Ansprachen des Oberleutnants Zahnlücke an seine 5. Kompanie
Mit scharfem Humor und beißender Ironie führt uns Oberleutnant Zahnlücke an die Front des Zweiten Weltkriegs. In seinen unverblümten, teils absurden Ansprachen an die Soldaten seiner 5. Kompanie spiegelt sich der Wahnsinn des Krieges wider. Zwischen Zynismus, Galgenhumor und verzweifelter Loyalität zur Obrigkeit zeigen sich die tiefen Abgründe menschlicher Existenz in Extremsituationen. Ein erschütterndes Zeitdokument, das den Leser herausfordert, über Krieg, Macht und die Manipulation des Einzelnen nachzudenken. Oberleutnant Zahnlücke hält uns den Spiegel der Absurdität vor – erschreckend relevant in einer Welt, die immer wieder vor ähnlichen Abgründen steht.
Oberleutnant Zahnlückes Ansprache über die Korsettstangen
Oberleutnant Zahnlücke spricht zu seiner 5. Kompanie über den „Wehrbauern“
Oberleutnant Zahnlückes Ansprache über die Höflichkeit
Ansprache des Oberleutnants Zahnlücke über die Logik
Da haben sich nämlich dieser Tage einige von dem neuen Ersatz über den rauen Ton meiner Ansprachen geäußert, über „den Sauherdenton unsres Oberleutnants Zahnlücke“, wie das einer der Herren Metallfritzen aus den Betrieben zu nennen beliebt. Also werde ich einmal versuchen, mit euch vornehmen Intelligenzbestien zu reden, als ob ihr Menschen oder richtige Soldaten wäret … zumal auch unser Propagandaminister jetzt neuerdings die leicht verrohte und verrottete Berliner Bevölkerung zu einem „Höflichkeitswettbewerb“ aufgefordert hat.
Na ja, da hat unser Minister mal wieder einen phänomenalen Coup gelandet. Ist doch klar: Im Krieg, da spielt die Höflichkeit eine ganz entscheidende Hauptrolle! Ein höfliches Wort … da hört der hungrigste Magen sofort auf zu knurren, das ist wie eine Bratwurst auf einem heißen Stein, das ist wie Sabadillessig gegen die Läuse und wie Talg gegen Schweißfüße – einfach tolle Sache!
Feix nicht so blöd wie ein Mondkalb, ja dich meine ich, Raidelhuber, nimm deine krummen Kalbshaxen zusammen, wenn ich mit dir rede, du unfertige Geburt, du Kreuzung von einem Regenwurm und einem Stachelschwein!
Also, was ich sagen wollte: Höflichkeit muss sein, auch im Kriege, das gehört sich so unter Menschen! Ha, da zwinkerst du mit deinen Butteraugen dem Oberleutnant Zahnlücke Beifall zu, du da im zweiten Glied, du jammervolles Stückchen Urschleim! Höflichkeit unter Menschen? Aber seid ihr verlausten und verwilderten Frontschweine denn noch „Menschen“? Seht ihr, hier hängt der Haken! Ist doch logisch!
Wenn ich nämlich meine Blicke immer wieder schweifen lasse über diese Kollektion von Untermenschen, da geht mir direkt die Mütze hoch! Wo sind noch die alten Kerle meiner ehemals so ruhmreichen 5. Kompanie? Fehlanzeige! Tot, verstümmelt, verschollen, in Walhalla! Wo ist die alte Einsatzbereitschaft, wo sind die kampfesglühenden Augen? Fehlanzeige! Stattdessen mürrische böse Gesichter mit langen hungrigen Zähnen wie von Waldpavianen. Wo sind meine muskulösen, la trainierten Draufgänger vom letzten Jahr? Fehlanzeige! Stattdessen ausgemergelte, verlauste Steppenhunde, alte Ziegenböcke mit Intelligenzköpfchen und dem wilden Trieb: Heim zu Muttern! Tiere seid ihr, aber keine Menschen.
Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.
Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Dresden.
Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.
Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.
Staatliche Auszeichnungen
1943: Orden Roter Stern
1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock
1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.
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- Artikel-Nr.: SW9783689122089458270
- Artikelnummer SW9783689122089458270
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Autor
Friedrich Wolf
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 33
- Veröffentlichung 06.09.2024
- ISBN 9783689122089
- Wasserzeichen ja