Golo und Logo und Das Sanddorf

Golo und Logo, zwei Jungen aus der Lausitz – ausgestattet mit detektivischer Erfahrung – suchen erst nach einer verlorenen Zahnprothese, dann aber nach den Leuten, die ihren Müll in die Landschaft werfen. Dabei erleben sie manche Überraschungen und Abenteuer. Selten war ein Krimi so spannend und witzig zugleich. Geschrieben für Menschen ab 8, ist diese Erzählung ein altersloses Vergnügen. Großlieske und Kleinlieske, zwei Dörfer in der Lausitz, müssen der Braunkohle weichen. Alle Menschen aus den Dörfern ziehen nach Neulieske, das nur aus vier Neubaublöcken besteht. In der Mitte befindet sich ein großer Hof, in dem... alles anzeigen expand_more

Golo und Logo, zwei Jungen aus der Lausitz – ausgestattet mit detektivischer Erfahrung – suchen erst nach einer verlorenen Zahnprothese, dann aber nach den Leuten, die ihren Müll in die Landschaft werfen. Dabei erleben sie manche Überraschungen und Abenteuer. Selten war ein Krimi so spannend und witzig zugleich. Geschrieben für Menschen ab 8, ist diese Erzählung ein altersloses Vergnügen.

Großlieske und Kleinlieske, zwei Dörfer in der Lausitz, müssen der Braunkohle weichen. Alle Menschen aus den Dörfern ziehen nach Neulieske, das nur aus vier Neubaublöcken besteht. In der Mitte befindet sich ein großer Hof, in dem die Kinder ein Sanddorf errichten als Erinnerung an ihre verlorene Heimat. Doch immer mehr Erwachsene kümmern sich um das Spiel der Kinder.



LESEPROBE:

Rechnungen 1989!

Da ist der gesuchte Ordner!

Golo streckt die Hand nach ihm aus. Er steckt den Zeigefinger ins Loch, um die Akte aus der Reihe zu ziehen. Aber er zuckt zusammen und nimmt den Finger aus dem Loch.

Jemand nähert sich der Werkstatt. Schritte sind zu hören. Golo schließt den Schrank, rennt zurück und verschwindet im Auto. Er kauert sich im Kofferraum zusammen und bringt die Rückenlehne wieder in die richtige Stellung.

Das Tor zur Werkstatt wird geöffnet.

Was geht hier vor sich?

Der Eigenbau, in dem er sitzt, vibriert. Der Motor wird angelassen, der Gang eingelegt. Sie rollen rückwärts aus der Halle, drehen auf dem Parkplatz und verlassen den Hof.

Golo muss sich festhalten. Aber wo kann man sich in einem Kofferraum festhalten? Der Weg hat Löcher. Und der Fahrer rast wie ein Verrückter. Wenn er jetzt links einschlägt, denkt Golo, fährt er den Feldweg entlang.

Tatsächlich, er schlägt links ein. Golo streckt die Beine aus, um seinen Körper zu stabilisieren. Aber die Stöße nehmen zu.

Der Fahrer pfeift einen alten Schlager. »Send me the pillow, where you sleep on.«

Jetzt weiß Golo, wer der verrückte singende Fahrer ist. Peter, der Sohn des Autolackierers Fritz Spritz, macht eine Spritztour.

Oder was sonst?

Golo überlegt, ob er die Lehne vom Rücksitz nach vorn klappen und Peter von hinten an die Schulter tippen sollte. Aber der könnte vor Schreck das Lenkrad loslassen. Bei der Geschwindigkeit!

Sie sind nun im Wald hinter Garkoschka, der Kiesgrube, in die die Frösche zurückgekehrt sind. Hier kennt sich Golo aus. Hierher findet er mit verbundenen Augen.

Das Auto wird abgebremst.



Golo und Logo

Das Sanddorf



Rechnungen 1989!

Da ist der gesuchte Ordner!

Golo streckt die Hand nach ihm aus. Er steckt den Zeigefinger ins Loch, um die Akte aus der Reihe zu ziehen. Aber er zuckt zusammen und nimmt den Finger aus dem Loch.

Jemand nähert sich der Werkstatt. Schritte sind zu hören. Golo schließt den Schrank, rennt zurück und verschwindet im Auto. Er kauert sich im Kofferraum zusammen und bringt die Rückenlehne wieder in die richtige Stellung.

Das Tor zur Werkstatt wird geöffnet.

Was geht hier vor sich?

Der Eigenbau, in dem er sitzt, vibriert. Der Motor wird angelassen, der Gang eingelegt. Sie rollen rückwärts aus der Halle, drehen auf dem Parkplatz und verlassen den Hof.

Golo muss sich festhalten. Aber wo kann man sich in einem Kofferraum festhalten? Der Weg hat Löcher. Und der Fahrer rast wie ein Verrückter. Wenn er jetzt links einschlägt, denkt Golo, fährt er den Feldweg entlang.

Tatsächlich, er schlägt links ein. Golo streckt die Beine aus, um seinen Körper zu stabilisieren. Aber die Stöße nehmen zu.

Der Fahrer pfeift einen alten Schlager. »Send me the pillow, where you sleep on.«

Jetzt weiß Golo, wer der verrückte singende Fahrer ist. Peter, der Sohn des Autolackierers Fritz Spritz, macht eine Spritztour.

Oder was sonst?

Golo überlegt, ob er die Lehne vom Rücksitz nach vorn klappen und Peter von hinten an die Schulter tippen sollte. Aber der könnte vor Schreck das Lenkrad loslassen. Bei der Geschwindigkeit!

Sie sind nun im Wald hinter Garkoschka, der Kiesgrube, in die die Frösche zurückgekehrt sind. Hier kennt sich Golo aus. Hierher findet er mit verbundenen Augen.

Das Auto wird abgebremst.

Peter schaltet den Motor aus. Er pfeift immer noch den englischen Schlager. Jetzt, denkt Golo, könnte ich mich bemerkbar machen, jetzt kann er vor Schreck nicht in die Kiesgrube fahren. Aber er kommt nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu denken, weil sich jemand dem Auto nähert. Die rechte Tür wird geöffnet.

»Ich freue mich, dass du gekommen bist«, sagt Peter.

»Ich freue mich auch, dass du gekommen bist«, sagt eine Mädchenstimme.

Das kann ja heiter werden, denkt Golo. Die Stimme des Mädchens gehört nicht Peggy. Peggy ist Peters Freundin, und deren Stimme klingt feucht, als wären die Silben in Spucke gewickelt. Peggy ist also nicht gekommen, dafür eine andere. Peter geht fremd im fremden Auto.

Als nichts mehr gesprochen wird, weiß Golo, dass sie knutschen.

Dann wird in seiner Nähe gekichert. Sie kitzeln sich, weiß er sofort, und ihm fallen verschiedene Liebesszenen in Filmen ein. Wenn sie jetzt erst beim Kitzeln sind, denkt er, kann das Abenteuer noch ein Weilchen dauern.

»Was ist das?«, fragt die Mädchenstimme dann. »Bitte mach Licht, damit ich’s sehen kann!«

Peter schaltet das Innenlicht ein. Es dringt durch die Ritzen in den Kofferraum.

»Oi«, sagt das fremde Mädchen, »ist die schön! Wunderbar! Aus Gold?«

Peter antwortet nicht. Er hüstelt vor sich hin. Golo kann sich keine richtige Vorstellung davon machen, was unmittelbar vor ihm geschieht. Was hat Peter dem Mädchen gezeigt oder geschenkt, was aus Gold sein könnte?

Golo hat den Wunsch, aus seiner misslichen Lage so schnell wie möglich herauszukommen. Pfeif auf den Schutthaufen in der Podgola! Er denkt an Logo, der keine Ahnung hat, was seinem Freund passiert ist. Am liebsten würde er losschreien, dass die beiden Liebenden umfallen oder flüchten. Aber er beschließt, noch ein Weilchen durchzuhalten.

Bevor er sich entschließt, klappt die Lehne vom Rücksitz nach vorn. Die beiden bauen sich ein Nest. Vielleicht wollen sie hier übernachten, denkt Golo. Die Lage wird immer brenzlicher. Golo spürt Haare im Gesicht. Es sind nicht die eigenen, sondern die des Mädchens. Peter streichelt sie. Die Haare kitzeln Golo unter der Nase. Er bläst sie weg, aber sie legen sich gleich wieder auf seine Haut. Dann bammelt ihm auch noch ein Kettchen vor den Augen. Manchmal blitzt es auf. Nun weiß er ... Nein, er weiß nichts. Er weiß nur, dass er niesen muss, er kann es nur noch für eine Sekunde verhindern.

»Haa ... zichch!«

Die beiden fahren hoch. Das Mädchen schreit, schreit wie am Spieß. Was es schreit, ist nicht zu verstehn. Sie springen aus dem Auto, als könnte es gleich explodieren. Das Mädchen läuft irgendwohin. Das Echo ihrer Schreie saust durch den Wald und kommt zurück. Peter ist am Kofferraum. Er reißt ihn auf. Leuchtet mit einer Taschenlampe.

»Du?«, wundert er sich. »Ist das die Möglichkeit!«

Dann greift seine Hand nach Golos Ärmel. Irgendwo an der Schulter reißt der Stoff.

»Was machst du hier?«, fragt Peter ein paarmal hintereinander. »Was machst du hier?« Er wird immer lauter und zerrt Golo aus dem Kofferraum und schüttelt ihn wie einen Baum.

Er handelt im Affekt, schießt es Golo durch den Kopf. Wer im Affekt handelt, ist gefährlich. Viele Verbrecher in Krimis handeln im Affekt. Tatsächlich holt Peter aus. Die Bewegung der Taschenlampe zeigt es an. Vielleicht will er sogar mit ihr zuschlagen.

»Das war so!«, sagt Golo. Aber seine Stimme sackt ab, weil er einen Schluckauf bekommt.

»Keine Mätzchen, Kleiner!«

»Das war so, hick ...«

»Was hick?«

Peter leuchtet Golo in die Augen. »Beeil dich!«

»Lass mich erst los!«

Peter greift fester zu und leuchtet in die Richtung, aus der zuletzt die Schreie des Mädchens zu hören gewesen sind. Golo hat einen rettenden Gedanken.

»Wenn du mich nicht loslässt, erzähl ich alles Peggy«, sagt er, und sein Schluckauf ist weg.

Peters Griff entspannt sich. Golo ist frei. Jetzt könnte ich losrennen, denkt er. Aber er rennt nicht los. Die Drohung wirkt. Vielleicht kann ich noch mehr erreichen, denkt er und erzählt, wie und warum er in den Kofferraum des Wagens gekommen ist.

»Sachen gibt’s!«, wundert sich Peter und schüttelt den Kopf. Er ist wieder ganz friedlich. Er klatscht mit der Handfläche aufs Dach des Autos und lacht.

»Los, steig ein!«, befiehlt er.

Sie fahren dem Mädchen hinterher.



geboren15.9.1936 in Horka (Oberlausitz)

Sohn einer sorbischen Steinarbeiterfamilie, Schulbesuch in Crostwitz, Tschechoslowakei, Bautzen und Cottbus, Studium der Journalistik und der Theaterwissenschaften in Leipzig, Redakteur und Reporter beim Rundfunk, freischaffend seit 1976. Schreibt sowohl sorbisch als auch deutsch.

Auszeichnungen:

Staatspreis „Jakub Bart-Ćišinski“ (1979)

Carl-Blechen-Preis der Stadt Cottbus (1983)

Literaturpreis Umwelt des Landes NRW (1992)

Bibliografie (Auswahl)

Der einsame Nepomuk, Erzählungen 1975

Landung der Träume, Roman 1980

Pintlaschk und das goldene Schaf, Kinderbuch 1983

Die größte Ohrfeige der Welt, Kinderbuch 1984

Rosinen im Kopf, Kinderbuch 1984

Der Kirschbaum, Novelle 1984

Bagola. Die Geschichte eines Wilddiebs, 1988

Augenoperation, Roman 1988 (mit dem Titel "Schattenrisse" 1989 bei Spectrum Verlag Stuttgart und 1993 bei dtv München)

Die rasende Luftratte, Kinderbuch 1989

Das Sanddorf, Kinderbuch 1991

Jubel und Schmerz der Mandelkrähe - Ein Report aus der sorbischen Lausitz, 1992 (Literaturpreis Umwelt des Landes NRW)

Golo und Logo, Krimi für Kinder 1993 (Alibaba Verlag Fr./M., 1996 bei Fischer)

Jakub und das Katzensilber, heiterer Abenteuerroman für junge Leser, 2001

Am Ende des Tages, Erzählung, 2009

Das Feuer im Spiegel, 2012

sowie mehrere Bücher in sorbischer Sprache.

Übersetzungen seiner Arbeiten ins Polnische, Slowakische, Tschechische, Russische, Ukrainische, Slowenische, Bulgarische, Spanische, Litauische.

Jurij Koch hat auch Szenarien für Dokumentarfilme, Theaterstücke und Hörspiele geschrieben. Sein Stück "Landvermesser" ("Rublak -Die Legende vom vermessenen Land", Filmhochschule Potsdam 1980) und die Novelle "Der Kirschbaum" ("Sehnsucht", DEFA 1990) wurden verfilmt. Nach dem Roman "Augenoperation" ist der Film "Tanz auf der Kippe" (DEFA 1991) entstanden.

Seine essayistischen Arbeiten beschäftigen sich vor allem mit ökologischen Fragen. ("Da sah ich sie liegen, schön unsere Dörfer";"Gehversuche einer Landschaft";"Die Schmerzen der endenden Art", "Auf Kohle sitzen"; "Der schwarze und der grüne Tag von Lakoma"; "Nachdenken über Mittelpunkte")

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  • Artikelnummer SW9783863942489
  • Autor find_in_page Jurij Koch
  • Autoreninformationen Jurij Koch geboren 15.9.1936 in Horka (Oberlausitz) Sohn einer… open_in_new Mehr erfahren
  • Wasserzeichen ja
  • Verlag find_in_page EDITION digital
  • Seitenzahl 98
  • Veröffentlichung 30.06.2014
  • ISBN 9783863942489

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