Heimkehr der Söhne

Eine Novelle

Berlin, Zweiter Weltkrieg: Die Familie Böger wird durch die Schrecken des Krieges und die brutalen Anforderungen des Nazi-Regimes zerrissen. Die Rückkehr der beiden älteren Söhne, Heinz und Peter, auf Heimaturlaub bringt kurzfristig Freude in das Heim, doch die düstere Realität holt sie schnell ein. Während der Vater stolz auf die militärischen Erfolge seiner Söhne blickt, kämpft die Mutter verzweifelt darum, ihre Familie zusammenzuhalten und ihre Kinder vor dem tödlichen Krieg zu bewahren. Als Professor Schittenhelm, ein ehemaliger Lehrer der Söhne, versucht, die historische Wahrheit gegen die ideologische Verzerrung des... alles anzeigen expand_more

Berlin, Zweiter Weltkrieg: Die Familie Böger wird durch die Schrecken des Krieges und die brutalen Anforderungen des Nazi-Regimes zerrissen. Die Rückkehr der beiden älteren Söhne, Heinz und Peter, auf Heimaturlaub bringt kurzfristig Freude in das Heim, doch die düstere Realität holt sie schnell ein. Während der Vater stolz auf die militärischen Erfolge seiner Söhne blickt, kämpft die Mutter verzweifelt darum, ihre Familie zusammenzuhalten und ihre Kinder vor dem tödlichen Krieg zu bewahren.

Als Professor Schittenhelm, ein ehemaliger Lehrer der Söhne, versucht, die historische Wahrheit gegen die ideologische Verzerrung des Regimes zu verteidigen, geraten die Bögers in einen Strudel aus Loyalität, Verzweiflung und Konflikt. Die Eskalation dieser Spannungen führt zu schmerzhaften Entscheidungen und einer finalen Konfrontation, die das Leben der Familie unwiderruflich verändert.

Das Buch erzählt die erschütternde Geschichte einer Familie, die in den letzten Jahren des Dritten Reiches um ihr Überleben kämpft. In einer Zeit, in der Pflichtgefühl und Propaganda über Menschlichkeit gestellt werden, offenbart dieses Buch die innere Zerrissenheit und die verzweifelte Hoffnung einer Mutter, die versucht, ihre Kinder vor dem Tod zu bewahren. Ein kraftvolles und emotionales Drama über den Zerfall einer Familie unter dem unbarmherzigen Druck eines brutalen Regimes.



Die Söhne

Professor Schittenhelm

Alles so wie einst

Pendelgang durch Berlin

Ursel

Untersturmführer Hasse

Eine winzige Frage

Mama! Mama!

„Du solltest mein Glücksstern sein …"

Im Steinsarg

Die Silberkugel

Ein einziges Mal

„Sein Leben habt ihr gestohlen!"

Peter und die Mutter

Berlin brennt

Rachegeister

Erich

Die Schneeflocke kommt ins Rollen …

„Höre auf deine Mutter, mein Junge!“

Verbrannt …

Die Furcht und der Mut

Das Bächlein

Zwei Kämpfer

Der Gestapochef Hahnenbitter greift ein

„Was habt ihr aus unsern Kindern gemacht"



Am nächsten Morgen hat die Mutter den Günter Hasse und die Ursel Rackwitz erreicht. Die Ursel lässt, wie verabredet, den Peter an den Apparat des Hauswarts rufen. Strahlend kommt er zurück und gibt der Mutter einen Kuss mitten auf den Mund.

Die Mutter meint lächelnd: „Der galt wohl der Ursel?“

„Weshalb nicht dir?“, fragt der Peter.

Ja, heute Abend werden die jungen Leute den Ton angeben; das wird eine andere Musik!

Tagsüber ist es ziemlich ruhig in der Wohnung. Der Vater muss ins Büro. Erich ist zum Dienst; er will mit Rücksicht auf die Heimkehr der Brüder um noch einen Tag Urlaub nachsuchen.

Den Heinz hält es nicht in den vier Wänden. Er möchte zu den Eltern seiner alten Schulkameraden, er möchte wieder einmal „durch Berlin pendeln“, durch die Straßen, die Menschen sehen, die alten Plätze und auch die Zerstörungen, die der Großangriff des Tommy verursacht hat. Und dann die Ruhe, mit der die Mutter den häuslichen Kleinkram verrichtet, ja, diese stille, mütterliche Liebe – das alles geht ihm direkt auf die Nerven. Auch dass der Peter sich seine alte Trainingsjacke angezogen hat und der Mutter hilft, Kartoffeln schälen, einen abgebrochenen Schrubber an einem neuen Stiel befestigen und eine Gardinenstange in Ordnung bringen – all das war früher vor den Panzerschlachten und den Fahrten kreuz und quer durch Europa vielleicht ganz normal. Aber heute, da es um die Aufrichtung und Verteidigung der germanischen Kultur gegen den Einbruch des Bolschewismus und der anglojüdischen Plutokratie geht, da der Aufbruch der Nation im Buch der Geschichte mit Blut und Eisen geschrieben wird, oder wie Nietzsche es ausdrückt: wo geboren wird, muss Blut fließen!, da sie, die jungen Soldaten, die Schildträger und Schwerthalter dieser großen Stunde sind –, in dieser Stunde sich an die Schürze der Mutter zu hängen, das ist nicht sein Fall!

Gewiss, er wird versuchen, als Urlauber in der Stadt noch ein paar Flaschen Bier und andre Kleinigkeiten für heute Abend aufzutreiben; aber vor allem will er die Berliner Luft wieder atmen zwischen dem Lehrter Bahnhof, der Chausseestraße und der Friedrichstraße, Unter den Linden und dem Potsdamer Platz. Den Menschen und den Zerstörungen muss man ins Auge sehen! Der warme, gütige, mütterliche Dunstkreis wirkt auf ihn wie eine Narkose.

Er rennt durch die Straßen oder durch das, was früher einmal diesen Namen verdiente. In der Friedrichstraße, nach den „Linden“ zu, sind ganze Häuserblocks wie wegrasiert, riesige Lücken eröffnen dem Blick eine Sicht in weiter entlegene Wohnviertel. Dazwischen breite Schutthalden, aus denen hier und da blaugraue Rauchsäulen aufsteigen. An einer andern Stelle ist ein ganzer Straßenzug umgelegt; Arbeitskolonnen haben begonnen, mit Spitzhacke und Schaufeln einen Trampelpfad durch das Trümmerfeld zu bahnen. Überall wühlen dort Frauen und alte Männer zwischen den Steinhaufen. In der ehemaligen Mohrenstraße sieht er an der Mauer eines ausgebrannten Hausskeletts einen handgeschriebenen Zettel: „Bin nach Breslau, Hitler-Straße 17, verreist! Herzlichen Gruß Berta.“ Manchmal müsste man einen Stadtplan haben, um sich zu orientieren. In der Nähe der Behrenstraße steht eine Menschenschlange. Dort wurde aus den Mauerresten und einem Holzverschlag eine Art Baracke hergestellt mit der Aufschrift: Posthilfsstelle. Offenbar wurde das zuständige Postamt zerstört. Die Leute suchen hier ihre Briefe zu erlangen. Ringsum stinkt es nach Rauch, Brand und süßlicher Verwesung. Die Menschen schauen mit fremden, leeren Augen aneinander vorbei.

Droben im zerbrochenen Fensterrahmen einer Hausfassade hängt ein Bett mit Nickelbeschlägen, ein gelbseidenes Plumeau weht wie eine Quarantänefahne. Da hinauf kann niemand. Man muss die Fassade sprengen. Auch hier stehen überall auf dem Schutthaufen Hitlerbilder, die den „Führer“ in den verschiedensten großartigen Posen zeigen, in Reih und Glied nebeneinander aufgepflanzt wie Totenkreuze auf einem Friedhof. – Seltsam!

Die Schaufenster der großen Geschäfte sind mit Brettern vernagelt; wo einst Aschinger und das Kaffeeimporthaus standen, befindet sich nur noch ein Holzverschlag. Das also ist Berlin! So sieht es im Zentrum der Weltstadt aus!

Wahrhaftig kein Urlaubsvergnügen, „durch Berlin zu pendeln“! Ganz anders ist das als im erdreichen Grabengelände der Front. Die Wunden einer Stadt klaffen tiefer als die Wunden einer Landschaft. Die Stadt kannte man als ein Menschenmeer voller Bewegung, Arbeit, Freude; die Veränderung ist hundertmal größer.

Heinz geht selbst wie ein Gespenst der zerbombten Stadt durch die verwüsteten Straßen. Was hat er hier zu suchen? Weshalb ist er eigentlich hierhergekommen? Er rennt jetzt durch die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz. Überall kann es ja so nicht sein! Er fährt mit der U-Bahn nach Charlottenburg. Doch auch da bemerkt er die vielen hohen Bretterwände an Stelle der Häuser. An dem Eingang zur U-Bahn stehen ein Dutzend „Fliegender Händler“, die Pappschachteln mit Bindfaden als „Bombenkoffer“ verkaufen; einer ruft dreist: „Tadelloser Koffer zur Fahrt in die Bombenfrische! Sonderpreise für Ausgebombte!“ Heinz dreht sich um, diesem schnöden Konjunkturritter ein kräftiges Wörtchen zu sagen; aber es ist ein einbeiniger Krüppel im Soldatenrock.

Genug! Er geht zur Klopstockstraße, zur Mutter seines Freundes Otto Harms. Ein Glück, das Haus ist unversehrt. Er rennt die Stufen hinauf zur dritten Etage. Hier wird er ausruhen und mit der guten Alten ein paar vernünftige Worte reden können. Ja, an der Türe ist noch das Messingschild. Wie er klingeln will, sieht er am Briefkasten einen kleinen aufgeklebten Zettel: „Bis auf weiteres verreist.“



Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.

Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.

Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.

Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.

Staatliche Auszeichnungen

1943: Orden Roter Stern

1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock

1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.

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