Wibald der Mönch
Historischer Roman
»Es war einmal«, so berichtet der Erzähler, und man spürt es förmlich, wie es ihn reizt, mit Geschichten zu fabulieren, »es war einmal vor langen, langen Zeiten, als Kaiser Rotbart lobesam noch nicht ins Heilige Land gezogen kam, da lebte in dem stillen Kloster St. Valentin im Moor ein junger Mönch bescheiden für sich, ganz dem Studium und der Vervielfältigung alter Schriften hingegeben ...« Sein Name war Wibald, und er hätte so noch viele Jahre leben können, ohne Aufregung, ohne Ärger und allerdings wohl auch ohne die Liebe, der er bald begegnen sollte, wenn ihn nicht eines Tages das Gewissen geplagt hätte. Nicht etwa wegen seines ansonsten ja so frommen Lebens, da war alles ohne Fehl und Tadel, nein, er hatte sich mit Vater Conrad, dem Prior des Klosters, leider auf einen Handel eingelassen, und der schloss die Fälschung eines Briefes ein. Und Wibald schrieb, und während er schrieb, kamen immer mehr die Zweifel. War es richtig, solch ein Schreiben anzufertigen, das im Grunde Barbarossa diffamieren musste?
Da flieht Wibald, der Mönch, um den Kaiser zu warnen, und auf vielen Irrwegen und verschlungenen Pfaden muss er wandeln, ehe er den Kaiser erreicht. Und unversehens sieht er sich in ein Intrigenspiel versetzt. Wird Friedrich Barbarossa ihm schließlich doch noch Glauben schenken? Es wird sich zeigen ... Es wird sich auch zeigen, wie es um Wibalds Liebe zu der schönen und faszinierenden Alda bestellt ist. Werden der entlaufene Mönch und das weithin bekannte Gauklermädchen vielleicht gar für immer zueinander finden?
Wie auch immer, ein spannender Roman mit einem historischen Hintergrund - wobei mit der Historie durchaus gespielt wird.
Diese leisen, kaum geflüsterten Worte ließen Benedikt erzittern. Alda warf den Umhang ab und rückte zur Seite. Keiner sah ihn an. Er senkte den Kopf. „Verzeiht, Brüder, der Hunger.“
Der Hunger konnte wohl eines Mannes Sinn verwirren, aber hungerten nicht alle? Gestern Abend hatten sie sich zu neunt zwei Rüben geteilt und seitdem nur Ampfer und Mäuseklee gekaut. Bei dem Unwetter konnte Theresa nicht einmal eine Brühe aus Melde und jungen Nesseln kochen, die dem Magen das Gefühl der Völle vortäuschte. Nirgends gab es trockenes Holz.
So blieb ihnen nichts, als dicht an dicht zu hocken, um sich gegenseitig zu wärmen und zu versuchen, trotz des Hungers, der Grelle und des Lärms zu schlafen. Alda saß neben Wibald, Seite an Seite, aber er wagte es nicht, auch nur ihren kleinen Finger zu streicheln.
Erschöpft von den Mühen des Marsches, schlief er ein. Als es erwachte, lehnte er allein gegen den kalten Stein. Das Gewitter war vorüber, der Regen rauschte noch immer. Er hörte Stimmen, ganz nahe, doch so leise, dass er kaum ein Wort verstand, soviel begriff er, sie sprachen über ihn. Da legte er die Hand zum Trichter ans Ohr.
„Ein Baalsdiener! Papst oder Kaiser, der eine wie der andere setzt sich selbst zum Herrn über die Geschöpfe Gottes.“
„Sein Mönchskleid ist unser bester Schutz.“
„Wenn’s an Kutte und Kapuze liegt, wir haben dieselbe Statur.“
„Nach deiner ersten Predigt sammeln die Kinder Holz, die Knechte begießen den Stapel mit Pech und Harz, und die Mägde reißen brennende Scheite ...“
„Haltet ein!“, schrie Alda gellend auf, und alle verstummten.
„Lasst uns wieder nordwärts ziehen!“, schlug Eilaert nach einer quälenden Pause vor. „Im Norden leben die Menschen von jeher karg, dort macht ein schlimmes Jahr die Herzen nicht härter.“
„Geduld, Brüder, ein wenig Geduld noch! Am nächsten Kreuzweg schwenken wir rechts ein, und übermorgen sind wir im gesegneten Tal des oberen Rheins, wo noch nie Mangel herrschte.“
„Darin Milch und Honig fließet.“ Pieter schmatzte hörbar.
„Dennoch, der Mönch muss fort! Wir sind zu viele Esser und zu wenige Ernährer. Was bringt denn all unser Mühen, unsere Kunst? Wenn ein täppischer Bauernbursche einen Knust Brot, den er seiner Mutter stibitzt hat, unserer Alda ins Mieder steckt, dann nicht wegen ihrer Lieder.“
Wibalds Ohren brannten. Warum wehrte das Mädchen die frechen Anwürfe nicht ab? Warum spie sie dem Breitnasigen nicht zwischen die Augen? Warum nicht?
„Bald wird noch ein Esser mehr sein“, sagte Theresa leise.
„Weiberschicksal! Das kann auch Alda leicht blühen.“
Wibald presste die Handballen auf die Ohren. Er sprang auf und stürzte hinaus in den Regen, lief, sprang, rutschte, stolperte, raffte sich auf, blieb hängen an einer Wurzel, kippte seitlich weg, kollerte den lehmigen Hang hinunter.
Geboren 8.7.1926 in Marienthal, Kreis Greifenhagen (Pommern), aufgewachsen und Volksschule in Wildenbruch/Pommern.
Lehrerbildungsanstalt in Neisse und Patschkau (Oberschlesien), Arbeitsdienst, Wehrmacht, Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion.
Vorstudienschule Greifswald, Studium der Germanistik (abgebrochen), Dramaturg an den Theatern Greifswald und Stralsund, Arbeit in verschiedenen Kulturverwaltungen, Chefdramaturg des Staatlichen Folkloreensembles der DDR.
Seit 1967 freischaffender Schriftsteller.
Heinz-Jürgen Zierke lebt seit 1969 in Stralsund.
Bibliografie
Das Gottesurteil, Roman, 1965
Sieben Rebellen, 1957
Sie nannten mich Nettelbeck, Roman, 1969
Eine Chance für Biggers, Roman, 1970
Nowgorodfahrer, Roman, 1973
Von einem, der auszog, Napoleon zu schlagen, 1975
Gänge durch eine alte Stadt, Riga, 1977
Karl XII. ,Roman, 1978
Eine livländische Weihnachtsgeschichte, Erzählungen, 1981
Ich war Ferdinand von Schill, Roman, 1983
Der Dänenschatz, 1988
Wibald der Mönch, Roman, 1987
Odins Schwert, 1990
Pommern grient,1997
Spuk auf Spyker, Erzählungen, 1998
Ana Regina vaziuoja i miesta, Novelle, 1998
Das Mädchen aus Vineta, Erzählung, 2000
Kinderhörspiele (vor 1990)
Hensken
Jana
Der schwarze Stein
Der Rebellenmajor u. a.
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- Artikel-Nr.: SW9783956552908
- Artikelnummer SW9783956552908
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Autor
Heinz-Jürgen Zierke
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 428
- Veröffentlichung 05.04.2015
- ISBN 9783956552908