Die Sommerkinder von Ralswiek
Ein Ferienabenteuer
Evelyn und Borstel, die beiden wribbligen Elfjährigen, sind zuerst verzankt, dann aber bald auf gemeinsame Abenteuer aus. Evelyn liebt ihr Pferd Atlanta, sie ist eine tüchtige Reiterin. Borstel, sehr nachdenklich, liebt die Vogelwelt. Eine gefahrvolle Kletterpartie am Steilufer auf der Suche nach den Uferschwalben hat ihre Folgen.
Dann ist da noch der liebe alte Opa Wedemeier, der Herr Büchner mit seinen Studenten, da ist die dauernder Angst schwebende Tante Doris Stirnbach.
Die tolle Sache mit der Höhle und der Riesenfledermaus ist genauso schrecklich spannend wie das Gniedeln. Wisst Ihr, was Gniedeln ist? Psst! Heimlichkeit!
Der Ort, wo die beiden ihre Streiche spielen, ist die Stätte der heutigen Störtebeker-Festspiele auf der Insel Rügen. Wenn Ihr die Geschichte von Evelyn und Borstel gelesen habt, werdet ihr dort alles sehen können: Das Schloss, die drei Schwarzpappeln, die Kirche, die Höhle, das heute leider abgebrannte Hexenhaus und die Försterei Augustenhof.
Das Buch ist spannend bis zum letzten Satz.
Gedruckt erschien es 1980 bei der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH.
Zwei Uhr.
Borstel hockte bereits in Wolljacke und langer Hose am Eingang der Höhle. Gedankenverloren spielte er mit seiner Taschenlampe, an-aus, an-aus, und wartete auf Evelyn.
Da hörte er das Pferd stampfen. "Mensch! Warum hast du die Atlanta mitgebracht. Bring die sofort zurück! Wenn die uns nun verrät?"
"Ich musste doch. Ich brauchte doch einen Grund, verstehst du nicht?"
"Ja so, aber doof ist das doch."
Nun, es blieb dabei, Atlanta war eben da. Evelyn band sie an einem angeknickten Ast der gestürzten Weißtanne fest. Büsche standen zur Genüge in der großen Kuhle, an denen konnte sie rupfen. Als Evelyn dann in die Höhle kroch, blickte ihr das Tier mit großen Augen aufmerksam nach.
"Und nun?" fragte Evelyn und hockte sich neben Borstel.
Der winkte mit dem Arm: "Los, alle Klamotten nehmen und mir nach!" Im Schein der Lampe schlich er gebückt voran.
Evelyn trug alle Geräte samt Stullenbeutel hinter ihm her. "Wozu hab ich eigentlich das Seil mitgeschleppt? Das verheddert sich bloß dauernd."
"Damit wir besser zurückfinden, wenn das Licht ausgeht. Zum Langtasten. Oder zum Abseilen."
"Aha!"
So ein Junge hat doch Ahnung. Das gestand sie ihm zu. Rekognoszieren, ja das lernte sie nun. Das mit dem Gniedeln hat ja auch prima geklappt. Und wenn die Sache mit dem Schatz stimmt - Borstel ist Klasse.
...
Nun war auch der helle Fleck hinter ihnen endgültig durch eine Krümmung im Gang verschwunden.
Borstel schlug vor: "Eigentlich müssten wir jetzt die Leine ansetzen, sonst finden wir nicht zurück."
"Warum?" fragte Evelyn. "Wir brauchen doch nachher nur geradeaus zu gehen. Dann finden wir den Ausgang immer. Hier gibt's doch keine Weiche."
Das leuchtete Borstel ein. Weiter ging's, Schritt für Schritt, Borstel voran, Evelyn ihm gehorsam nach. Mit einemmal hielt er an und suchte mit dem Lampenlicht die Wände ab. "Du! Das ist keine Naturhöhle. Das ist ein künstlicher Gang. Ein richtiger Schacht. Den hat bestimmt mal einer gebaut. Hier mit Balken und so. Vielleicht ist das ein Gang zu einem Kerker oder einem Verlies. Wer weiß! Wie spät hast du's?"
...
"Ist das spannend!" hauchte sie und scheute sich, jetzt laut zu reden. Aber schütteln musste sie sich wieder, denn ihr wurde kalt an Bauch und Rücken. Von den Wurzelenden tropfte das Regenwasser, das durch den Berg gesickert war, und durchfeuchtete ihre Kleider. Jetzt hätte sie einschlafen können. Schließlich rafften sie sich auf.
Irgendwann fiel der Lichtschein auf eine morsche Stelle im Gebälk. Dort hatte sich die auf dicken Stützpfeilern lastende Decke gefährlich nach unten durchgebogen. Borstel aber sah darüber hinweg und kroch mutig auf allen vieren durch diese Einengung hindurch, freilich hütete er sich, oben anzustoßen. Dabei rief er nach hinten: "Pass auf, hier wird' s niedrig!" Aber er fragte nicht danach, wie das Mädchen mit seinen Siebensachen diese Passage bezwingen würde.
Ihr fiel das nicht leicht, auf Händen und Füßen zu kriechen und dabei Tasche, Spaten, Seil und was nicht alles mit sich durch das Loch zu befördern. Sie zog und schob und stöhnte, und der Stullenbeutel, der ihr am Hals baumelte, verfitzte sich dauernd mit der Leine und dem Schippenstiel, und sie spürte schließlich, wie sich die Leine abwickelte; sie konnte sie gerade noch an einem Ende erwischen, und in großen, lockeren Schlingen rollte sie hinter ihr ab.
Einmal fragte Borstel: "Merkst du, dass es bergauf geht? Ob wir schon unter dem Schloss sind?"
"Die Leine rollt mir ab. Ist das schlimm?"
"Nein", sagte Borstel. "Aber immer das eine Ende fest in der Hand halten, ja?"
Evelyn biss sich auf die Lippe vor Spannung: "Hab ich ja!" Und nach einer Weile: "Du, ich finde das doch prima, was wir hier machen."
"Still, nicht reden jetzt! Wir müssen immer hinhören."
"Worauf?"
"Auf alles, auf Knacken im Gebälk und so. Jedes Geräusch ist wichtig."
"Wie alt mag der Gang sein? Hundert?"
"Länger, bestimmt! Zweihundert oder so."
"Ob die Wikinger den gebaut haben?"
"Die waren doch Seefahrer. Die bestimmt nicht. Oder - man kann nie wissen."
...
Evelyn hatte mit der Leine zu tun. Als sie aber nur noch das Ende in der Hand hatte, sagte sie es. "Was nun?"
"Zieh es hinter dir her!"
Evelyn zog, aber sie merkte einen Widerstand. Irgendwo hakte die Leine fest. Sie ruckte, einmal, zweimal, ohne Ergebnis. Borstel murmelte etwas von Wurzelverhakung und Wegkrümmung, sagte "Hau-ruck I" und "Zu-gleich!" und "MehrI" und "Noch kräftiger I" - bis die Leine mit einem Ruck nachgab, dem Jungen die Lampe aus der Hand fiel und verlosch.
Weiter hinten aber im Gang polterte es, schüttete und brach es - und dann wurde es still.
Borstel grabbelte nach der Lampe, indem er mit den Händen flach auf den Boden patschte. Entsetzt sah er Evelyn an: "Hast du gehört?"
"Ja, was war das?"
"Ich glaube, wir sind verschüttet. Das klang so."
Evelyn legte die Hand vor den offenen Mund: "Dann sind wir eingeschlossen? Das ist aber spannend!"
"Ach du immer mit deinem spannend. Das ist ganz großer Mist! Wie wollen wir denn wieder rauskommen?"
...
"Wir müssen hier raus! Bloß wie, wie!" Auch er heulte fast.
"Durchschippen?" fragte Evelyn.
"Wie spät?"
"Dreiviertel vier."
"Müssen wir uns merken. Los, wir schippen! Erst ich, dann du."
Aber beim Schippen rutschte immer mehr Erdreich nach. Und die Lampe verlor an Kraft.
Geboren am 18. Juni 1926 in Stettin als Sohn eines Kaufmanns und einer Klavierpädagogin in einer ethisch gesunden Familie, die die Zeit des Nationalsozialismus mit klarer Durchsicht und Urteilskraft durchzustehen wagte. In den Jahren bis 1945 (Schulzeit, Reichsarbeitsdienst und Militärzeit als Funker bei der Marine) festigte sich in mir eine Art Bewusstsein, das mich durch mehrere Jahre Kriegsgefangenschaft (Kohlebergwerk) und durch die Jahre der DDR unbeschadet trug.
1948 Beginn der diakonischen Ausbildung, 1951 kirchliche (evangelische ) Jugendarbeit in Pommern.
1953 Verheiratung mit Kantorin Irmgard Mache (B-Examen und Sologesang). Musik und undogmatische kirchlich kritische Haltung des Glaubens verbanden uns.
1954 Übernahme des Pfarramtes in Tribsees, 1960 Ausbildungsleiter im Diakoniehaus Züssow, 1965 Übernahme der Pfarre in Greifswald-Wieck.
Erster Sohn Professor der Musik in Berlin, 2. Sohn Orthopäde, 3. Tochter Psycho-, Musik-, Atemtherapeutin und Sängerin Erfurt. Enkel, Urenkel.
Seit 1991 im Ruhestand.
Die veröffentlichte Literatur ist sowohl historisch archivarisch belegbar, als auch bewusst in pommerscher, milieufarbiger und lokaler Zielsetzung gefasst, mit leicht durchscheinendem christlichen Hintergrund als hintergründiges Ablehnen der DDR-Ideologie. Außerdem unveröffentlichtes, meist humoristisches Material.
Grundsätzliches: Ja ist Ja, Nein ist Nein. So dachte ich und so denke ich noch heute.
Nebenbei: Segelsport seit der Kindheit. Begegnung mit der Natur fördert das Staunen und stellt Hochmut in Frage.
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- Artikel-Nr.: SW9783863940638