Achterbahn

Höhenflug und freier Fall

„Sie heißen Karsten und Britta, Volker und Melanie und Günti und sind Menschen wie du und ich. Sie leben mitten unter uns, in den Nobelhotels und in den Obdachlosenasylen. Sie glänzen auf Promitreffen und Siegerpodesten oder verbergen sich in Abrissbauten und stillen Parkwinkeln. Sie tragen Kronen und Medaillen oder Plastebeutel und Lumpen. Sie sind ganz oben oder ganz unten oder auf dem Wege nach da oder nach dort auf der Achterbahn des Lebens.“ Karsten, Britta und Volker arbeiten in der Werft und sind im Großen und Ganzen mit ihrem Leben zufrieden. Sie beteiligen sich an den Demos zum Ende der DDR und fahren mit dem Trabi nach Lübeck,... alles anzeigen expand_more

„Sie heißen Karsten und Britta, Volker und Melanie und Günti und sind Menschen wie du und ich. Sie leben mitten unter uns, in den Nobelhotels und in den Obdachlosenasylen. Sie glänzen auf Promitreffen und Siegerpodesten oder verbergen sich in Abrissbauten und stillen Parkwinkeln. Sie tragen Kronen und Medaillen oder Plastebeutel und Lumpen. Sie sind ganz oben oder ganz unten oder auf dem Wege nach da oder nach dort auf der Achterbahn des Lebens.“

Karsten, Britta und Volker arbeiten in der Werft und sind im Großen und Ganzen mit ihrem Leben zufrieden. Sie beteiligen sich an den Demos zum Ende der DDR und fahren mit dem Trabi nach Lübeck, neugierig auf die Welt, in die sie vorher nicht reisen konnten. Karsten und Britta scheinen Gewinner der Wende zu sein und sind weit oben angekommen, Volker ganz unten. Doch ihr Leben ist wie eine Achterbahn ...



Zur verabredeten Zeit, drei Stunden nach Mitternacht, standen die zwei Mitfahrer vor Karstens Tür. Spätestens bei Volkers kräftigem Händedruck erinnerte sich der Trabantpilot, woher er diesen Mann kannte.

Der sorgfältig durchdachte Reiseplan scheiterte an der Realität. Die Straße in Richtung Westen war proppenvoll. Auto reihte sich an Auto. Mit vor Unruhe immer feuchter werdenden Händen hockte Karsten am Steuer. Daneben saß Volker und passte mit auf, obwohl es bei diesem Schneckentempo nur wenig aufzupassen gab. Britta hatte es sich auf der Rückbank bequem gemacht und holte den versäumten Nachtschlaf häppchenweise nach. Nur selten gab es mal für eine kurze Strecke freie Fahrt. In den Häusern rechts und links der Fahrbahn gingen die ersten Lichter an. Nur ein zwischen zwei Dörfern abgestellter Wohnwagenkomplex war hell erleuchtet. „EROS-CENTER“ funkelte die rote Lämpchenkette.

Der Trabi blubberte und stänkerte sich voran.

„Das mag er gar nicht“, fachsimpelte Karsten. „Wenn ich jetzt die Zündung ausschalte, dann ist ganz Feierabend.“

„Die Kerzen werden nass. Das liegt am Gemisch.“

„Dann hilft nur rausschrauben und trocknen lassen. Hast du auch ’nen Führerschein?“

„Jede Menge: PKW, LKW, Motorrad, Gabelstapler. Ich habe bei der Armee den Genossen Major gefahren, aber im Moskwitsch. Der stotterte auch.“

„Der Genosse Major?“

„Nee, der Moskwitsch.“

Sie lachten.

Nach mehr als fünfstündigem Zuckeltrab waren sie in Lübeck und begannen mit der Suche nach einer Parkmöglichkeit, zuerst im Auto sitzend, dann als aufgeteilter Spähtrupp. Volker und Britta zogen zu Fuß voraus, Karsten folgte langsam mit dem Wagen. Diese Methode hatte Erfolg. Ein einheimischer Frühaufsteher räumte seinen Platz, und sie konnten einparken.

„Leute, diese Schaufenster!“, schwärmte Britta.

„Guck einer an! Kaum neun Uhr, und die Kneipen haben schon auf‘, stellte Volker sachkundig fest.

„Erst Geld holen!“, bestimmte Karsten. „Die haben zwar wegen uns jetzt sonntags geöffnet, aber man weiß nie wie lange.“

Vor der einen Bank stand eine Schlange, vor der nächsten eine noch längere, vor der Post eine kürzere. Hier stellten sie sich an. Es ging sehr langsam voran. Den Grund entdeckten sie erst, als sie bis in die Halle vorgerückt waren: Nur ein Schalter war dienstbereit. Sie legten ihre Ausweise vor, kriegten ihre Stempel und empfingen ihr „Begrüßungsgeld“.

„Da wollen wir mal die westliche Freiheit genießen“, freute sich Britta.



Geboren am 4.4.1927 in Breslau, aufgewachsen im dörflichen Umfeld der Stadt, Abbruch der Schule in der 11. Klasse infolge Einberufung, Flakhelfer, Soldat, amerikanische Kriegsgefangenschaft, nach der Entlassung Kochlehre in Jena, Volkspolizist, Kurzausbildung zum Neulehrer, Einsatz in Mecklenburg, zuerst in Kröpelin, dann an der einklassigen Dorfschule Spoldershagen, schließlich in Bad Sülze.

1983 nach dem Tod der Ehefrau Aufgabe des Lehrerberufs, seitdem als freiberuflicher Schriftsteller und Journalist in Rostock, seit 2013 in Ahlbeck. (siehe Biographie "Viel erlebt - viel verpasst" , 2005).

Erste journalistische Versuche ab 1955, Kontakte zum und nachfolgend Mitglied im Schriftstellerverband.

Kinder- und Jugendbücher:

Magellans Page

Geheimnisvoller Strom

Anker auf



Seit Mitte der 1970er Jahre ausschließlich Arbeiten für Presse, Rundfunk, Theater und Fernsehen (7 Schwänke für DDR-Fernsehfunk).

Durch den Wegfall sämtlicher Auftrag- und Arbeitgeber nach der Wende Rückkehr zum gedruckten Buch, Romane und Erzählungen zur Regionalgeschichte und - gegenwart:

Die Hexe vom Fischland, Wo Kapitäne geboren wurden, Dorfschulmeister Franz Kuhlmann, Störtebekers Erben (Jugendbuch), Achterbahn, Waldschenke, Julias wilde Jahre, Unser täglich Brötchen u. a.

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