Eine Erzählung über die Absurdität der Bürokratie und die Suche nach Bedeutung
In Friedrich Wolfs meisterhafter Erzählung aus dem Jahr 1921 wird der arbeitslose Matthias vor eine ungewöhnliche Wahl gestellt: Soll er das Asyl aufsuchen oder eine strafbare Handlung begehen? Seine Entscheidung für Letzteres führt ihn in die absurde Welt der Bürokratie, wo seine Verhaftung und Verurteilung überraschend positive Auswirkungen auf sein Leben haben. Statt Isolation findet Matthias Aufmerksamkeit und Bedeutung in einem System, das ihm paradoxerweise die Menschlichkeit zurückgibt, die ihm die Gesellschaft verweigert. Eine zeitlose Satire, die heutige Leser gleichermaßen zum Lachen und Nachdenken anregen wird.
Selbst der Bürochef musste sich mit ihm beschäftigen. Der Aktenhefter musste sich mit ihm beschäftigen. Zwei Gerichtsschreiberaspiranten mussten sich mit ihm beschäftigen und ein Verhör noch einmal abschreiben, weil sie „inkriminiert“ mit „g“ geschrieben. Der eine von ihnen kam zu spät zum Mittagstisch, und es gab eine Szene, bei der eine Kohlenschaufel unglücklich flog und der Arzt hinzugezogen werden musste.
Ein entfernter Arzt musste sich also beschäftigen.
In einer Nebenverhandlung musste die Reinigung des Tramschaffners vom Verdacht der Beihilfe zum Betrug im Vollendungsfalle stattfinden. Drei Zeugen mussten geladen, auf die Heiligkeit des Eides hingewiesen und entschädigt werden. Die ganze Nebenverhandlung musste sich mit ihm beschäftigen.
Es wurde Matthias immer offenbarer, dass es sich hier unmöglich um das nicht gelöste Trambillett handeln könnte, noch um den Versuch, auf einer gutgeheizten Polizeistation zu übernachten, sondern dass es von ihm in jener unmerklichen Sekunde abgehangen, ob Hunderte von Beamten durch ihn die Möglichkeit erlangen sollten, ihre Pflicht zu erfüllen. Er spürte deutlich, wie all die Menschen, die er beschäftigte, vom Landgerichtsrat bis zum Aktenhefter, aus einem leisen und scheuen Gefühl der Dankbarkeit sich um ihn bemühten. Er spürte den inneren Segen seiner Tat, er kam sich wie ein stiller, weithin wirkender Wohltäter vor, der vielen Menschen Aufträge erteilte und Arbeitsgelegenheit verschaffte; wie ein Juwel, das man einschloss, damit es nicht gestohlen werde.
Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.
Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter– und Soldatenrats in Dresden.
Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.
Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.
Staatliche Auszeichnungen
1943: Orden Roter Stern
1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock
1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.
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- Artikel-Nr.: SW9783689121020458270
- Artikelnummer SW9783689121020458270
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Autor
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Friedrich Wolf
- Wasserzeichen ja
- Verlag find_in_page EDITION digital
- Seitenzahl 10
- Veröffentlichung 01.08.2024
- ISBN 9783689121020
- Wasserzeichen ja