuckt mit den Achseln. »Das weiß ich selbst nicht. Nat Turner ist mit Lee Parker befreundet. Wahrscheinlich fürchtet er sich auch ein wenig vor dessen schnellen Eisen. Wir übrigens auch«, fügt er grimmig hinzu. Er steht auf.
»Versuch jetzt zu schlafen. Heute Abend geht es dir dann sicher schon etwas besser. Ich glaube nicht, dass Lee dir hier auf der Ranch auf die Zehen tritt. Vielleicht bleibt er auch in der Stadt. Das wäre günstiger für dich.«
Bevor Dan etwas sagen kann, ist Sid Harper hinausgegangen. Dan schließt seufzend die Augen und sieht sich wieder im Saloon stehen, das Glas Milch in der Hand. Dann aber denkt er daran, was Sid ihm gesagt hat, und plötzlich lächelt er.
Dan Whitney weiß, wie er sich in Zukunft verhalten wird.
*
Versandkostenfreie Lieferung! (eBook-Download)
Als Sofort-Download verfügbar
- Artikel-Nr.: SW9783961274253458270
- Artikelnummer SW9783961274253458270
-
Autor
Wolf G. Star
- Verlag Novo Books im vss-verlag
- Seitenzahl 96
- Veröffentlichung 22.12.2024
- ISBN 9783961274253
- Verlag Novo Books im vss-verlag