Die Überstunden – geheime Rebellion am 1. Mai

Die Erzählung entführt den Leser in die düsteren Tage nach Hitlers Machtergreifung. Generaldirektor K. W. Borchart, der Leiter der Norddeutschen Papierfabriken AG, versucht, den Spagat zwischen der neuen politischen Ordnung und dem Druck seiner Belegschaft zu meistern. Als der 1. Mai 1933 zum „Fest der Arbeit“ erklärt wird, stehen nicht nur die Arbeiter, sondern auch die SA und die Führung des Betriebs vor schwierigen Entscheidungen. Inmitten der scheinbaren Normalität offenbart sich der Widerstand auf unerwartete Weise. Eine spannende und bedrückende Erzählung über die subtilen Formen des Aufbegehrens und den Mut, auch unter... alles anzeigen expand_more

Die Erzählung entführt den Leser in die düsteren Tage nach Hitlers Machtergreifung. Generaldirektor K. W. Borchart, der Leiter der Norddeutschen Papierfabriken AG, versucht, den Spagat zwischen der neuen politischen Ordnung und dem Druck seiner Belegschaft zu meistern. Als der 1. Mai 1933 zum „Fest der Arbeit“ erklärt wird, stehen nicht nur die Arbeiter, sondern auch die SA und die Führung des Betriebs vor schwierigen Entscheidungen. Inmitten der scheinbaren Normalität offenbart sich der Widerstand auf unerwartete Weise. Eine spannende und bedrückende Erzählung über die subtilen Formen des Aufbegehrens und den Mut, auch unter größtem Druck für seine Überzeugungen einzustehen.



K. W. Borchart, der Generaldirektor der Norddeutschen Papierfabriken AG, musste eine süße Miene machen zu dem Spiel. Gewiss, er verstand, dass Hitler in den ersten Wochen nach der Machtergreifung den deutschen Arbeitern neben den Hieben auf den Schädel zugleich etwas Zucker gab. Peitsche und Zuckerbrot, das ist eine bewährte Methode. Aber diese letzte Verfügung des Führers ging dem Generaldirektor Borchart doch etwas über die Hutschnur.

Hitler erklärte 1933 den 1. Mai zum „Festtag der Arbeit“. Genau jenen 1. Mai, den bisher auch „die Roten“ gefeiert hatten! Fühlte man sich schon so stark, dass man Erinnerungen nicht fürchtete? Wollte man hiermit jeder verbotenen Feier und geheimen Kundgebung von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen? Glaubte man dies der Nationalsozialistischen „Arbeiterpartei“ schuldig zu sein? Zum Glück hatte die Verfügung ein Fuchsloch, einen Notausgang. Es hieß: Alle für die Wirtschaft unbedingt lebenswichtigen Betriebe können einen Teil der Belegschaft weiterarbeiten lassen.

Die Norddeutsche Papierfabriken AG hatte natürlich wie jede Papierfabrik eine Anzahl dringender Aufträge, darunter einige terminliche Auslandsorders nach der Schweiz und nach Dänemark. Auch forderte die deutsche Tagespresse ihre tägliche Belieferung. Es lag also – wenn man wollte – ein lebenswichtiges Interesse der deutschen Wirtschaft vor. Generaldirektor Borchart wollte. Er ließ als Führer des Betriebs einen Anschlag ankleben, dass ein Drittel der Belegschaft in der Kocherei, an den Presswalzen und den Trockenmaschinen im Interesse der deutschen Gesamtwirtschaft auch am 1. Mai weiterzuarbeiten habe. Die Arbeit werde als Überstunden gewertet.

Auf diesen letzten Satz war Generaldirektor Borchart direkt stolz. Dieser Satz war gradezu eine Edelmannsgeste.



Die Mehrzahl der Arbeiter verstand aber offenbar die großartige Geste sehr wenig. Die Arbeiter wollten am 1. Mai nicht in den Betrieb. Ob man dann zu der offiziellen Maifeier ging oder zu Haus blieb, das war eine zweite Frage. Die Hauptsache: Der 1. Mai war der 1. Mai!

Es entstanden lebhafte Diskussionen. Eine Gruppe der Arbeiter meinte, man müsse grade mit Hilfe der neuen Verfügung Hitlers dem Direktor seinen „Herr-im-Haus“-Standpunkt gründlich austreiben! Jetzt sei dazu eine großartige Gelegenheit! Einige Mitglieder der SA gingen sogar so weit zu fordern, dass man Borchart anzeigen und vor ein Volksgericht stellen müsse wegen Sabotage des Führerbefehls. Eine dritte Gruppe aber war der Ansicht, man solle ruhig arbeiten und sich die „Überstunden“ bezahlen lassen. Diese dritte Gruppe wurde von den andern der Prinzipienlosigkeit, der Feigheit, der „Arschkriecherei vor dem Prinzipal“ beschuldigt. Der SA-Mann Wernicke meinte mit einem Blick auf Hein, den Vorarbeiter an der Presswalze, vielleicht wollten sich einige auch vor dem Fest der Arbeit und dem Aufmarsch auf diese Weise drücken?



Friedrich Wolf

Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.

Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.

Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.

Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.

Staatliche Auszeichnungen

1943: Orden Roter Stern

1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock

1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.



Werkverzeichnis

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