Der Esel als Amtmann oder Das Tier ist auch nur ein Mensch
Fabeln
In diesen Tierfabeln nimmt der Autor menschliche Schwächen aufs Korn. Immer wieder reibt er sich an der Dummheit und Überheblichkeit der Herrschenden und den Jasagern unter seinen Untertanen. 1976 erschienen, wurden auf humorvolle Weise die Mächtigen in der DDR kritisiert. Aber fast 50 Jahre später hat sich nichts zum Positiven verändert.
Missgeachtet lebt sich's schwer, unbeachtet noch viel mehr
Wer Furcht hat, sich zu schneiden, schabt sich den Bart von Weitem
Klugheit und Mut wohnen unter einem Hut
In einem komplizierten Fall ist das Urteil oft formal
Die Schwächen der Schwachen sind die Stärke des Drachen
Wer den Mörder verschont, wird mit Leichen belohnt
Wer oben sitzt, sieht niemals alles, am wenigsten im Fall des Falles
Die Freiheit hat zwei Seiten, das lässt sich nicht bestreiten
Die Kunst lässt weg, so geht die Sage. Nur, was sie weglässt, ist die Frage
Der eigne Gestank macht keinen krank
Wenn dein Feind dir freundlich tut, sei auf der Hut
Der Pfennig prahlt mit großen Goschen: Ich bin so rund als wie ein Groschen
Machst du den Gegner zum Gespenst, dann ist er das, was du nicht kennst
Ein großes Tier macht auch viel Mist, was aber kein Kriterium ist
Wer sich hinter der Zeit versteckt, wird auf unsanfte Art geweckt
Ist die Suppe angebrannt, wirf den Löffel an die Wand
Der starke Freund schreckt den Feind
Auch hohe Tiere müssen mal aufs Örtchen, nur tun sie oft, als schissen sie ein Törtchen
Erschlag den Freund nicht in der Not, du schlägst dich selber tot
Gegensätze ziehen sich nicht an, es sei denn, an dem einen ist vom andern etwas dran
Wer schreit, bringt's weit
So manche Kunst lebt nur von Dunst
Freiheit auf Befehl ist Kuchen ohne Mehl
Wer keine Meinung hat, hat häufig zwei parat
Man muss sich nur zu wehren wissen: Die Emsen beispielsweise pissen
Die Größe der Gefahr wird oft erst später klar
Die List hat wenig Macht, das wird oft nicht bedacht
Verschluckter Ärger quält nur stärker
Wird ein Wort aus Angst vermieden, braucht's kein Gesetz, es zu verbieten
Dummheit auf der Leiter klettert immer weiter
Gar manche Strafe freut den Täter; die andern merken das erst später
Neues wagen – Spott ertragen
Die Eigenart, wenn sie nicht passt, wird oft als Unart aufgefasst
Wird die Sache zum Selbstzweck, komm'n die Personen schlecht weg
Nicht jedem nützt, was er besitzt
Hast du was verkehrt gemacht, gib es zu, bevor man lacht
Ein Urteil lässt sich leicht vermeiden, du musst's nur gründlich vorbereiten
Der Dritte freut sich nicht immer, gewöhnlich ergeht's ihm schlimmer
Wer im ersten Kampf verlor, geht im zweiten anders vor
Rede nicht von Sonnenschein, regnet es zum Fenster rein
Wer sich ums Gemeinwohl drückt, muss sich nicht wundern, wenn's nicht rückt
Schadenfreude macht dumme Leute
Der Eitle irrt sich gar nicht gern; und wenn, dann – bitte schön – intern
Wer im ersten Kampf verlor, geht im zweiten anders vor
Als der Affe während einer Ratssitzung wieder einmal seine üblichen Grimassen machte, wurde es dem Löwen zu viel, und er hieß den Affen einen Blödian. Und wenn ich besser zählen kann als du, entgegnete der Affe, wer ist dann der Blödian?
Um die Frage zu entscheiden, wurde auf seinen Vorschlag hin vereinbart, dass er und der Löwe die Wellen zählen sollten, die im Verlaufe einer Stunde am Meeresstrande anbrandeten. Der Affe tat aber nur so, als ob er zähle, und schnitt wieder die fürchterlichsten Grimassen. Das machte den Löwen ganz konfus, sodass er einmal die Wellen und einmal die Grimassen zählte, bis er völlig durcheinander war und vorzeitig aufgab. Der Affe wurde zum Sieger erklärt. Das war ihm jedoch noch nicht genug. Um den Löwen noch mehr zu demütigen, verriet er, dass er nicht eine einzige Welle gezählt und den Löwen allein durch seinen Witz besiegt habe.
Das nun war des Witzes zu viel, und keiner sprang dem Affen bei, als der Löwe sich auf ihn stürzte und ihn in Stücke riss.
Rede nicht von Sonnenschein, regnet es zum Fenster rein
Als auch die Tierkinder zur Schule gehen mussten, wurde der Rabe zum Staatskundelehrer bestellt. Er nahm das Lehrbuch in die Hand und erklärte den Kleinen, wie positiv doch alles sei. Nicht einmal ein Wölkchen war auf dem Bilde zu sehen, das er von der Welt malte.
Da blickte ein kleines Mäuschen aus dem Fenster und rief: Herr Lehrer, es regnet!
Der Lehrer aber schaute in sein Buch, schüttelte den Kopf und sagte: Regen ist hier nicht drin.
Es regnet aber wirklich! rief das Mäuschen wieder.
Da schrieb der Rabe dem Mäuschen eine Fünf wegen schlechten Betragens ins Heft. Das kommt davon, krähte er, wenn man während des Unterrichts aus dem Fenster guckt.
Wer sich ums Gemeinwohl drückt, muss sich nicht wundern, wenn's nicht rückt
Der Esel genoss kein sonderliches Ansehen unter den Tieren. Als aber ein gemeinnütziges Amt zu vergeben war und keiner es auf sich nehmen wollte, waren alle froh, als der Esel sich dazu überreden ließ. Zum nächsthöheren Amt und den folgenden gelangte er auf die gleiche Weise, und immer waren die anderen Tiere froh, davongekommen zu sein. Bis sie eines Tages feststellten, dass sie einen Esel oben hatten.
Wie ist der bloß dahinauf gekommen?! riefen da alle verwundert.
Der Esel wusste das natürlich auch nicht so genau. Da aber das Amt den Esel und der Esel das Amt verdorben hatte, passten beide ganz gut zueinander, sodass es eine Weile brauchte, bis sie den Esel wieder herunterbrachten.
Schadenfreude macht dumme Leute
Der Kranich hatte einen Vortrag angekündigt und die Tierwelt zur großen Waldwiese eingeladen. Da der Kranich allgemein als platter Schönredner galt, rechneten alle damit, dass nicht einer hingehen würde. Um sich von dem Reinfall zu überzeugen, gingen alle hin.
Das war wirklich ein Reinfall, sagte der Igel zum Iltis, als sie auf der überfüllten Waldwiese standen. Der einzige, den ich nicht sehe, ist der Kranich.
Er wird etwas suchen, meinte der Iltis und blätterte ungerührt in einem Bündel Papiere.
Und was? fragte der Igel.
Das Manuskript, sagte der Iltis.
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.
1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.
1949 – 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).
1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 – 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.
Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.
2008 in Berlin verstorben.
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- Artikel-Nr.: SW9783965212497458270.1
- Artikelnummer SW9783965212497458270.1
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Autor
Gerhard Branstner
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Veröffentlichung 16.03.2020
- ISBN 9783965212497
- Wasserzeichen ja