Mein Bruder
Mit 17 ließ Jamaica Kincaid ihre Heimat Antigua hinter sich. Zwanzig Jahre später kehrt sie zurück. Erst jetzt lernt sie ihren jüngsten Bruder Devon kennen, der drei war, als sie fortging. Sie kann sich nicht erinnern, ob sie einst Zuneigung für ihn empfunden hat, und versteht sein Englisch nur mit Mühe. Er hat sie sich anders vorgestellt - fett vor allem, denn auf Antigua entspricht es der Mode, fett zu sein. Als Kincaid ihren Bruder das nächste Mal sieht, liegt er im Sterben: Der charismatische, lebensfrohe, aber auch rastlose junge Mann, der ein ausschweifendes Leben geführt hat, ist an Aids erkrankt. Er stirbt im Alter von 33 Jahren. Poetisch und schockierend genau beschreibt Kincaid sein Sterben, analysiert die gesellschaftlichen Umstände seines Leidens und die Konflikte ihrer Familie, die die Zerrissenheit einer postkolonialen Gesellschaft spiegeln. Und sie geht mit sich selbst ins Gericht, erzählt von der nie vollendeten Ablösung von ihrer Mutter und ihrer immerwährenden Selbstfindung im Schreiben.
Jamaica Kincaid wurde 1949 als Elaine Potter Richardson auf Antigua geboren. Mit siebzehn ging sie als Au-pair nach New York, wo sie bald zur Schriftstellerin wurde, zu Jamaica Kincaid. Ihre erste Erzählung »Girl«, die aus nur einem einzigen Satz besteht, erschien im New Yorker und machte Kincaid schlagartig berühmt. Viele ihrer Erzählungen und Romane handeln von ihrer besonderen Rolle als Tochter, als Frau, als Angehörige einer ehemaligen Kolonie. Neben ihren gewichtigen Themen ist Kincaid durch ihre eigenwillige Sprache und ihren stark autobiographischen Ansatz bekannt geworden. Sie lehrt African and African American Studies in Harvard und lebt in Vermont.
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- Artikel-Nr.: SW9783311702092110164