Erinnerung und Lüge
Anfang der 1980er reist eine junge Wissenschaftlerin nach Ostfrankreich, vorgeblich für Studien. Mit dem Dorf Mauduit verbindet die Protagonistin auch eine verstörende Kindheitserinnerung. Eine Exkursion wird nie durchgeführt - aber die Protagonistin taucht auf anderem Wege tief in die Vergangenheit Mauduits ein, nämlich durch die Erzählungen der alten Lottie, die als letzte Bewohnerin eines verwunschenen Herrenhauses die Geschichte der Familie Ardenne hütet. Lottie gewährt der Protagonistin Kost und Logis, im Gegenzug muss die junge Frau ihrer Gastgeberin allabendlich am Kamin Gesellschaft leisten, während diese die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner*innen erzählt. Die Wissenschaftlerin wird allmählich in den Bann des Ortes gezogen und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte animiert. Wiederholt kehrt sie nach Mauduit zurück, um mit Lottie den Quellen der Geschichten auf den Grund zu gehen.
Ein atemberaubender Generationenroman, der die Kunst des Erzählens ins Literarische überführt und wie nebenbei europäische Geschichte mit ihren kolonialen Verstrickungen vermittelt. Ein Leseerlebnis, das die Grenze zwischen Erinnerung und Lüge abtastet.
Der modern erzählte Familienroman mit starken Frauenfiguren demonstriert die einzigartige Erzählkunst der großen französischen Literatin Anne-Marie Garat.
Anne-Marie Garat, geboren 1946 in Bordeaux, arbeitete nach ihrem Studium in Paris als Dozentin für Film und Fotografie und seit Anfang der 80er-Jahre auch als Autorin. Insgesamt hat sie gut 30 Werke veröffentlicht und wurde mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet: Für Aden erhielt sie den Prix Femina und den Prix Renaudot des Lycéens, für Les mal famées den Prix Marguerite-Audoux und für Der große Nordwesten den Franz-Hessel-Preis. Erinnerung und Lüge ist ihr neunter Roman. Garat verstarb am 26. Juli 2022 in Paris.
1. Cover
2. Titelseite
3. Biographien
4. Als das zweiköpfige Wesen am Zaub vorbeikam …
5. Als ich Lottie Carmeaux kennenlernte …
6. Es wurde gerade hell …
7. Sie ist mir also immer noch böse …
8. Was haben Sie vor ihren Augen gerettet …
9. Am nächsten Tag wartete ...
10. Als ich die Akte von Fernand Ardenne endlich las ...
11. An das folgende Jahr erinnere ich mich ...
12. Als ich meine Mutter besuchte ...
13. In der Nacht ...
14. Als ich Lottie drei Monate später ...
15. Ich war nicht wie vorgesehen ...
16. Wir brachen im Sommer ...
17. Impressum
Jedes Buch von Anne-Marie Garat ist ein Glaubensbekenntnis an die Zauberkraft der Literatur und die "schamanistische" Macht der Worte. Unter dem Deckmantel einer weitverzweigten Familiensaga hinterfragt die Autorin den Ursprung von Geschichten und die Art, wie sie von einer Person zur nächsten weitergegeben werden, während sie womöglich den Werdegang dieser Menschen ebenso wie deren Zukunft zu verändern vermögen. Obwohl diese Frage im Roman unbeantwortet bleibt, ist die Versuchung, dem Verlauf dieser Quelle mit Anne-Marie Garat zu folgen, viel zu groß, um ihr nicht nachzugeben.
Anne-Marie Garat weiß sehr atmosphärisch zu erzählen. Besonders gefallen haben mir ihre Landschaftsbeschreibungen der Franche-Comté und des Jura-Gebirges: Ich habe die Wälder rauschen hören, habe die sprudelnden Bäche zwischen dem Kalkgestein gesehen und hatte so manches abgelegene Landhaus vor Augen. Wunderbar! ... Ein Roman, der mich auf eine spannende Reise mitgenommen hat: Von der Franche-Comté und anderen Regionen Frankreichs bis in die weite Wildnis von Kanada - und über mehrere Generationen von Familien hinweg.
Die Autorin schreibt sprach- und wortgewaltig, malt mit langen, verschachtelten, überwältigenden Sätzen ein nahezu berauschendes Bild von Menschen und ihren Empfindungen, von Orten und Landschaften.
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- Artikel-Nr.: SW9783833746093110164