Ein Hund mit Namen Dracula

Grusel-Grauselgeschichten

Tina, in eine Höhle verschlagen, muss eine Nacht mit angriffslustigen Gespensterfischen verbringen; Steffen, der von Mitschülern Schutzgeld erpresst, wird vor ein Geistergericht zitiert, wo ihn der gefährliche Hund Dracula in Schach hält; Annika soll einem Toten helfen, die ewige Ruhe zu finden, und Karli setzt sich verzweifelt gegen blutsaugerische Skelette zur Wehr. Neun grausel-gruslige Geschichten sind in diesem Band vereinigt. Sie führen auf spannende und oft humorige Weise in Vergangenheit oder Zukunft, in verborgene jenseitige und doch auch wieder sehr nahe abenteuerliche Welten. INHALT: Die Nacht mit den Fischen Ein Hund mit Namen Dracula Die... alles anzeigen expand_more

Tina, in eine Höhle verschlagen, muss eine Nacht mit angriffslustigen Gespensterfischen verbringen; Steffen, der von Mitschülern Schutzgeld erpresst, wird vor ein Geistergericht zitiert, wo ihn der gefährliche Hund Dracula in Schach hält; Annika soll einem Toten helfen, die ewige Ruhe zu finden, und Karli setzt sich verzweifelt gegen blutsaugerische Skelette zur Wehr.

Neun grausel-gruslige Geschichten sind in diesem Band vereinigt. Sie führen auf spannende und oft humorige Weise in Vergangenheit oder Zukunft, in verborgene jenseitige und doch auch wieder sehr nahe abenteuerliche Welten.



INHALT:

Die Nacht mit den Fischen

Ein Hund mit Namen Dracula

Die Geheimtür

Das Gespenst aus dem Armreif

Die Edelsteine

Der Mann mit dem Goldfisch

Schlangengrube

Tigertod

Die Kugel



LESEPROBE:

Die Edelsteine

Ein wallender Schleier, groß wie ein Betttuch, schwebte vom Himmel herab direkt auf die Kinder zu. Ulrike erschrak und stellte sich hinter ihren Bruder. Bei Karli, der im ersten Augenblick weglaufen wollte, siegte sofort die Ritterlichkeit. Er blieb stehen und sagte:

"Keine Angst, das ist nur eine leere Ballonhülle."

"Es sieht eher wie ein mächtiges Spinnennetz aus."

"Das ist nie und nimmer ein Spinnennetz", widersprach Karli, "so riesige Spinnen gibt es nicht einmal im Urwald."

Mittlerweile war das Gespinst herangeweht und fiel kraftlos zu Boden. Aus den weißen Schleiern aber wickelte sich ein dürrer, knochiger Mensch.

Dieser Vorgang war auch für den Jungen zu viel. Die Schwester an der Hand fassend, wandte er sich zur Flucht.

Eine heisere Stimme hielt ihn zurück.

"Rennt nicht weg, ihr beiden, ich hab etwas für euch."

Mehr als dieses Versprechen war es die Stimme selbst, die sie festhielt. Von ihr ging ein geheimer Zwang aus. Die Kinder standen einen Augenblick lang stumm da, dann fragte Ulrike unsicher: "Bist du ein Zauberer?"

"Ein Zauberer, nein", erwiderte der Mann. "Im Gegenteil."

Das verstanden weder Ulrike noch Karli. Der Junge murmelte: "Wieso kannst du mit deinem Netz fliegen?"

"Dieses Netz und ich sind sehr leicht", gab der Knochige zur Antwort. "Fass uns an - du wirst uns kaum spüren."

"Wenn du kein Zauberer bist, dann ein Geist", flüsterte Ulrike. "Wir wollen dich nicht anfassen."

Sie wich einen Schritt zurück, aber bei Karli überwog das technische Interesse. Er streckte die Hand nach dem Gewebe aus. Es war wirklich spinnwebenfein und leicht. Doch kaum hatte er es berührt, fühlte er sich angehoben und mit rasender Geschwindigkeit davongetragen.



Die Nacht mit den Fischen

Ein Hund mit Namen Dracula

Die Geheimtür

Das Gespenst aus dem Armreif

Die Edelsteine

Der Mann mit dem Goldfisch

Schlangengrube

Tigertod

Die Kugel



Die Edelsteine

Ein wallender Schleier, groß wie ein Betttuch, schwebte vom Himmel herab direkt auf die Kinder zu. Ulrike erschrak und stellte sich hinter ihren Bruder. Bei Karli, der im ersten Augenblick weglaufen wollte, siegte sofort die Ritterlichkeit. Er blieb stehen und sagte:

"Keine Angst, das ist nur eine leere Ballonhülle."

"Es sieht eher wie ein mächtiges Spinnennetz aus."

"Das ist nie und nimmer ein Spinnennetz", widersprach Karli, "so riesige Spinnen gibt es nicht einmal im Urwald."

Mittlerweile war das Gespinst herangeweht und fiel kraftlos zu Boden. Aus den weißen Schleiern aber wickelte sich ein dürrer, knochiger Mensch.

Dieser Vorgang war auch für den Jungen zu viel. Die Schwester an der Hand fassend, wandte er sich zur Flucht.

Eine heisere Stimme hielt ihn zurück.

"Rennt nicht weg, ihr beiden, ich hab etwas für euch."

Mehr als dieses Versprechen war es die Stimme selbst, die sie festhielt. Von ihr ging ein geheimer Zwang aus. Die Kinder standen einen Augenblick lang stumm da, dann fragte Ulrike unsicher: "Bist du ein Zauberer?"

"Ein Zauberer, nein", erwiderte der Mann. "Im Gegenteil."

Das verstanden weder Ulrike noch Karli. Der Junge murmelte: "Wieso kannst du mit deinem Netz fliegen?"

"Dieses Netz und ich sind sehr leicht", gab der Knochige zur Antwort. "Fass uns an - du wirst uns kaum spüren."

"Wenn du kein Zauberer bist, dann ein Geist", flüsterte Ulrike. "Wir wollen dich nicht anfassen."

Sie wich einen Schritt zurück, aber bei Karli überwog das technische Interesse. Er streckte die Hand nach dem Gewebe aus. Es war wirklich spinnwebenfein und leicht. Doch kaum hatte er es berührt, fühlte er sich angehoben und mit rasender Geschwindigkeit davongetragen.

Ulrike hatte nur einen Windhauch verspürt und ein Flirren in der Luft wahrgenommen. Urplötzlich stand sie ganz allein auf der Wiese hinter den Häusern, auf der sie gespielt hatten. Das Netz weg, der knochige Mann verschwunden. Aber was das Schlimmste war: keine Spur mehr von Karli! Vergeblich rief das Mädchen seinen Namen, drehte sich um und hielt überall nach ihm Ausschau. Der Bruder war nicht mehr da, weder konnte sie ihn sehen, noch gab er Antwort.

Schreiend und weinend lief Ulrike nach Hause, erzählte, was passiert war. Die Eltern begriffen von ihrer Geschichte nur so viel, dass ein dünner, knochiger Mann Karli entführt hatte. In den Wald vielleicht, der nicht weit entfernt hinter den Feldern aufragte. Die Mutter rannte zur Wiese, der Vater schwang sich aufs Motorrad und brauste den Feldweg entlang zum Wald. Doch vergebens. Wahrscheinlich hatte der Kerl irgendwo ein Auto geparkt gehabt und war längst über alle Berge.

Die Eltern benachrichtigten die Polizei und eine große Suchaktion wurde eingeleitet. Polizisten und ihre Helfer durchkämmten das Gelände, Spaziergänger und Forstarbeiter wurden befragt. Aber niemand hatte etwas bemerkt, war einem Mann begegnet, wie ihn Ulrike beschrieb. Und so sehr man sie auch weiter bedrängte, sie erzählte immer wieder die gleiche unwahrscheinliche Geschichte.

Nachts schlossen die Eltern kein Auge, riefen verzweifelt alle Verwandten und Freunde an, hoffend, dass der Junge sich irgendwo gemeldet hätte. Am Morgen jedoch, als Ulrike nach allerlei Albträumen schon zeitig aufwachte, lag Karli friedlich in seinem Bett. Neben ihm auf dem Nachttisch glitzerten drei kleine, bunte Steine.

"Karli", rief Ulrike, "wo warst du?"

"Ich... Er hat mich mitgenommen."

"Aber wohin? Wer war das überhaupt?"

Schon stand die Mutter im Zimmer; der Vater kam im Pyjama herbeigerannt. Sie stürzten sich auf den Jungen, umarmten ihn, fragten ihn aus.

Was Karli erzählte, klang genauso zusammengesponnen wie Ulrikes Geschichte. Da war von einem Geist die Rede, der ihn an ein Krankenbett mitgenommen hätte.

"Seine Frau lag dort, sie wollten mein Blut."

"Sie haben dir Blut abgezapft?", rief die Mutter entsetzt. Tatsächlich sah Karli erschöpft und sehr blass aus.

"Ich glaub schon... ja."

"Du glaubst?", sagte der Vater. "Du musst es doch gemerkt haben!"

"Ich bin eingeschlafen und wieder aufgewacht. Dann haben sie mir die Steine gegeben."

Nun richtete sich alle Aufmerksamkeit auf die glitzernden Kleinode. Edelsteine, es mussten Edel-stei-ne sein! Der kleinste ein Brillant, durchsichtig und geschliffen; der mittlere ein Smaragd von leuchtendem Grün; der größte ein dunkelrot funkelnder Rubin. Die Mutter nahm sie staunend in die Hand.

"Ob sie wirklich so wertvoll sind, wie sie aussehen? Wer verschenkt so etwas?"

"Sie sind nicht geschenkt", flüsterte Karli. "Sie haben gesagt, das wäre mein Lohn."

Der Vater rannte aus dem Zimmer, um eine kleine Plastiktüte zu holen. Er legte die Steine vorsichtig hinein.

"Ob wertvoll oder nicht, damit haben wir eine Spur", sagte er. "Vielleicht sind die Edelsteine gestohlen. Wir werden sie der Polizei übergeben. Sie kann das prüfen lassen."

Um den Jungen wieder aufzupäppeln, brachte ihm die Mutter ein Frühstück mit Müsli, Schokoladencreme und Obst ans Bett. Dann kam ein Polizist in Zivil ins Haus und fragte ihn eine Stunde lang aus.

"Das wird nichts, der Junge ist noch zu verwirrt", erklärte er schließlich enttäuscht. Die Edelsteine aber nahm er mit.



Klaus Möckel, der am 4. August 1934 im sächsischen Kirchberg geboren wurde, erlernte zunächst den Beruf eines Werkzeugschlossers, studierte später in Leipzig Romanistik und arbeitete anschließend als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Jena. Danach war er als Lektor für romanische Literatur in Berlin tätig. Beim Verlag Volk und Welt machte er sich bald einen Namen als Herausgeber, Übersetzer und Nachdichter vor allem moderner französischer Dichter. Seine 1963 veröffentlichte Dissertation hatte Möckel über den Autor des Kleinen Prinzen geschrieben: „Die Rolle der bürgerlichen Gesellschaft bei der Herausbildung von Antoine de Saint-Exupérys Weltanschauung“. Seit 1969 arbeitet der Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer als freier Autor. Seither veröffentlichte er fast 50 Bücher: Spannende Krimis, anspruchsvolle Science-Fiction-Bücher, sehr gut recherchierte historische Romane, einfühlsame Lebensberichte und wunderschöne Kinderbücher, darunter Erfolgstitel wie „Hoffnung für Dan“ und „Die Gespielinnen des Königs“ sowie die literarischen Vorlagen für die Polizeiruf-110-Folgen „Drei Flaschen Tokaier“ und „Variante Tramper“. Hinzu kommen 14 Herausgaben und 19 Übersetzungen aus dem Französischen, Spanischen und Russischen. Möckel arbeitete häufig, vor allem bei Übersetzungen, mit seiner Frau Aljonna Möckel zusammen und verfasste gemeinsam mit ihr unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow mehrere Fortsetzungsbände zu den Märchenromanen Alexander Wolkows wie „Die unsichtbaren Fürsten“ und „Der Hexer aus dem Kupferwald“.

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