Als ein Schinken vom Himmel fiel
Sagen aus Pinnow und aus der Nachbarschaft
Wieso geistert in zahlreichen Sagen das Petermännchen aus Pinnow durch das weit entfernte Schweriner Schloss, als wäre es dort zu Hause? Warum melkt eine alte, untadelige Raben Steinfelder Bäuerin Kühe durch die Wand, obwohl der Milchraub doch der klassische Schadenzauber der Hexen war. Woran dachten die Pinnower Bauern, als sie in ihrer Sage einen Rehschinken vom Himmel fallen ließen. Warum hausen die Weißen Frauen (oder sind es gar die weisen Frauen?) von Sukow unter einem Kuhstall und haben Wechselbälger bei sich? Warum darf Herzog Karl Leopolds Name in der Sage nicht erwähnt werden? Kann die sprachliche Analyse eines Flurnamens uns den historischen Wahrheitsgehalt einer Sage vermitteln? Volkssagen haben oft mehr zu sagen, als es der Wortfluss der Erzählung und die Semantik der Wörter hergeben. Die inhaltlichen Sagenstoffe reflektieren die gesellschaftlichen und historischen Situationen, in denen diese Sagen entstanden sind. Sie haben meist Hintergründe, die für die damaligen Zeitgenossen bekannt waren, uns heutigen Lesern oft aber verborgen sind. Zudem ist in der langen Zeit der Tradierung von Sagen über Generationen hinweg vieles vom alten Sagenstoff verblasst so wie Neues hinzugedichtet worden ist – Vorsicht und Zurückhaltung sind bei der Deutung alter Sagen also angebracht.
In diesem Büchlein soll versucht werden, einige Sagenhintergründe aufzudecken und einige Sagen, die in der Kleinregion rund um Pinnow kursierten und heute noch erzählt werden, zu deuten. Die vom Autor nacherzählten Sagen wurden von Ines Höfs illustriert.
Ein Wort zuvor
Sagen aus Pinnow
Wie das Petermännchen nach Pinnow kam
1. Die Unterirdischen
2. Die Unterirdischen ziehen mit einer goldenen Wiege zum Hilligen See
3. Der Auszug der Unterirdischen aus dem Petersberg
Hintergründe
Wie die Unterirdischen zum Petermännchen wurden
Wie aber wurde aus den Unterirdischen das Petermännchen?
Kein Lindwurm am Lindhörn
Die Weiße Frau am Schmiedeberg
Die Sage
Hintergrund / Deutung
Die Weiße Frau am falschen Ort
Der Wod und Frau Waur
Der Wod ringt mit einem Bauern
Als ein Schinken vom Himmel fiel
Die Sage
Hintergrund
Die Sage vom Räuber Röpke in den Stahlbergen
Hintergrund
Kröten küssen auf Fischerwerder
Hintergrund
Der Tanz um den Altar
Hintergrund
Sagen aus Godern
Müller und Teufel in der Goderner Wassermühle
Hintergründe
Der Götterkopf von Godern
Sagen aus Raben Steinfeld
Durch die Wand gemolken
Hintergrund / Deutung
Der Steinerne Tisch
Der Großherzog, der Teufel und das Petermännchen
Sagen aus Consrade, Plate und Peckatel
Frau Waur und ihre Meute setzen über die Stör
Der Draak in Peckatel
Die Tafel im Rummelsberg
Der Kultwagen von Peckatel
Von Riesen, die Steine warfen und vom Riesenstein bei Peckatel
Hintergrund
Sagen aus Zietlitz und aus Sukow
Der Wassermann im Zietlitzer Soll
Hintergünde: Der Wassermann in der Mythologie
Die Weißen (weisen) Weiber von Sukow
Hintergrund / Deutung
Das Weiße Weib in der Lewitz
Der mitleidige Bauer aus Sukow
Sagen aus Crivitz
Wie die Crivitzer zu ihrem Stadtwald kamen
Hintergrund
Die Unterirdischen im Crivitzer Weinberg
Sagen aus Gädebehn und aus Augustenhof
Die Gädebehner Brauteiche
Die Streiteiche von Augustenhof (Rehhagen)
Hintergrund
Wie die Crivitzer zu ihrem Stadtwald kamen
Es ist schon lange her, als die Crivitzer erfuhren, dass schwedische Krieger Schwerin besetzt hatten und ihrem Fürsten an den Kragen wollten.
Auf dem Marktplatz in Crivitz gab der Bürgermeister den Einfall der Schweden bekannt und er sagte auch, dass diese den Fürsten sehr bedrängten. „Denn möten wi hen un den Fürsten bistahn“ (Da müssen wir hin und dem Fürsten beistehn), rief der Bürgermeister mit lauter Stimme, woraufhin die Crivitzer Bürger beschlossen, umgehend nach Schwerin zu marschieren. Als die Crivitzer nun mit Äxten, Dreschflegeln, Sensen und Knüppel bewaffnet dort eintrafen und die Schweden diesen Haufen entschlossener Crivitzer Bürger erblickten, nahmen sie gleich Reißaus. Der Herzog war über die Treue der Crivitzer so gerührt, dass er ihnen zum Dank dafür erlaubte, aus den herzoglichen Forsten ihr Leben lang soviel Feuerholz zu bergen als sie brauchten.
Das war was für die Crivitzer, das brauchte man ihnen nicht zweimal sagen. Nichts wie hin in die Lewitz und nicht nur das Holz mitgenommen, was oben lose herumlag, sondern hier und da wurde auch schon mal ein Beil geschwungen. Das war aber viel mehr als die Crivitzer brauchten und sie begannen, mit dem von ihnen nicht gebrauchten Holz einen schwunghaften Handel zu treiben. Das gefiel dem zuständigen Forstmeister nun gar nicht und er beschwerte sich beim Herzog über das geschäftliche Treiben der Crivitzer mit dem Holz, das ihnen ja gar nicht gehörte.
„So habe ich das auch gar nicht gedacht“, sagte da der Fürst, ließ seine Kalesche anspannen und fuhr nach Crivitz, wo die Leute schon auf dem Markt versammelt waren. Dort verhandelte der Fürst mit seinen Bürgern und man einigte sich, dass die Crivitzer in Zukunft ihr Holz vom Förster zugewiesen bekommen aus einem Waldstück, das der Herzog den Crivitzern schenkte. Seitdem fiel das ihnen dann zugeteilte Feuerholz nie zu knapp aus. Und zu alledem hatten sie nun auch einen eigenen Stadtwald, den sie stolz „Bürgerholz“ nannten und den sie bis zum heutigen Tag in einem guten und gepflegten Zustand halten.
Quelle: B. Keuthe,1997 – nach Gewährsmann Karl Puls
Neu erzählt: H. Remmel
Hintergrund
Eine Sage, in der ein mecklenburgischer Fürst seinen Untertanen Freund ist, dessen Namen aber nicht genannt wird, ist seltsam und ungewöhnlich.
Zweifellos handelt es sich aber in dieser Sage um Herzog Karl Leopold, der Mecklenburg-Schwerin von 1713 bis 1728 regierte.
Vor ihm und nach ihm hat kein Mecklenburger Fürst je versucht, sich gegenüber der Ritterschaft und den Ständen als souveräner Landesherr durchzusetzen. Karl Leopold strebte die volle Souveränität eines absoluten Herrschers an, wobei er bei der Durchsetzung dieses Zieles sehr resolut zu Werke ging und besonders der Ritterschaft im wahrsten Sinne der Worte auf die Güter rückte. Er war wohl der von den Junkern und den Landständen, aber auch von der eigenen herzoglichen Familie meist gehasste Mann im Lande. Diese Fronde erreichte 1717, dass Kaiser Karl VI. eine Reichsexekution ins Mecklenburger Land schickte, um den „verrückten“ Fürsten zur Raison zu bringen. Dazu rückten 8000 Mann hannoversche Exekutions-Truppen mit Artillerie und allem drum und dran für mehrere Jahre ins Land, mit denen sich der Fürst auch militärisch auseinandersetzen musste.
Ein erstes Gefecht bei Walsmühlen 1719 entschied Karl Leopold jedoch für sich. Für ein zweites Treffen erließ der Fürst einen Aufruf besonders an die Bauernschaft, aus deren Reihen ihm Scharen zuliefen – nach dem Motto, der Feind der Ritterschaft ist der Freund der Bauern. Kurzfristig hatte Karl Leopold ein mit Sensen, Sicheln und Hacken, mit Heu- und Mistforken bewaffnetes Bauernheer zusammen, das im Juni 1730 in der Lewitzniederung bei Jamel auf die professionellen „kaiserlichen“ Hannoveraner Truppen traf und das in einem blutigen Gemetzel geschlagen wurde. Karl Leopold wurde suspendiert und er verbrachte seinen Lebensabend auf der Festung Dömitz.
Mit einem solchen verrückten Kerl, der sich gegen die gottgewollte Ordnung stemmte, wollten weder die fürstliche Verwandtschaft, das Schweriner Establishment noch besonders die Stände etwas zu tun haben, weshalb allein schon die Erwähnung des Namens des Herzogs Karl Leopold sowohl aus der Öffentlichkeit als auch aus der Sagenliteratur verbannt wurde.
1936 in Köln in einer Arbeiterfamilie geboren. 1942 Evakuierung nach Hindenburg (Zabrze) Oberschlesien, dort Einschulung, danach Volksschule in Köln. Dort 1943 ausgebombt. Ende 1944 Zwangs-Evakuierung nach Sachsen-Anhalt. Von 1946 bis 1949 Aufenthalt in Irland im Rahmen einer Kinderhilfsaktion der Irischen Rotkreuz-Gesellschaft. Temporäre Adoption durch eine Farmerfamilie im Westen der Insel, Besuch der Irish National School.
Nach Rückkehr Beendigung der Volksschule (8.Klasse) in Köln. Lehre und Beruf als Grauguss- Former.
November 1956 Übersiedlung in die DDR, Arbeit als Former in Leipzig. 1957 bis 1961 freiwillig Dienst in der NVA. 1961 bis 1965 Studium Deutsch / Geschichte an der PH Leipzig, danach Schuldienst an der POS Bergfelde bei Berlin, 1967 Umzug nach Schwerin, in der Erwachsenenbildung tätig. 1967-1970 Fernstudium Philosophie an der Uni Greifswald.
August 1990 Journalist / Redakteur bei der Schweriner Volkszeitung. 1998 in Rente.
Verheiratet zwei Kinder, Tochter 2015 verstorben.
Bibliografie:
Beiträge zur Dorfgeschichte von Pinnow-Petersberg. Gemeinde Pinnow, Pinnow 2009
From Cologne to Ballinlough. A German and Irish Boyhood in World War II and Post-war Years 1946-49. Aubane Historical Society, 2009
Von Köln nach Ballinlough. Eine deutsch-irische Kindheit. EDITION digital, Pinnow 2016
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- Artikel-Nr.: SW9783956558658458270
- Artikelnummer SW9783956558658458270
-
Autor
Herbert Remmel
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 112
- Veröffentlichung 01.03.2018
- ISBN 9783956558658
- Wasserzeichen ja