Der Maler und sein Biograf
Ein Thomas-Gainsborough-Roman
In Deutschland sind Gemälde von Gainsborough (1727- 1788 ) rar, weshalb er hier auch bei weitem nicht so bekannt und geschätzt ist wie in seinem Herkunftsland England oder auch in Amerika. Sein Ruhm ist heute wieder im Steigen begriffen, wie besonders die Ausstellung in der Londoner Tate Gallery 2002 beweist, die vom Washingtoner Museum übernommen wurde. Gainsborough war ein begabter Porträtist, wäre aber lieber Landschaftsmaler gewesen, wofür jedoch damals das Publikum noch nicht reif war. Seine Aufträge kamen vor allem von der high society bis hin zum Königshaus, wie das Ganzfigurenbildnis der Queen Charlotte in Schwerin beweist. Wer davorsteht, wird gefangen von der Lebhaftigkeit der Malweise, die für seine Zeit modern, ja impressionistisch anmutet. Und diese malerische Auffassung bewog damals den konventionellen Akademiepräsidenten Reynolds in seiner Rede kurz nach Gainsboroughs relativ frühem Tod, den besonderen Reiz zu loben, gleichzeitig aber auch seine Schüler vor Nachahmung zu warnen.
Die zahlreichen Briefe, die erhalten blieben, überraschen durch Esprit und - aus heutiger Sicht - Modernität. Wer sich in Gainsboroughs Lebensgeschichte vertieft, lernt einen sensiblen Künstler kennen, offen für seine vielen Freunde, aufgeschlossen für andere Kunstbereiche wie Musik und Schauspiel, aber auch mit einem Hang zu Leichtsinn und Beeinflussbarkeit.
LESEPROBE:
“Wegen dieser dummen Geschichte möchtest du wirklich, dass wir aus Bath wegziehen?”
Margaret zieht sich das Tuch fester um die Schultern. “Weißt du, obgleich ich diesen Thicknesse nie leiden konnte und ihn im Grunde meines Herzens oft klaftertief unter die Erde gewünscht habe - diese Wendung gefällt mir nicht.”
“Mir auch nicht! Ganz und gar nicht! - Aber es ist ein gefundenes Fressen für die Klatschmäuler, jeder, der die Geschichte weiter verbreitet, schmückt sie noch ein bisschen mehr aus. Ich kann nicht mehr durch Bath gehen, ohne auf Schritt und Tritt darauf angesprochen zu werden. Das alles macht es mir ganz und gar unmöglich, das erwartete Bildnis zu malen. - Vielleicht wird es überhaupt Zeit für einen Tapetenwechsel.”
Margaret sitzt im Armsessel am Fenster neben dem Handarbeitstisch. “Wie kamst du auch bloß dazu, Thicknesse so zu malen! Das war kein Scherz.”
“Nein. Ich gebe zu, ich habe ihn mit Galle gemalt, mit all der Galle, die sich in den vielen Jahren aufgestaut hat. Dabei hielt ich ihn aber nicht für so empfindlich. Er hat mir einmal Teile aus einer geplanten Selbstbiografie vorgelesen.
“Wegen dieser dummen Geschichte möchtest du wirklich, dass wir aus Bath wegziehen?”
Margaret zieht sich das Tuch fester um die Schultern. “Weißt du, obgleich ich diesen Thicknesse nie leiden konnte und ihn im Grunde meines Herzens oft klaftertief unter die Erde gewünscht habe - diese Wendung gefällt mir nicht.”
“Mir auch nicht! Ganz und gar nicht! - Aber es ist ein gefundenes Fressen für die Klatschmäuler, jeder, der die Geschichte weiter verbreitet, schmückt sie noch ein bisschen mehr aus. Ich kann nicht mehr durch Bath gehen, ohne auf Schritt und Tritt darauf angesprochen zu werden. Das alles macht es mir ganz und gar unmöglich, das erwartete Bildnis zu malen. - Vielleicht wird es überhaupt Zeit für einen Tapetenwechsel.”
Margaret sitzt im Armsessel am Fenster neben dem Handarbeitstisch. “Wie kamst du auch bloß dazu, Thicknesse so zu malen! Das war kein Scherz.”
“Nein. Ich gebe zu, ich habe ihn mit Galle gemalt, mit all der Galle, die sich in den vielen Jahren aufgestaut hat. Dabei hielt ich ihn aber nicht für so empfindlich. Er hat mir einmal Teile aus einer geplanten Selbstbiografie vorgelesen. Dabei kommt er so schlecht weg, als ob sein ärgster Feind es geschrieben hätte.”
“Selbstironie ist etwas anderes als Ironie von außen.”
“Wenn Ann Thicknesse wenigstens einen Funken Humor aufgebracht hätte! Wenn sie gesagt hätte: Ganz so schmeichelhaft für mich hätte ich mir das Gegenstück meines Porträts nicht gedacht! - Dann hätte ich den Pinsel genommen und es übermalt.”
“Dafür wäre es auch jetzt noch nicht zu spät. Tu es, Thomas!”
“Nein, es geht einfach nicht!” Er springt vom Stuhl hoch.
“Mein Gott! Ein solches Bild kann man nicht Bahn neben Bahn streichen wie ein Handwerker eine Türfüllung oder einen Fensterrahmen streicht! Begreif doch bitte: Ich kann dieses Bild nicht malen, beim besten Willen nicht!”
“Und wie soll dieses Theater nun weitergehen?” Gainsborough läuft aufgeregt im Zimmer hin und her. Die beiden Schoßhündchen haben sich ängstlich in eine Ecke verkrochen.
“Tom hat das Bild schon verpackt.”
“Du willst es Thicknesse wirklich in diesem Zustand schicken?!”
Margarets Augen weiten sich vor Entsetzen. Dann allerdings bleibt ihnen wohl gar nichts anderes mehr übrig, als Bath fluchtartig zu verlassen.
Gainsborough errät ihre Gedanken und sucht einen leichteren Ton anzuschlagen. “Vor vierzehn Jahren war es Thicknesse, der alles daransetzte, uns in Bath anzusiedeln. Warum soll er nicht auch der Grund sein, warum wir es wieder verlassen!”
“Du akzeptierst ihn also als eine Art Schicksalsengel?”
“Gerade dazu soll er nicht werden!”
Margaret wartet darauf, dass Gainsborough seine genaueren Pläne äußert. Es fehlt nur, dass er nach Ipswich oder in ein noch kleineres Nest zurückstrebt! Aber zu ihrer Überraschung spricht er - ganz im Gegenteil - von London. Das wäre natürlich etwas ganz anderes!
“Und du bist sicher, dass du dich dort behaupten kannst, bei so viel Konkurrenz?”
Geboren 1934 in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern).
Studium der Kunstgeschichte und Klassischen Archäologie an der Humboldt-Universität BerIin. Diplom, Promotion zumn Dr. phil.
1965-69 Redakteurin am Lexikon der Kunst, HU Berlin.
1973-84 Leiterin der Graphischen Sammlung des Staatlichen Museums Schwerin.
Ausstellungsbetreuungen u.a. in Japan, Mexiko und Estland.
Studienaufenthalte in Holland, Frankreich, England, Irland, Skandinavien, Italien und den USA
Verheiratet seit 1955, drei Kinder, vier Enkel.
Seit 1985 freischaffende Schriftstellerin.
Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller und im Friedrich-Bödecker-Kreis.
Auszeichnungen:
Franz Bunke-Preis 1991 (Hamburg),
Peter-Härtling-Preis 1994 (Weinheim).
Bibliografie (Auswahl):
Das Haus an der Voldersgracht. Ein Vermeer-Roman. Prisma-Verlag, Leipzig 1977,
Meister Bertram. Ein Künstlerroman. Prisma-Verlag, Leipzig 1981,
A. v. Ostade. Radierungen, eigene Bestände im Staatlichen Museum Schwerin. Staatliches Museum, Schwerin 1985,
Die Woge. Ein Hokusai-Roman. Prisma-Verlag, Leipzig 1988,
Das mecklenburgische Reutergeld von 1921. Ein kulturgeschichtliches Kuriosum. Stock und Stein, Schwerin 1994,
Ein Schmetterling aus Surinam. Die Kindheit der Maria Sibylla Merian. Beltz und Gelberg, Weinheim 1995,
Wetterleuchten über Isenheim. Ein Grünewald-Roman. Fouqué-Literaturverlag, Egelsbach/Frankfurt am Main 2002,
Schwerin. Hinstorff, Rostock 1998,
Mecklenburg-Vorpommern. Hinstorff, Rostock 1999,
Reisefieber-Fieberreisen. Helms, Schwerin 2004,
Quintessenzen. Gedichte. Edition Nordwindpress, Hof Grabow 2006,
Bei den Schmetterlingen in Surinam. Die Reise der Maria Sibylla Merian. Edition Nordwindpress, Dalberg-Wendelstorff 2008.
Der Maler und sein Biograph. Ein Thomas Gainsborough-Roman. Edition Nordwindpress, Lychen 2011
Fast ein Jahrhundert. Das lange Leben der Alma M. geborene S. Edition Nordwindpress, Lychen 2012
Der Traum vom Glück ohne Ende. Aus dem Leben des Malers Adrian Ludwig Richter. EDITION digital, Pinnow 2014
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- Artikel-Nr.: SW9783956550560.1
- Artikelnummer SW9783956550560.1
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Autor
Ingrid Möller
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 275
- Veröffentlichung 22.09.2014
- ISBN 9783956550560