In jungen Jahren

Erlebnisroman eines Arbeiters

In jungen Jahren
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Ein literarisches Zeugnis vom Aufwachsen in einer ungerechten Welt Vom Gänsehüten im bayerischen Dorf bis zum politischen Erwachen auf der Landstraße – die bewegende Geschichte des Bauernsohnes Heinrich, der im späten 19. Jahrhundert in eine von Armut, Arbeit und harter Entbehrung geprägte Welt hineingeboren wird. Schon als Kind begegnet er Hunger, Gewalt und Ausgrenzung – aber auch Wärme, Solidarität und dem leisen Wunsch nach Gerechtigkeit. Mit wachem Blick, feinem Humor und großer sprachlicher Kraft zeichnet Adam Scharrer das Porträt einer Kindheit und Jugend im Schatten der gesellschaftlichen Umbrüche – von... alles anzeigen expand_more

Ein literarisches Zeugnis vom Aufwachsen in einer ungerechten Welt

Vom Gänsehüten im bayerischen Dorf bis zum politischen Erwachen auf der Landstraße – die bewegende Geschichte des Bauernsohnes Heinrich, der im späten 19. Jahrhundert in eine von Armut, Arbeit und harter Entbehrung geprägte Welt hineingeboren wird. Schon als Kind begegnet er Hunger, Gewalt und Ausgrenzung – aber auch Wärme, Solidarität und dem leisen Wunsch nach Gerechtigkeit.

Mit wachem Blick, feinem Humor und großer sprachlicher Kraft zeichnet Adam Scharrer das Porträt einer Kindheit und Jugend im Schatten der gesellschaftlichen Umbrüche – von den engen Zwängen des Dorflebens über die harten Jahre als Wanderarbeiter bis zur politisch bewussten Auseinandersetzung mit einer ungerechten Ordnung.

Scharrers autobiografisch geprägter Roman ist mehr als eine Milieuschilderung: Es ist ein literarisches Erinnerungswerk über Herkunft und Hoffnung, über die Kraft des Widerstands und das Ringen einer Generation um Würde und Zukunft.

Ein authentischer Bildungsroman der Arbeiterklasse – rau, poetisch, tief empfunden und heute so aktuell wie damals.



Zum Glück ließ der Frost nun ein wenig nach, und Vater bat den Lehrer darum, dass wir während des Schulunterrichts Schuhe aus Flicken anziehen durften, die uns die Mutter genäht hatte. Da bei diesem Gespräch des Vaters mit dem Lehrer auch der junge Vikar zugegen war, kam auch ein Gespräch zwischen diesem und Vater über einige andere Dinge zustande mit dem Erfolg, dass der Vikar sich an einige wohlhabende Bauern mit der Bitte wandte, den von auswärts kommenden Schülern während der Schulpause eine warme Mahlzeit abzulassen, und da wir nur circa ein halbes Dutzend waren, konnten wir untergebracht werden. Ich wurde Rapphuber, dem Wirt „Zum kühlen Grund“ in Erlendorf, zugeteilt und hatte es besonders gut getroffen. Meta, die Tochter, fütterte mich so gut, dass ich manchen Wecken und manches Stück Wurst heimlich von meinem Teller in meine Tasche verschwinden lassen konnte, und als sie mich eines Tages heimlich durch das Küchenfenster beobachtete und mich zur Rede stellte, machte ich mich schon darauf gefasst, nun meine Pension zu verlieren, die ich den Winter über gesichert glaubte, und sagte: „Ich wollt halt für die Unseren daheim auch ein Stückl aufheben, und ob ich es hier selber esse oder mitnehme, ist doch eigentlich gleich.“ Aber gerade diese Antwort imponierte dieser Wirtstochter, und nach einigen weiteren Fragen und Antworten sagte sie: „Es ist aber nicht gut, wenn man so etwas heimlich verschwinden lässt, das kann leicht falsch verstanden werden.“ Dann gab sie mir Einwickelpapier und legte zu dem Stück Wurst, das ich aus meiner Portion Sauerkraut herausgefischt und uneingewickelt in die Tasche gesteckt hatte, noch ein weiteres, recht ansehnliches Stück hinzu und einen großen Wecken, und sagte: „Das kann mir eigentlich gefallen von dir, dass du auch an deine anderen Geschwister denkst.“ Von diesem Tage an legte sie fast regelmäßig etwas für mich bereit. Im Gasthaus „Zum kühlen Grund“ wurden in der Regel allein zum Verkauf an Gäste wöchentlich drei Schweine und ein Stück Rindvieh geschlachtet, und die Suppe und die Klöße und das Sauerkraut waren so fett und die Portionen so reichlich, dass ich mich bald auf die mir hier gereichte Mahlzeit beschränkte, weil die Wassersuppen und die abgerahmte Milch und das trockene Brot, das mich zu Hause erwartete, mir nicht mehr schmeckten.

Vater und Mutter wunderten sich wohl, dass ich gar so freigebig bedient wurde, der wirkliche Grund kam jedoch bald ans Tageslicht. Meta war von dem jungen Vikar gebeten worden, mich bei ihren Eltern unterzubringen, und sie hatte ein großes Interesse daran, dem jungen Vikar gefällig zu sein. Es stellte sich bald heraus, dass der Vikar und diese Meta nicht nur meine Versorgung im Auge hatten. Ich machte mir darüber wenig Gedanken oder nur in der Richtung, dass Gottes Wege eben doch recht wunderbar seien, denn zu der fetten Kost ergatterte ich dann noch ein Paar Stiefel. Das Anziehen meiner mir zu engen Stiefel war nämlich eine Qual, deswegen lief ich zu Mittag stets in meinen Flickenschuhen zum Essen. Die Frage, warum ich also in diesen Flickenschuhen kam, lag auf der Hand für einen Menschen, der einen Anlass suchte, und Meta schien auf einen solchen Anlass gewartet zu haben, denn nach der entsprechenden Antwort hatte sie diese Stiefel sofort griffbereit. Langschäfter, bis über die Knie gingen sie mir, und es war auf den ersten Blick zu sehen, dass sie der Schuster eben erst instand gesetzt hatte. Neue Hauben waren angesetzt und der eine hatte auch seitlich einen derben Flicken bekommen. Der Sohn des Gasthauses „Zum kühlen Grund“, der die Schule bereits verlassen hatte, mochte wohl, während diese Stiefel in der Rumpelkammer gelegen hatten, zwei Paar neue verbraucht haben, ich aber war nur von dem einen Gedanken beherrscht, ob mir diese abgegebenen Stiefel passen würden. Und sie passten! Auch ein Paar Filzsohlen, die Meta mir noch gab, konnte ich gut darin unterbringen. Der Fuß saß warm und bequem, und als mir Meta dann auch noch eine warme Joppe verehrte, eine richtige Jägerjoppe mit zwei schrägen Außentaschen, zwei Innentaschen, Hirschhornknöpfen und zum Glück mit zu langen Ärmeln, so dass durch das Abschneiden dieser Ärmel die schadhaften Stellen am Ende überflüssig wurden und mit den Stoffresten die durchgestoßenen Ellbogen ausgebessert werden konnten, da zweifelte ich nicht mehr daran, dass der liebe Gott mein Gebet bereits erhört und diese Hilfe nur als eine provisorische gedacht sei und die große Bescherung zu Weihnachten durch das Christkind ganz außer Zweifel stünde.



Adam Scharrer wurde am 13. Juli 1889 in Kleinschwarzenlohe (heute Gemeinde Wendelstein, Mittelfranken) geboren. Bereits in frühen Jahren prägte ihn das harte Leben der Arbeiterklasse. Nach einer Schlosserlehre führte ihn seine Arbeitssuche durch zahlreiche deutsche Städte sowie nach Österreich, die Schweiz und Italien. Während des Ersten Weltkriegs wurde er als Artillerist an die Ostfront eingezogen. Seine Erfahrungen als Soldat und seine Enttäuschung über die sozialdemokratische Zustimmung zu den Kriegskrediten radikalisierten seine politische Haltung. Er trat dem Spartakusbund bei und engagierte sich später in der linksradikalen KAPD (Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands).

Scharrer begann in den 1920er-Jahren mit dem Schreiben. Seine erste Erzählung "Weintrauben" (1925) wurde anonym veröffentlicht und brachte ihm eine Anklage wegen "literarischen Hochverrats" ein. Seine Werke sind stark autobiografisch geprägt und erzählen aus der Perspektive der unteren Gesellschaftsschichten. 1930 erschien sein wohl bekanntestes Werk "Vaterlandslose Gesellen", eine proletarische Antwort auf Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues". Der Roman ist eine schonungslose Abrechnung mit dem wilhelminischen Militarismus und dem Ersten Weltkrieg.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 musste Scharrer untertauchen und floh zunächst in die Tschechoslowakei, dann in die Sowjetunion. Dort lebte er in einer Autorenkolonie und schrieb weiter über die Nöte der Arbeiter und Bauern. Während seines Exils entstanden unter anderem "Maulwürfe" (1934), "Pennbrüder, Rebellen, Marodeure" (1937) und "Der Krummhofbauer und andere Dorfgeschichten" (1939).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Scharrer 1945 nach Deutschland zurück und ließ sich in Schwerin nieder. Er arbeitete als Redakteur der "Schweriner Landeszeitung" und wurde Leiter der Literatursektion im Kulturbund. Trotz seiner politischen Nähe zur Arbeiterbewegung trat er keiner Partei bei.

Adam Scharrer starb am 2. März 1948 in Schwerin an den Folgen eines Herzanfalls, der durch eine hitzige Debatte über den Umgang mit der NS-Vergangenheit ausgelöst wurde. Er hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das in der DDR große Verbreitung fand und als wichtiger Beitrag zur proletarischen Literatur gilt.

Seine Bücher, darunter "Vaterlandslose Gesellen", "Der große Betrug" und "In jungen Jahren", geben bis heute Einblicke in das Leben und die Kämpfe der Arbeiterklasse und bleiben ein wichtiges Zeugnis der deutschen Literaturgeschichte.

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