Eva und der Tempelritter
Solange Eva zurückdenkt, lebt sie mit dem Vater und der Oma allein. An die Mutter kann sie sich nicht mehr erinnern, sie war kaum zwei Jahre alt, als sie starb. Nun ist Eva vierzehn, sie steckt voller Heiterkeit und lustiger Einfälle, bei allen ist sie beliebt. Nur Uwe Tempel schaut immer ein bisschen gelangweilt und überlegen über sie hinweg, wenn wieder einmal auf dem Schulhof die Lacher auf ihrer Seite sind. Der beste Kumpel, den sie hat, ist der Vater. Er rümpft nie die Nase über sie, er schimpft nicht, nimmt gelassen auch wenige Mal ist alles anders geworden. Ausgerechnet in die Mutter dieses Tempel hat sich ihr Vater verliebt, das verzeiht sie ihm nicht. Ihr wird ganz bestimmt was einfallen, um den beiden die Suppe gründlich zu versalzen. Und auch Uwe ist nicht gewillt, sein Vorrecht bei der Mutter aufzugeben.
Christa Grasmeyer erzählt frisch und spannend, sie trifft die Mentalität der Vierzehnjährigen, versucht ihre Kompliziertheit zu deuten und ihre Schroffheit, hinter der sich oft mehr Zartgefühl verbirgt, als manche Erwachsenen vermuten.
LESEPROBE:
„Also doch“, sagt Uwe und blickt an Eva vorbei auf die Schüler, die um sie herum die Hofpause genießen.
Evas heimlichen Zeichen ist er nur widerwillig gefolgt. Er hat sich schon geärgert, dass er sich verleiten ließ, an jenem Regentag auf der Fahrt nach Klüssow vorübergehend das Visier zu lüften. Und hat sie das nicht gleich ausgenützt, versucht, ihn einzuwickeln und weich zu machen?
Nun aber zeigt sich, dass mehr hinter ihren Gebärden steckte als Wichtigtuerei. Dieser Geheimplan seiner Mutter, Evas Vater zu heiraten, bedeutet auch für Uwe einen schweren Schlag.
„Du sagst, die Heirat ist beschlossene Sache?“
„Genau.“
„Und das hat dein Vater dir anvertraut?“
„Anvertraut ist gut! Ich hab ihn so in die Enge getrieben, dass er keine Ausflüchte mehr machen konnte.“
Sie hat Mut, denkt Uwe, sie lässt nicht locker.
„Leicht hat dein Vater es nicht mit dir, was?“
„Ich hab meinem Vater nie das Leben schwer gemacht, alles war immer so schön und so leicht.“
„Jetzt nicht mehr?“, fragt Uwe.
„Nein“, sagt sie.
Er nickt. „Was willst du machen?“
„Ich weiß nicht.“ Eva starrt vor sich hin. „Ich stell mir nur vor, wie alles sein wird, und dann könnt ich heulen.“
„Aufgeben“, murrt Uwe, „kapitulieren! Du streust die Blumen, ich halte die Schleppe, so soll wohl die Hochzeit sein.“
„Und deine Mutter, die errötende Braut ...“
„Hör auf! Meine Mutter ist völlig durchgedreht, aber du hast darüber keine Witze zu machen!“
„Also doch“, sagt Uwe und blickt an Eva vorbei auf die Schüler, die um sie herum die Hofpause genießen.
Evas heimlichen Zeichen ist er nur widerwillig gefolgt. Er hat sich schon geärgert, dass er sich verleiten ließ, an jenem Regentag auf der Fahrt nach Klüssow vorübergehend das Visier zu lüften. Und hat sie das nicht gleich ausgenützt, versucht, ihn einzuwickeln und weich zu machen?
Nun aber zeigt sich, dass mehr hinter ihren Gebärden steckte als Wichtigtuerei. Dieser Geheimplan seiner Mutter, Evas Vater zu heiraten, bedeutet auch für Uwe einen schweren Schlag.
„Du sagst, die Heirat ist beschlossene Sache?“
„Genau.“
„Und das hat dein Vater dir anvertraut?“
„Anvertraut ist gut! Ich hab ihn so in die Enge getrieben, dass er keine Ausflüchte mehr machen konnte.“
Sie hat Mut, denkt Uwe, sie lässt nicht locker.
„Leicht hat dein Vater es nicht mit dir, was?“
„Ich hab meinem Vater nie das Leben schwer gemacht, alles war immer so schön und so leicht.“
„Jetzt nicht mehr?“, fragt Uwe.
„Nein“, sagt sie.
Er nickt. „Was willst du machen?“
„Ich weiß nicht.“ Eva starrt vor sich hin. „Ich stell mir nur vor, wie alles sein wird, und dann könnt ich heulen.“
„Aufgeben“, murrt Uwe, „kapitulieren! Du streust die Blumen, ich halte die Schleppe, so soll wohl die Hochzeit sein.“
„Und deine Mutter, die errötende Braut ...“
„Hör auf! Meine Mutter ist völlig durchgedreht, aber du hast darüber keine Witze zu machen!“
„Warum nicht? Ein glückliches Brautpaar, ein schönes Paar, und trampelt über die eigenen Kinder weg.“
„Sei still!“ Er sieht Eva krampfhaft lachen. Tränen treten in ihre Augen. Er mäßigt sich.
„Mein Vater“, sagt Eva, „hat mich abgeschrieben. Er raspelt Süßholz, verspricht mir das Blaue vorn Himmel und glaubt selbst dran. Kann man einem Elefanten klarmachen, dass er nicht trampeln soll?“
„Meine Mutter ist genauso ein Elefant.“
„Das glaub ich nicht.“
„Aber sie hat mir eine Antwort gegeben ... Ein anständiger Mensch, hat sie gesagt, versucht nicht, seinen Willen durchzusetzen, indem er andere erpresst. Darauf sei sie früher nicht eingegangen und würde es auch jetzt nicht tun.“
„Erpresst?“, fragt Eva verwundert. „Womit kannst du denn deine Mutter erpressen?“
„Ich bin ihr Stern, kapiert? Das war mein Trumpf. Ich dachte, sie würde es vielleicht nicht aushalten, wenn ich ihr die kalte Schulter zeige und sie abblitzen lasse. Es ist nämlich so ..., ich spreche jetzt kein Wort mit ihr.“
Christa Grasmeyer wurde 1935 in Schwerin geboren. Sie arbeitete zunächst in verschiedenen Berufen, war Journalistin, Arztsekretärin, im Buchhandel tätig und als Sekretärin in einem Sportclub.
1975 veröffentlichte sie ihr erstes Buch, dann regelmäßig weitere Bücher, bis sich fünfzehn Jahre später ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen so grundlegend veränderten, dass sie das Schreiben aufgab und nur noch gelegentlich die eine oder andere Kurzgeschichte verfasste.
Christa Grasmeyers Bücher wenden sich vorwiegend an jugendliche Leser. Ihre Erzählungen handeln von der schwierigen Lebensphase der Jugendzeit, von Liebe und Freundschaft, von familiären Konflikten oder von Problemen bei der Berufsausbildung.
Christa Grasmeyer lebt in Schwerin, seit 1977 freischaffend.
Bibliografie:
Eva und der Tempelritter, Verlag Neues Leben, Berlin 1975 (Prag 1979, Warschau 1983, Budapest 1985)
Kapitän Corinna, Verlag Neues Leben, Berlin 1977
Der unerwünschte Dritte, Verlag Neues Leben, Berlin 1979 (Budapest 1988)
Ein Fingerhut voll Zuversicht, Verlag Neues Leben, Berlin 1980
Verliebt auf eigene Gefahr, Verlag Neues Leben, Berlin 1984
Aufforderung zum Tanz, Verlag Neues Leben, Berlin 1986
Friederike und ihr Kind, Verlag Neues Leben, Berlin 1988
Was hast du getan?, Kurzgeschichte in: "Wahnsinn", Verlag Otto Maier, Ravensburg 1990
Drei von draußen, Kurzgeschichte in: Hamburger Abendblatt 1996
Literarische Auslese "Weihnachtsveranstaltungen", Radius-Verlag, Stuttgart
May be - Kurzgeschichte, unveröffentlicht
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- Artikel-Nr.: SW9783956550294
- Artikelnummer SW9783956550294
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Autor
Christa Grasmeyer
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 264
- Veröffentlichung 23.08.2014
- ISBN 9783956550294