Immer zu Diensten
Alle SF-Kurzgeschichten
„Flusspferde eingetroffen“, Immer zu Diensten“, „Kreation Zweidrei“ – in Möckels umfangreichem Werk nehmen SF-Kurzgeschichten nur knappe 200 Seiten, dessen ungeachtet aber einen markanten Platz ein. Mit überraschenden Einfällen, erstaunlichem Weitblick, genauer Sprache und hintergründigem Humor werden Vergangenheit und Zukunft ins Bild gebracht, präsentieren sich dem Leser „Gäste aus dem All“, fantastische Apparaturen und Gestalten. Da gerät ein Junge ins schillernde Innere einer Glaskugel, wird ein Mann vom Pferd Pegasus in die Wirren griechischer Mythologie entführt, landen Außerirdische in einer höchst merkwürdigen Verkleidung auf der Erde, pendeln Menschen wie du und ich zwischen Spiegelwelten.
Der Autor bietet spannende, unterhaltsame Kost. Scharfzüngig oder auch amüsant werden Bösewichte, Besserwisser, Falschspieler aufs Korn genommen, Wahrheiten pointiert ans Licht gebracht. Auf unerwartete Weise kippt immer wieder das Geschehen, überrascht Möckel den Leser mit unverhofften Pointen. Neben der Fülle von Ideen ist in diesem Band besonders zu erwähnen, dass hier alle bisher verfassten SF-Kurzgeschichten des Autors vereinigt sind. Zusätzlich gibt es aus seiner Feder einige Roboter/KI-Sprüche, zwei Gedichte und zwei knapp gefasste Essays zur phantastischen Literatur.
Zukunftsblicke
Anruf
Die Außerirdischen
Das Märchen vom Träumen
Flusspferde eingetroffen
Immer zu Diensten!
Die Brille
Die Kugel
Das reproduzierte Gewissen
Ende einer Freundschaft
Münchhausens neue Abenteuer
Die Stunde des Dichters
Besuch aus der Spiegelwelt
Die seltsame Verwandlung des Lenny Frick
Kreation Zweidrei
Eine Falle für Dagobert
Eine Fernsehgeschichte
Herz aus Glas
Die Grenze ist erreicht
Siebenquant oder der Stern des Glücks
Der Planet der Empfindlichen
Utopia
DDR-SF – gab es die?
Dennoch war es ein großer Erfolg, als ich den ersten Menschen aus der Vergangenheit heranholte, einen Urahn meiner lieben Freundin Sybill. Er sprach nicht, hatte nur einen Arm und eine schreckliche Rotznase, doch was machte das schon. Auch dass er sich nach fünf Minuten unter grässlichem Gestank auflöste, störte mich nicht. Der erste Mensch aus einer vergangenen Epoche, dazu fast echt! Es war ein gelungenes Experiment, das ich später unter immer besseren Voraussetzungen wiederholte.
Als Thomas (oder Tom, wie wir ihn nannten) von meinen Versuchen erfuhr, hatte ich schon einige von Sybills Vorfahren und etliche meiner eigenen Verwandten aus der Vergangenheit geholt. Wir tranken mit den Ahnen Kaffee und unterhielten uns über die Unterschiede unserer Epochen. Wir zogen auch einen bekannten Historiker hinzu, gingen aber sehr vorsichtig vor, denn noch war die Sache Staatsgeheimnis, und man kann sich denken, was passiert wäre, wenn sie sich im großen Maße herumgesprochen hätte. Übrigens verliefen all diese Besuche aus dem Vorgestern ruhig und unproblematisch. Die Ahnen – ich muss betonen, dass nur Blutsverwandte des jeweiligen Mediums gerufen werden konnten – verhielten sich passiv. Vermutlich mussten sie sich erst bei uns zurechtfinden. Dennoch wünschte ich sie mir etwas lebhafter. Als es um Toms Verwandte ging, setzte ich deshalb eine Spur Schwefelsäure zu. Was sie auch tatsächlich aktivierte.
Tom war übrigens ein schlechtes Medium, er gab sich mehr seinen Wünschen als dem wissenschaftlichen Zweck hin und zwang mich so, ihn mehrfach zu ermahnen. Es lag viel Eitelkeit in seinem Begehren, ich spürte es und musste mich ziemlich überwinden. Aber er war ja mein Freund, berief sich auch diesmal darauf. „Eine kleine Runde nur“, sagte er, „für ein, zwei Stunden, du, ich, Betty und diese drei. Stell dir vor, der eine ist von Adel, er lebte Mitte des vorigen Jahrhunderts und hieß Dietmar von Burgtreu. Gewiss war er eine bedeutende Persönlichkeit. Dann ist eine Lady dabei, Lady Schwarzenbruck, etwa drei Generationen jünger. Sie sieht nicht übel aus, ich hab’ ein Bild von ihr aufgetrieben. Und der dritte muss ein einflussreicher Geschäftsmann gewesen sein, ich fand ihn mit dem Titel ‚Bankier’ in einem Brief erwähnt. ‚Hugo Schwarzenbruck, der Bankier’. Der Brief stammt von neunzehnhundertneun.“
In dieser Art redete und schwärmte Thomas, er zeigte mir auch den Brief und das Bild, so dass ich am Ende selbst gespannt war, seine Ahnen kennenzulernen. Mit ihnen ein Glas Wein zu trinken, zu plaudern. Natürlich ging das nicht von heute auf morgen, es brauchte seine Zeit. Wie stets bereitete ich das Nötige in aller Verschwiegenheit vor, mischte und filterte das Bindemittel auf die übliche Weise, die mehrere Wochen in Anspruch nahm. Dann nistete ich mich für zwei Tage bei den Schwarzenbrucks ein, um die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen und das Terrain vorzubereiten: Mein Freund wollte die Vorfahren in seinem Haus empfangen.
Schließlich war es soweit, dass ich Tom in Trance versetzen konnte. Außer uns beiden nahm lediglich seine Frau Betty am Experiment teil. Wir brauchten zwei Stunden, um die anderthalb Jahrhunderte zu überwinden, die uns von den Ahnen trennten. Vor allem von dem Adligen Dietmar von Burgtreu, der ja der Älteste war. Und hier nun sehe ich mich genötigt, nochmals auf das erwähnte Bindemittel einzugehen. Es bestand zum Teil aus einer Flüssigkeit, die das Medium, in diesem Fall also Thomas, zu sich nehmen musste, zum Teil aus einem Festigungspulver, mit dem ich die Ahnen bestäubte, sobald sie auftauchten. Meine Forschungen waren mittlerweile so weit gediehen, dass die Konsistenz der Gerufenen nach dieser Prozedur für Monate reichte. Um sie dann wieder zum Verschwinden zu bringen, bedurfte es eines Entzugspulvers, das bereitstand. Tom wirft mir jetzt vor, beim Bestäuben zu viel des Guten getan zu haben. Doch nur so konnte ich seinen Ahnen zur echten Neugeburt verhelfen.
Als ersten durften wir „Hugo, den Bankier“ begrüßen. Das war nicht unerwartet, er hatte ja den kürzesten Weg zurückzulegen. Er lümmelte in einem Sessel neben dem Kamin, den sich Thomas hatte einbauen lassen, und juckte sich, als ob er Flöhe hätte. Noch mehr als von seinem legeren Verhalten waren wir allerdings von seiner Erscheinung überrascht. Wir hatten einen Bürger erwartet, dem man den Wohlstand ansah, etwas beleibt vielleicht, mit Melone und schwarzem Gehrock, die goldne Taschenuhr an der Kette, einen Kneifer auf der Nase oder ein Monokel im Auge. Doch nichts von alledem prägte den Mann, der da vor uns saß. Groß und knochig, trug er eine Schiebermütze auf dem kahlgeschorenen Kopf und Kleider, die aus dem Lumpensack zu stammen schienen. Eine fleckige Joppe, ein geflicktes Hemd, Hosen, die zu kurz und an den Beinen ausgefranst waren, löchrige Schuhe. Verblüfft und ein wenig ungläubig schaute er sich um. Man sah dennoch, dass ihm dieser modern eingerichtete Raum mit seinem Anstrich antiker Eleganz imponierte.
„Sie … Sie sind Hugo Schwarzenbruck, der Bankier?“, fragte Tom, selber noch halb in Trance, verdattert.
„Hugo, der Bankier, ganz richtig, den Rest kannst du dir sparen.“ Der Mann straffte sich etwas, er hatte offenbar noch nicht all seine Sinne beisammen. „Wo bin ich?“
Geboren1934 in Kirchberg/Sa., Dr.phil., verheiratet, ein Sohn. Werzeugschlosserlehre, Studium der Romanistik an der Universität Leipzig, Assistent am Romanischen Seminar der Universität Jena, Lektor beim Verlag Volk & Welt Berlin, Promotion über Saint-Exupéry 1963, seit 1968 freier Schriftsteller, Mitglied im VS/Verdi.
Von seinen mehr als 60 veröffentlichten Werken verschiedener Genres (Historische Romane, Erzählungen, Science Fiction, satirische Gedichte und Aphorismen) wurde u. a. Hoffnung für Dan (1983), ein Bericht über ein behindertes Kind, bekannt. Außerdem veröffentlichte er Kinder- und Jugendbücher sowie erfolgreiche Kriminalromane. Mehrere seiner Bücher wurden ins Tschechische und Slowakische übersetzt und auch verfilmt.
Möckel arbeitete häufig, vor allem bei Übersetzungen, mit seiner Frau Aljonna Möckel zusammen und verfasste gemeinsam mit ihr unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow mehrere Fortsetzungsbände zu den Märchenromanen Alexander Wolkows. Er lebt in Berlin.
Auszeichnungen:
1987: Drei Monate Stipendium vom Französischen Kulturministerium für Verdienste als Herausgeber, Übersetzer und Nachdichter französischer Literatur
1992: Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung
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- Artikel-Nr.: SW9783689120863458270.1
- Artikelnummer SW9783689120863458270.1
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Autor
Klaus Möckel
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 264
- Veröffentlichung 04.08.2024
- ISBN 9783689120863
- Wasserzeichen ja