Auf der Suche nach Gatt

Roman

Erik Neutsch erzählt in diesem Buch die erregende Geschichte des Bergarbeiters Eberhard Gatt, der aufstieg mit dem Aufstieg seiner Klasse, der aus den Kupferschächten in die Redaktion einer Zeitung kam, der Macht ausübte, streng gegen sich und andere, der sein Leben einsetzte, wenn es Not tat, der einen Lehrer fand und ein Mädchen, das ihn liebte. Aber die Stärken des Mannes Gatt waren zugleich seine Schwächen. Er wusste zu wenig von den Schwierigkeiten des Kampfes, von der Kompliziertheit des Sozialismus. So verlor er in einer entscheidenden Situation das Vertrauen zu Ruth, der Frau, die ihn liebte, und er verlor sie. Und er verlor sich selbst, weil... alles anzeigen expand_more

Erik Neutsch erzählt in diesem Buch die erregende Geschichte des Bergarbeiters Eberhard Gatt, der aufstieg mit dem Aufstieg seiner Klasse, der aus den Kupferschächten in die Redaktion einer Zeitung kam, der Macht ausübte, streng gegen sich und andere, der sein Leben einsetzte, wenn es Not tat, der einen Lehrer fand und ein Mädchen, das ihn liebte.

Aber die Stärken des Mannes Gatt waren zugleich seine Schwächen. Er wusste zu wenig von den Schwierigkeiten des Kampfes, von der Kompliziertheit des Sozialismus. So verlor er in einer entscheidenden Situation das Vertrauen zu Ruth, der Frau, die ihn liebte, und er verlor sie.

Und er verlor sich selbst, weil es ihm an Wissen fehlte, das Kommende zu erkennen. So finden wir ihn wieder auf Bahnhöfen und in Zügen, auf Zwischenstationen, denn ein Mann vom Schlage Gatts kann sich nicht wirklich verlieren, nicht hierzulande und in dieser Zeit.

Es beginnt der mühsame Weg der Erkenntnis, der Selbsterkenntnis, der ihn wieder in die Nähe Ruths führt, die mittlerweile verheiratet, sich nun gestellt sieht zwischen zwei Männer.

Sie alle, Gatt, Ruth, Weißbecher, der Erzähler haben die Frage zu beantworten nach den Möglichkeiten des Menschen, nach seiner Selbstverwirklichung.

Ein Buch, voller äußerer und innerer Dramatik, eine bedeutsame erzählerische Leistung des Autors.

Das Buch erschien erstmals 1973 im Mitteldeutschen Verlag Halle, das eBook ist die 16. Auflage. Der Deutsche Fernsehfunk drehte 1976 den gleichnamigen Film.



INHALT:

GATT LEBT.

ICH WAR BERGMANN.

WARUM GING ICH SPÄTER NICHT AUCH ZU RUTH?

JEREM UND ICH.

ER TRAT SOGAR SEINE STERNSTUNDEN IN DEN STAUB.

EIN JAHR VERGING.

DER ZUG SCHIEBT SICH UNTER DAS DACHGEWÖLBE EINES BAHNHOFS.

IST DER MENSCH, WIE VON IHM GESAGT WIRD, EIN GEWOHNHEITSTIER ODER NICHT?

SEITDEM SUCHE ICH GATT.

RUTHS GESICHT IST VON ANSTRENGUNG SCHWER GEZEICHNET.

HIER BEGINNT DIE ERZÄHLUNG RUTHS.

DER GOTT DER TÜR, EINGANG UND AUSGANG, JANUS MIT DEN ZWEI GESICHTERN.



GATT LEBT.

ICH WAR BERGMANN.

WARUM GING ICH SPÄTER NICHT AUCH ZU RUTH?

JEREM UND ICH.

ER TRAT SOGAR SEINE STERNSTUNDEN IN DEN STAUB.

EIN JAHR VERGING.

DER ZUG SCHIEBT SICH UNTER DAS DACHGEWÖLBE EINES BAHNHOFS.

IST DER MENSCH, WIE VON IHM GESAGT WIRD, EIN GEWOHNHEITSTIER ODER NICHT?

SEITDEM SUCHE ICH GATT.

RUTHS GESICHT IST VON ANSTRENGUNG SCHWER GEZEICHNET.

HIER BEGINNT DIE ERZÄHLUNG RUTHS.

DER GOTT DER TÜR, EINGANG UND AUSGANG, JANUS MIT DEN ZWEI GESICHTERN.



Ich fahre ein zweites Mal in den Zirkonbetrieb. Weder Kaffee, nach ungarischer Art gekocht, noch Zigarren, nicht einmal ein Stuhl wird mir angeboten. Dr. Minnich empfängt mich im Stehen. Die Tränensäcke unter seinen Augen sind aufgedunsen. Ich unterbreite ihm die Vorschläge der Redaktion. Er hört mich nicht einmal in Ruhe an. Stets wiederholt er: Ich will Genugtuung haben, Herr, ich lasse mich von Ihnen nicht ausschmieren. Die Erregung zeichnet ihn körperlich Seine Lippen verfärben sich grau, seine Glieder beben. Zwar versucht er noch immer, mir seine Arroganz zu zeigen, aber auch sie wirkt schlaff und müde. Ich fühle mich ihm überlegen. Und ich befrage ihn, indem ich ihn damit erbarmungslos an unsere erste Begegnung erinnere: Soll ich meine Frau hereinrufen, daß sie jedes Wort zu Protokoll nimmt. Er wehrt mit beiden Händen ab. Ein gebrochener Mann.

Aber er ist nicht bereit, seine Fehler einzugestehen. Wir schreiben einen zweiten Artikel. Ich schreibe ihn. Die Finger zur Faust oder Der lächerliche Alleingang des modernen Don Quichotte. Jeremias Weißbecher sieht es gern, wenn man literarische Vergleiche zieht. Die Vorwürfe gegen Dr. Minnich sind diesmal schärfer formuliert. Wir kündigen eine Versammlung im Zirkonbetrieb an und fordern, daß sich Dr. Minnich vor der Belegschaft verantwortet. Demokratie. Die Frage der Macht. In diesem Staat herrscht die Arbeiterklasse.

Die Redaktion zollt mir Beifall. Journalismus, wie er sein soll. Paradestück. Nur Ruth fragt mich manchmal schon bangend: War das nötig? Ich habe sie richtig eingeschätzt. Du wirst nicht töten können...

Die Belegschaftsversammlung jedoch findet nicht mehr statt. Mitten hinein in unsere Vorbereitungen platzt ein Anruf aus dem Chemiekombinat. Dr. Minnich, heißt es, hat die Republik verraten. Über Nacht. Er nahm sich nicht einmal genügend Zeit für seine Flucht. Die Haussuchung ergibt, daß nicht ein einziges Möbelstück fehlt. In der Küche wartet noch Geschirr auf den Abwasch. Nur mit ein paar Handkoffern sind Dr. Minnich und Familie verschwunden. Ein bißchen Wäsche darin und Wertsachen. Seinen Privatwagen findet man in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße. Daß er auch Akten mitnahm, dahinter kommt die Staatssicherheit erst später.



Geboren 21. Juni 1931 in Schönebeck/Elbe, Studium der Philosophie und Publizistik an der Universität Leipzig, Diplom 1953, bis 1960 Kultur- und Wirtschaftsredakteur in Halle, Reporter.

Seit 1962 freischaffender Schriftsteller, Mitglied der Akademie der Künste der DDR 1974-1991, Mitglied des Schriftsteller-Verbandes Deutschlands.

Erik Neutsch ist am 20. August 2013 in Halle verstorben.

Veröffentlichungen

Romane:

Spur der Steine, Halle 1964, Bergisch-Gladbach 1991, München 1994, Leipzig 1996 (35 Aufl.)

Auf der Suche nach Gatt, Halle 1973, Benshausen 2009 (15 Aufl.)

Der Friede im Osten, bisher 4 Bände, Halle 1974-1987 (29 Aufl.)

Totschlag, Querfurt 1994 (2 Aufl.)

Nach dem großen Aufstand - Ein Grünewald-Roman, Leipzig 2003, Dößel 2010 (2 Aufl.)

Erzählungen:

Die Regengeschichte, Halle 1960 (3 Aufl.)

Die zweite Begegnung, Halle 1961

Bitterfelder Geschichten, Sammelband, Halle 1961 (3 Aufl.)

Die anderen und ich, Sammelband, Halle 1970 (5 Aufl.)

Tage unseres Lebens, Leipzig 1973

Heldenberichte, Sammelband, Berlin 1976

Akte Nora S., Berlin 1976

Der Hirt, Halle 1978, Berlin 1998

Zwei leere Stühle, Halle 1979 (10 Aufl.)

Forster in Paris, Halle 1981, Querfurt 1994 (3 Aufl.)

Claus und Claudia, Halle 1989 (3 Aufl.)

Stockheim kommt, Berlin 1998

Verdämmerung, Kückenshagen März 2003 (2 Auflagen)

Kinderbücher:

Olaf und der gelbe Vogel, Berlin 1972 (5 Aufl.)

Vom Gänslein, das nicht fliegen lernen wollte, Leipzig 1995.

Bühnenwerke:

Haut oder Hemd, Schauspiel, Urauff. Halle 1971

Karin Lenz, Opernlibretto zur Musik von Günter Kochan, Urauff. Deutsche Staatsoper Berlin 1971

Haut oder Hemd, Text und Dokumentation, Halle 1972

Da sah ich den Menschen, Dramatik und Gedichte, Berlin 1983

Die Liebe und der Tod, Gedichtband, Halle 1999

Mitautor in ca. 70 Anthologien und Sammelbänden.

Filme (nach seinen Texten):

Spur der Steine, DEFA 1966

Die Prüfung, DEFA 1967

Akte Nora S., Deutscher Fernsehfunk 1975

Auf der Suche nach Gatt, DFF 1976

Zwei leere Stühle, DFF 1982

Übersetzungen seiner Texte in über 20 Sprachen.

Verkaufte Bücher (ohne Anthologien): ca. 2,2 Millionen in Deutschland.

Auszeichnungen u.a.:

Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur 1964 und 1981

Heimich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR 1971

Kunstpreis der Stadt Halle 1971

Händelpreis der Stadt Halle 1973

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