Simons Reise zum Es-war-einmal-Stern
Was erzählt Opa Ludwig? Es gibt den Es-war-einmal-Stern … Das soll stimmen? Simon hat Zweifel. Aber dann geht es auf die Reise: Zur Wolke Martha, zum Mondmann, zum geblümten Herrn Robert …
„Alles wird gut“, sagt er und reicht Simon das Fernrohr.
Simon blickt angestrengt in die Richtung, in die Opa Ludwig mit der Hand zeigt:
Neben einem Krater sieht er eine Herde Tiere, die wie kleine Kühe aussehen.
Sie sind gelb-violett gefleckt, haben große Köpfe, die nicht so recht zu ihren kleinen Körpern passen und Augen, die groß wie Untertassen sind.
Auf einem Stein sitzt ein alter Mann mit einem langen, grünen Bart, der auf die Herde aufpasst.
„Das ist der Mann, den wir suchen", sagt Opa Ludwig, nimmt Simon das Fernrohr aus der Hand und bewegt sich in die Richtung, wo die Herde steht.
Simon folgt ihm, Coco fliegt flattrig voraus und schreit nach jedem siebenten Flügelschlag „Jupieh“, wobei das Teeglas auf seinem Kopf hin und her wackelt.
„Denkt nicht, dass ich ‚Herzlich Willkommen‘ sage.
Unangemeldeten Besuch kann ich nämlich nicht leiden.“
Der Mann mit dem grünen Bart dreht ihnen den Rücken zu.
Coco umkreist den Kopf des Mondmannes und schreit mit schriller Stimme: „Herzlich Willkommen, ai, ai, Sir.“
„Wir wollen Sie ja nicht lange stören, sagen Sie uns nur, wie wir zum Es-war-einmal-Stern kommen und schon verschwinden wir wieder“, sagt Opa Ludwig.
Der Alte mit den grünen Bart rührt sich nicht.
Opa Ludwig flüstert Simon ins Ohr : „Versuch’ du es doch mal. Vielleicht redet er mit dir.“
Simon geht um den Mondmann herum, dass er ihm ins Gesicht sehen kann.
„Lieber Herr Grünbart, ich bin der Simon und das ist Opa Ludwig. Wir suchen den Es-war-einmal-Stern. Die dicke Wolke Martha hat uns zu Ihnen geschickt. Sie wissen alles, hat sie gesagt …“
Da passiert etwas Merkwürdiges:
Der grüne Bart, der wie frisches Moos im Wald aussieht, wird auf einmal tomatenrot und das Gesicht des Mondmannes freundlich.
Er winkt ab:
„Da hat die Wolke Martha etwas übertrieben. Ich weiß zwar eine ganze Menge, aber alles weiß ich auch nicht.“
„Gibt es denn den Es-war-einmal-Stern überhaupt?“, fragt Simon.
„Und ob es den gibt. Mein Freund Robert, der Märchengärtner, ist dort zu Hause. Regelmäßig, alle neunhundertneunundneunzig Jahre, besuche ich ihn. In dreihundertdreiunddreißig Jahren ist es wieder soweit. Wartet die paar Tage und ich fliege mit euch mit.“
Simon erschrickt:
„Soviel Zeit haben wir nicht, übermorgen, am Montag, muss ich wieder in die Schule gehen", sagt er.
Der Mondmann steht von seinem Stein auf und sein Bart wird wieder grün:
„Das ‚Keinezeithaben‘ scheint eine Erdkrankheit zu sein. Erst neulich, vor dreißig Jahren etwa, da waren zwei Erdmenschen hier. Sie wirbelten viel Staub auf, steckten ein paar Mondsteine in einen Sack und weg waren sie wieder. Sie haben mich nicht mal fotografiert und meine Mondkälbchen auch nicht", schimpft er.
Simon packt die Neugier:
„Deine Mondkälbchen gefallen mir. Wo hast du die her, lieber Mondmann?“, fragt er.
Der Mondmann setzt sich auf seinen Stein, sein Bart verfärbt sich wieder rot.
„Komm näher", sagt er zu Simon.
Opa Ludwig, der noch immer hinter dem Mondmann steht, macht Simon Zeichen, um ihn zur Eile zu drängen.
Coco fliegt auf den Rücken eines Mondkalbs und quäkt:
„Ai, ai, Sir.“
„Die Mondkälbchen, das sind die Kinder der Kühe von der Milchstraße“, erklärt der Mondmann Simon, „bei mir verbringen sie ihre Kindheit. Wenn sie groß sind und selber Milch geben können, dann bringe ich sie zurück zur Milchstraße. Das dauert genau immer neunhundertneunundneunzig Jahre.
Wenn ich sie in der Milchstraße abgeliefert habe, reise ich für ein paar Tage zu meinem Freund Robert zum Es-war-einmal-Stern, auf der Rückreise zum Mond nehme ich von der Milchstraße wieder die neugeborenen Mondkälber mit und hege und pflege sie wieder neunhundertneunundneunzig Jahre lang.“
„Dann ist der Mond der Kindergarten der Kühe von der Milchstraße und du bist der Mondkälberkindergärtner“, stellt Simon fest
„So ist es, mein Simon", sagt der Mondmann lachend und sein Bart leuchtet purpurrot.
Opa Ludwig hält es vor Ungeduld nicht mehr aus. Er tritt von einem Bein auf das andere.
„Lieber Mondmann“, sagt Simon, „sag uns doch bitte, wie wir den Es-war-einmal-Stern finden.“
Geboren am 18.01.1936 in Berlin. Die ersten 3 Lebensjahre verlebte er in Woldegk, von 1943 bis 1946 kriegsbedingt in Pommern, Schlesien und Bayern.
Berufsausbildung als Werkzeugmacher, Arbeit als Dreher, Bauarbeiter und pädagogischer Mitarbeiter.
1961-1963 Pädagogikstudium, danach Lehrer in Berlin-Oberschöneweide.
1965-1980 Redakteur der Jugendzeitschrift „Neues Leben“, seit 1977 stellv. Chefredakteur
1980 Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, von 1980 – 1991 freier Schriftsteller
Seit 1991 Rentner.
Am 20.10.2018 in Berlin verstorben. Er war geschieden, hatte zwei Töchter und einen Sohn.
Bibliografie (Auszug)
Gitarre oder Stethoskop. Verlag Neues Leben, Berlin 1977
Berlin, hier bin ich. Verlag Neues Leben, Berlin 1979
Pierre. Verlag Junge Welt, Berlin 1980
Schwester Tina. Verlag Neues Leben, Berlin 1982
Simons Reise zum Es-war-einmal-Stern. Sassenverlag, Neustrelitz 1997
Jonas erzähl mal von Paris. Verlag am Park, Berlin 1997
Das bayerische Jahr. Fragment einer Kindheit in Deutschland. Verlag Alt-Friedrichsfelde 73, Berlin 1998
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- Artikel-Nr.: SW9783956559693458270.1
- Artikelnummer SW9783956559693458270.1
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Autor
Rudi Benzien
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 38
- Veröffentlichung 25.11.2018
- ISBN 9783956559693
- Wasserzeichen ja