Die Reise in das Land Kluwung

Javanische Sagen neu erzählt

In den 1970er Jahren schrieb der Schriftsteller Herbert Friedrich zwei Bücher über niederländische Seefahrer, die Java bereist hatten: „Dorado oder Unbekanntes Südland“, erschienen 1975, und „Der Vogel Eeme“, erschienen 1980. Im Buch „Der Vogel Eeme“ erreichen die Niederländer erstmals Java (1596), im Buche „Dorado“ sind sie seit 40 Jahren an Ort und Stelle, haben es längst kolonisiert und werden es bis 1945 als Kolonie betrachten, ausnutzen, beherrschen. (Von 1811 bis 1816 war es von den Briten besetzt, 1942 bis 1945 von den Japanern. Seit 1945 ist es Teil Indonesiens.) Insgesamt hat sich Friedrich beim... alles anzeigen expand_more

In den 1970er Jahren schrieb der Schriftsteller Herbert Friedrich zwei Bücher über niederländische Seefahrer, die Java bereist hatten: „Dorado oder Unbekanntes Südland“, erschienen 1975, und „Der Vogel Eeme“, erschienen 1980. Im Buch „Der Vogel Eeme“ erreichen die Niederländer erstmals Java (1596), im Buche „Dorado“ sind sie seit 40 Jahren an Ort und Stelle, haben es längst kolonisiert und werden es bis 1945 als Kolonie betrachten, ausnutzen, beherrschen. (Von 1811 bis 1816 war es von den Briten besetzt, 1942 bis 1945 von den Japanern. Seit 1945 ist es Teil Indonesiens.)

Insgesamt hat sich Friedrich beim Schreiben dieser beiden Bücher ca. vier Jahre ausschließlich mit Java beschäftigt und nur auf niederländische Quellen zurückgegriffen. Dabei stieß er auch auf den Titel

„Javaansche Sagen, Mythen en Legenden verzameld door Jos.Meijboom- Italiaander, Zutphen – W.J. Thieme u. Cie – 1924“

In „Die Reise in das Land Kluwung“ hat Herbert Friedrich sechzehn dieser Sagen frei nacherzählt. In der vorletzten (Vom Fürstensohn, der Schmied wurde) weissagt ein Einsiedler dem Fürsten Mundang Wanggi, dass dieser drei Söhne bekommen werde. Jedoch der Erstgeborene werde ihn töten.

Herbert Friedrich gestaltet daraus die Rahmenhandlung. Der Fürst, auf einer Reise durch sein Land, zwingt den Einsiedler nach dieser unheilvollen Weissagung mit ihm zu ziehen. In den vielen Tagen unterwegs erzählt der Einsiedler dann die Sagen. An seiner Seite ist der Tiger Menak Djinggah, ein verzauberter missgestalteter Prinz. Am Ende der Rahmenhandlung und damit dieses Buches erfüllt sich die Weissagung.

Diese javanischen Sagen, die Meijboom-Italiaander gesammelt hat, erzählen von den Gegebenheiten des Landes (Sagen von Bergen, Tieren, Bäumen) wie auch von Herrschern und Geistern, Nymphen ebenso wie fliegenden Pferden, Riesen der Luft usw.

Die alten Verbindungen Javas zu Indien wie auch zu Arabien brachten die Religionen der jeweiligen Länder mit, den Hinduismus wie den Islam. So finden sich in den Sagen und Legenden nicht nur die einheimischen Götter, sondern auch Brahma, Vishnu und Allah.



Die Weissagung

Die Geschichte vom Baum, der Quelle und dem kleinen Vogel

Wie der Einsiedler mit dem Fürsten mitzieht

Die Geschichte von der Glücksblume

Wie sie auf dem Meer fahren

Vom Bauernsohn, der König wurde

Vom Fischer Ngaridjo

Von Rasul bin Rachman

Vom habsüchtigen Seridjan

Wie sie im Land Padjajaran stranden

Die Geschichte vom unglücklichen Prinzen

Wie die Prinzessin Ngalima mit auf die Reise geht

Die Geschichte vom alten Krokodilpaar Buaja

Die Geschichte von der weißen Krähe

Die Geschichte vom klugen Baumhörnchen

Die Geschichte vom Affenkönig Hanomat

Wie die Reisenden ins Tigergebirge steigen

Die Geschichte vom Gecko

Wie sie am Fluss Kilah-Kilah noch einmal nächtigen

Die Geschichte von Pak Sidin und Pak Moor

Wie Ratu Loro Kidul einen Bräutigam fand

Die Ankunft

Die Geschichte vom Fürstensohn, der Schmied wurde

Von den Kannen

Die Geschichte von Prinzessin Sonne

Das Ende



Prinz Kuda schickte sich in den Willen seines Vaters, wie es Sitte war. Er hoffte nur, dass die ihm zugedachte Frau nicht gar zu hässlich wäre. Ansonsten gönnte er sich alle Freuden, besonders kurz vor der Hochzeit. Er schwamm im Fluss und stellte im Wald allerhand Tieren nach, ohne sie allerdings zu töten.

Auf einem dieser Streifzüge geschah es, dass er an einem Haus vorbeikam, welches dem Reichsverweser gehörte. Kaum bemerkte dieser hohe Würdenträger den Sohn des Gebieters, da lief er ihm entgegen und bat ihn, einzutreten.

In der kühlen Galerie setzte sich Prinz Kuda hin; ein Mädchen brachte ihm etwas zu trinken. Sie hatte dunkle, verschleierte Augen, eine Haut wie Pfirsich und einen fein geschwungenen Mund, der ihm leise den Gruß entbot. Vor so viel Schönheit begann sein Herz heftig zu schlagen. Zaghaft berührte er ihre Hand, als er das Glas nahm.

„Wer ist dieses Mädchen, das einer Fee gleicht?“, wollte er wissen, nachdem sie gegangen war.

Es war aber die jüngste Tochter des Reichsverwesers, und jener fühlte sich geehrt, dass der Prinz das Mädchen so schön fand. „Sie ist nicht nur eine Zaubergestalt“, rief Prinz Kuda überschwänglich aus, „sie ist mein Leben. Sie muss an meiner Seite bleiben. Morgens, wenn ich erwache, soll mein Auge auf ihr ruhen, und ich werde einen glücklichen Tag haben.“

Jetzt erschrak der Reichsverweser zu Tode. Mit eindringlichen Worten stellte er dem Prinzen vor, dass der Herrscher ihn bereits mit einer Prinzessin verlobt habe. Diese noch nie erschaute Braut zu Kediri sei gewiss nicht minder schön als seine Tochter.

All die hübschen Reden stimmten Kuda nicht um. Er befahl dem Hofmann: „Sagt eurer Tochter, dass sie sich bereit macht, mit mir zum Fürstensitz zu ziehen. Erblickt mein Vater sie, wird er begreifen, warum ich nur sie begehre. Und er wird mir seine Zustimmung nicht versagen.“

In diesem Augenblick verwünschte der Gastgeber, dass er den jungen Herrn ins Haus gebeten hatte. Der Fürst würde in rasende Wut verfallen. Schweren Herzens ließ er die Tochter ziehen.

So kam Dewi Angreni in den Palast. Dem Fürsten traten die Augen hervor, als sein Sohn ihm eröffnete, dieses Mädchen wolle er heiraten. Sie war nichts als die Tochter eines seiner Würdenträger. Sie brachte kein Reich mit in die Ehe ein! Aber das Mädchen war wirklich von außergewöhnlicher Schönheit. Wer diese Augen sah, vergaß, was er Böses im Sinne hatte. So wurde die Hochzeit gefeiert.

Wo so viel Reiswein getrunken wird, wo sich so viele Tänzerinnen und Wajangspieler einfinden, wo ein Prinz die Tochter eines Untergebenen zur Frau nimmt – all dies bleibt in anderen Ländern nicht verborgen. Und so drang die Kunde auch nach Kediri.

Der Fürst dort war tief in seiner Ehre gekränkt, dass sein eigener Bruder den ausgehandelten Vertrag schnöde gebrochen hatte. Vor allem auch darum, weil die Tochter eines kleinen Patihs seiner eigenen Tochter als Prinzgemahlin vorgezogen wurde. Das war nur mit Blut abzuwaschen.

Ein besonnener, also alter Hofmann erinnerte den Fürsten von Kediri rechtzeitig an seine Schwester, nämlich an die aus der Art geschlagene Einsiedlerin im Wald von Keputjangan. Wenn sie dort in ihrer Einsamkeit mit den Göttern auf gutem Fuß stand, sollte man doch ihren Rat einholen.

So zog ein Bote in den fernen Wald. Und dann reiste die Klausnerin zu ihrem erbosten Bruder. Das alles dauerte lange, so dass der Fürst von Kediri seiner Schwester einigermaßen ruhig berichten konnte.

Sie hatte also zu raten, ob es Krieg geben sollte oder nicht. „Vielleicht ist noch nicht alles verloren. Lasst mich erst mit unserem Bruder in Djengallah sprechen.“

Wieder stieg sie in die Sänfte; die Sklaven hatten leichte Last. Und nun reiste sie dorthin, wo gerade eine Hochzeit gefeiert worden war.

„Höre, Djengallah-Bruder“, tadelte sie, nachdem sie eine Weile verschnauft hatte. „Dein Sohn hat die Tochter des Patihs geheiratet und nicht wie, vereinbart, Prinzessin Sekar Tadji, die Tochter deines Bruders zu Kediri. Du hast dein Wort gebrochen. Ein Fürst, von dem man solches sagen kann, verdient nicht, auf dem Thron zu sitzen.“

Der Fürst entgegnete: „Höre, Schwester aus dem Keputjangan-Wald, was wirfst du mir vor? Natürlich wird mein Sohn die Tochter meines Kediri-Bruders heiraten. Er kann sich so viel Frauen nehmen, wie er will. Jene, die er jetzt geheiratet hat, ist als Tochter eines Patihs niemals eine Prinzessin. Also wird die schöne Sekar Tadji die Ratu sein, die erste Gemahlin meines Sohnes.“

Dieser Spruch war mehr, als die Einsiedlerin erhofft hatte. Und da es sie zu ihrem Wald und ihren Tieren zog, hielt sie sich nicht lange auf. Rasch überbrachte sie in Kediri die gute Nachricht, dass Prinz Kuda bald erscheinen werde, um seine Braut zu sehen. Damit stand kein Krieg mehr bevor, sondern eine neue Hochzeit.

Jetzt wurde das Reich von Kediri umgestülpt, damit die besten Speisen und Getränke herankämen. Hammel wurden ausgewählt, Scharen von Sklaven in die Wälder geschickt, um die seltensten Früchte zu holen. Die besten Weber webten Sarungs, die den Neid aller anderen Reiche erregen würden. Loblieder auf Prinzessin und Prinz wurden gedichtet und in Musik gesetzt. Und tausend Dinge mehr.

Der Fürst von Djengallah dagegen hatte nur eines zu tun. Und doch verursachte dies eine tausendmal mehr Mühe als das, was in Kediri geschah. Er musste diese neue Hochzeit seinem Sohn beibringen.



Geboren am 7. August 1926 in Zschachwitz.

Volksschule in Dresden, Lehrerbildungsanstalt in Frankenberg. Ab 1944 Wehrmachtssoldat, von 1945 bis 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft in Mittelasien.

1950 war er zunächst Hilfsarbeiter, dann Lehrer in Lohmen/Pirna und in Dresden. 1957 legte er das Staatsexamen ab und studierte von 1958 bis 1961 am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Seit 1961 freischaffender Schriftsteller in Dresden.

Auszeichnungen

Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden 1966

Alex-Wedding-Preis 1973

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