Efeu pflücken
Historische Miniaturen
Efeu pflücken? Den Titel für seine historischen Miniaturen verdankt Jürgen Borchert der Gewohnheit eines Freundes, von Gräbern berühmter Menschen einen Efeuzweig zu pflücken, um sich so in seinem Garten eine immergrüne Autogrammsammlung anzulegen. Auch Borchert lässt Tote wieder lebendig werden.
Die Liste der Leute, denen wir in seinen historischen Miniaturen begegnen, ist lang. Dazu gehören Bahnmeister Wilhelm Hansen, der ein spanischer Grande war, und Ritter vom Goldenen Vließ und Ritter der Georgsbrüder und Träger des Roten Adlerordens erster Klasse, ebenso wie der Präsident der Prignitz und Bethke, der unfromme Pastor und der verschwundene Professor Fritz Wachenhusen sowie auch Johann Sebastian Bach – jedenfalls beinahe.
Außerdem ist von dem oft Wittenberg verwechselten Wittenberge die Rede, von den Türmen von Bautzen und nicht zuletzt von John Brickman in Amerika.
Und hinterher ist man bestimmt nicht nur schlauer als zuvor, sondern auch im besten Sinne des Wortes amüsiert.
INHALT:
Bahnmeister Wilhelm Hansen, Grande von Spanien. 1840
Karl Wilhelm Liebke - Präsident der Prignitz. 1918
Überflüssige Bemerkungen zu einer mittleren Stadt. 1980
Bethke, der unfromme Pastor. 1945
Abschweifungen bei der Suche nach Wachenhusen. 1925
Ein Denkmal für Franz Giese. 1963
Mein lieber Hennemann! oder Die Ziege als Säugamme. 1837
Brinckman in Amerika. 1839
Bach überquert die Elbe bei Werben. 1705
Bautzens Türme. 1980
Bahnmeister Wilhelm Hansen, Grande von Spanien. 1840
Karl Wilhelm Liebke - Präsident der Prignitz. 1918
Überflüssige Bemerkungen zu einer mittleren Stadt. 1980
Bethke, der unfromme Pastor. 1945
Abschweifungen bei der Suche nach Wachenhusen. 1925
Ein Denkmal für Franz Giese. 1963
Mein lieber Hennemann! oder Die Ziege als Säugamme. 1837
Brinckman in Amerika. 1839
Bach überquert die Elbe bei Werben. 1705
Bautzens Türme. 1980
Das Komische ist: Keiner weiß was von Wachenhusen. In Schwerin geboren, laut Thieme-Beckers Kunstlexikon auch dort verstorben 1925. Und auf dem Ahrenshooper Friedhof angeblich begraben. Merkwürdig genug, immerhin. Warum hat man in Pommern einen Mecklenburger beerdigt, der Haus und Familie in Schwerin hatte, in dem malerischen eingemeindeten Dorf Görries, in der Straße Knöchernhorst 12? Eingemeindet ist Görries auch heute noch, nur das Malerische ist weg.
Gehen wir also in die Bunte Stube, und befragen wir den alten W., der in diesem merkwürdigen und bauhausverdächtigen Gebäude aus Brettern und Glas viel schöne Kunst verkauft und Bücher und sogar antiquarische, deren Preis einen der letzten Reste ahrenshoopischer Exklusivität repräsentiert. Und manchmal bietet W. natürlich auch ein bisschen Kitsch an, wer will ihm das verdenken: es besteht rege Nachfrage. W., seit alten Zeiten, kennt den Ort und seine Pappenheimer. Bei ihm ist es voll, denn es regnet. Wenn die Sonne scheint, ist es auch voll, denn das Etablissement ist schattig. Er steht hinter seiner Kasse, angetan mit einem karierten Hemd, er hat seine grauen, fast weißen Haare in die Stirn gekämmt, er spricht ein munteres Gemisch aus Hoch- und Plattdeutsch, Berlin und Vorpommern, er hat einen etwas irritierten Blick, als ich ihn nach Wachenhusen frage. Sonst fragen die Leute nach Elizabeth Shaw oder Werner Tübke oder ob Bernsteinketten da sind und wann der und jener ausstelle in seinem winzigen Galeriechen hinter dem Laden. Und nun komme ich daher und frage nach Wachenhusen.
Das Grab? Hm, man weiß nicht so genau, ob er drunter liegt. Der ist damals verschwunden, einfach so ...
Wie kann ein Professor, ein Mann von zwei Meter Höhe und zweihundert Pfund Gewicht, einfach so verschwinden?
Tja, wie kann er wohl ...
Nun gehe ich endlich das Grab anschauen, mal so richtig, steige den Friedhofsberg hinauf, zwischen den Gräbern durch, zwischen den ehrsamen Herren und Damen Bradhering selig, die hier generationsweise begraben sind, und zwischen den ganzen Professoren und Kapitänen, die mal ein Haus hatten in Ahrenshoop. Hier ist auch Peter E. begraben, der Hinstorff-Verleger, der ein rechter Schwadroneur und großer Saufaus gewesen sein soll und der den Professor Wachenhusen gekannt haben muss, denn er hat später, nach dessen Tod, sein Haus gekauft, gleich neben dem Friedhof. Ganz oben, wo's fast nicht mehr weitergeht, wo nur noch ein Zaun ist und dahinter Wald und dahinter ein Haus, Schifferberg 10, da ganz oben: der grüne Efeuhügel und die weiße Platte, Professor Fritz Wachenhusen, geboren am, gestorben am, was sonst. Und der soll nicht drunterliegen? Ist das nicht ein Malerwitz? Ein Touristenschocker? Ein Windei?
Jürgen Borchert wurde 1941 in Perleberg geboren. Er erlernte den Fotografenberuf und studierte Bibliothekswesen in Berlin und Leipzig.
Seinen dritten Beruf, die freie Schriftstellerei, übte er seit 1980 aus. Sein Thema war Norddeutschland. Insbesondere lag ihm Mecklenburg am Herzen: Kulturgeschichte, Biografisches, das Verhältnis von Mensch und Landschaft...
Er lebte bis zu seinem Tode im Jahre 2000 in Schwerin.
Er bekam den Fritz-Reuter-Preis (1982; 1988) und den Johannes-Gillhoff-Preis (1994).
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- Artikel-Nr.: SW9783863946937.1