Schüler Munz wird gemordet

In einer packenden und tragischen Erzählung entführt uns Friedrich Wolf in das Deutschland der späten 1920er Jahre. Er erzählt die herzzerreißende Geschichte von Herbert Munz, einem jungen Gymnasiasten, der unter dem immensen Leistungsdruck durch seinen Vater und die Schule leidet. Herbert, einst der Stolz der Familie, zerbricht an den unerbittlichen Anforderungen und Erwartungen, die weit über seine Fähigkeiten hinausgehen. In einer Zeit, in der Bildung und Erfolg alles bedeuten, zeigt diese Erzählung die erschütternden Folgen von gesellschaftlichem und familiärem Druck auf junge Seelen. Ein unverzichtbares E-Book für jeden,... alles anzeigen expand_more

In einer packenden und tragischen Erzählung entführt uns Friedrich Wolf in das Deutschland der späten 1920er Jahre. Er erzählt die herzzerreißende Geschichte von Herbert Munz, einem jungen Gymnasiasten, der unter dem immensen Leistungsdruck durch seinen Vater und die Schule leidet. Herbert, einst der Stolz der Familie, zerbricht an den unerbittlichen Anforderungen und Erwartungen, die weit über seine Fähigkeiten hinausgehen. In einer Zeit, in der Bildung und Erfolg alles bedeuten, zeigt diese Erzählung die erschütternden Folgen von gesellschaftlichem und familiärem Druck auf junge Seelen. Ein unverzichtbares E-Book für jeden, der sich für historische Literatur und menschliche Schicksale interessiert.



Munz war durch diese Minderwertigkeitserklärung seines Sohnes aufs tiefste in seiner eignen Ehre gekränkt. War sein Junge weniger begabt, weil der Vater nicht Regierungsrat, sondern nur Bäckermeister?! Er wollte es ihnen zeigen. Geld spielte keine Rolle. Herbert bekam in den Weihnachtsferien täglich fünf bis sieben Nachhilfestunden von Professoren anderer Schulen. Jeden Tag hatte er ein festes Pensum zu erfüllen. Mit mathematischer Sicherheit musste so der Stoff lang bis Ostern bewältigt sein. Die Stunden wurden auch über die Ferien fortgesetzt, zu dem Schulunterricht. „Die Schande“ des Sitzenbleibens werde er an seinem Sohn nicht erleben. Doch je mehr Herbert an Stoff in sich hineinpresste, umso mehr Räder gingen in seinem Kopf herum. Schließlich war alles nur noch ein einziger Gulasch. Dabei wurde er selbst schlaff, bleich, reizbar, ängstlich. Es war, als sollten in seinem zu engen Schädel mit einem Mal hundert Gänge und Wege mit Gewalt hineingesprengt werden. Bisweilen hatte er eine unbezwingbare Lust, zu turnen, Gewichte zu stemmen, die Fenster herauszureißen und auf die Straße zu werfen.

Dann stand er bei seinem Bruder vor den Feuern und schob mit höchster Freude und Kraft die schweren Mulden aus den Röhren und schwang die Mehlsäcke heran. Hörte er den Vater, so drückte er sich schnell. Munz nannte ihn nur noch den „Bengel“, den „Tagedieb“. In der Klasse hieß er das „Gnu“ oder die „Büffelantilope mit dem treuen Blick“. Dieser Spitzname konnte ihn wild machen. Einem, der ihn hartnäckig „Gnu“ rief, hatte er mit einem Faustschlag das Schlüsselbein zerbrochen. Die erste Karzerstrafe folgte. Auch der Vater nannte ihn, falls er ihn besonders strafen wollte, jetzt Gnu.

Das Gnu wurde immer verprellter, verschlossener, einsamer, trotziger. Die Lehrer sprachen von „passiver Resistenz“. Die Kameraden nannten ihn boshaft und dumm. Er selbst bat den Vater, er solle ihn vor Ostern doch irgendwo in die Lehre tun.

„Irgendwo“, fauchte der Vater, „auch irgendwo muss man einen Fingerhut Verstand haben!“

Das Gnu hatte längst kapituliert. Dennoch musste er dauernd an den „Tag der Schande“ denken, der mit Ostern herannahte. Oft saß er nachts auf dem Speicher und schaute über die Dächer. Den Tag hasste er.

Kurz vor Ostern spielten sie Handball. Der Lehrer trug die Tore in sein Notizbuch ein. Er legte es immer wieder auf die Mauer. Einmal ward er schnell abberufen. Mit Raubtierblick erluchste die Klasse die seltene Beute. Zum Schein spielten einzelne weiter. Drei, vier durchspickten das Buch nach den Zensuren und der Versetzung. Trotz des Spiels herrschte eine völlige Stille auf dem Hof. „Alle! Alle! Bis auf einen!“, hauchte es jetzt von der Mauer herüber.

Einer nach dem andern schlich zu dem Buch, warf einen Blick hinein und stimmte dann in den gespenstischen Chorus leise ein: „Alle! Alle! Bis auf einen!“



Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.

Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.

Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.

Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.

Staatliche Auszeichnungen

1943: Orden Roter Stern

1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock

1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.

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