Hugos „Wostok“

Hugo ist begeistert von Gagarin und seinem Flug mit der „Wostok“ ins All. Er schneidet alles aus der Zeitung aus, was er hierzu finden kann. Und er liest ein Buch nach dem anderen. Er ist nicht begeistert, als ihn sein Freund einlädt, sich ein Modellflugzeug zu bauen. Hugo ist etwas ungeschickt und manches Stück Sperrholz geht zu Bruch. Doch seine Freunde aus der Klasse helfen ihm und warten mit dem Start Ihres Flugzeugs, bis Hugo seins fertig hat. Großsprecherisch beschriftet er es: Wostok. Und zum Start fahren Sie sechs Kilometer mit dem Fahrrad zum Lugturm. Das Flugzeug fliegt immer weiter und sie verlieren es aus den Augen. Tagelang suchen sie die... alles anzeigen expand_more

Hugo ist begeistert von Gagarin und seinem Flug mit der „Wostok“ ins All. Er schneidet alles aus der Zeitung aus, was er hierzu finden kann. Und er liest ein Buch nach dem anderen. Er ist nicht begeistert, als ihn sein Freund einlädt, sich ein Modellflugzeug zu bauen. Hugo ist etwas ungeschickt und manches Stück Sperrholz geht zu Bruch. Doch seine Freunde aus der Klasse helfen ihm und warten mit dem Start Ihres Flugzeugs, bis Hugo seins fertig hat. Großsprecherisch beschriftet er es: Wostok. Und zum Start fahren Sie sechs Kilometer mit dem Fahrrad zum Lugturm. Das Flugzeug fliegt immer weiter und sie verlieren es aus den Augen. Tagelang suchen sie die „Wostok“, bis auch Hugo aufgibt. Eines Tages kommt der Traktorist in die Klasse … Für Kinder ab sieben Jahren.



Und er baute und baute, nun längst in Vaters Schuppen, nachdem er vorsorglich den neuen Katzenmilchnapf weggeräumt hatte. In Hocks Zimmer hingen an Bindfäden von der Decke herunter die Flugzeuge der Freunde. Die Bäume blühten. Die Sonne lockte hinaus, lockte den Hock zum Sportplatz. Jede Woche trainierte er zweimal in der Mannschaft für den Kreismeistertitel im Hockey. Und Dieter steckte den ganzen Tag im Schulgarten. Und im Sommer erst würden ihn die Libellen am Ziegelteich viel mehr interessieren als die „Libelle“ aus Holz und Papier. Und Kurt, der Kleine, stellt euch vor, war Haushaltsvorstand geworden, nachdem sein Vater auf einen Lehrgang gefahren war. Nur abends steckte er dann und wann seine Nase in Hugos Schuppen und erkundete, wie es stand mit dem Flugzeugbau; und er half wohl auch. Und die schönste Stunde war es für Hugo, wenn Vater am Abend in den Schuppen kam und ihm zeigte, wie man das Werkzeug handhabte.

Und jeden Tag, wo sie gerade waren, sahen alle vier irgendwann zum Himmel. Die Wolken waren gut abgedichtet und segelten ruhig über Land. Was für herrliches Flugwetter! Und im herrlichen Frühling war doch auch Gagarin geflogen.

Und einmal klinkte Kurt wieder an Hugos Schuppen, und er klinkte und klinkte. Da war er verschlossen. Und als er enttäuscht um die Ecke bog, saß Hugo mit zufriedenem Gesicht auf der Treppe und streichelte die Katze. „Fertig ist es“, sagte Hugo.

Kurt lachte und begann vor Freude zu boxen, was aber die Katze übel nahm. „Jetzt können wir die Flugzeuge fliegen lassen.“ Das hatten sie sich in Hocks Zimmer geschworen: Keines fliegt, bevor nicht alle vier fix und fertig dastehen.

Als Mutter wenig später zum Abendessen rief, miaute nur die Katze. Hugo klopfte gerade einige Straßenecken weiter an Dieters Tür. Da niemand öffnete, wühlte er in den Taschen, fand auch einen Zettel und einen Bleistiftstummel. Und er schrieb auf einem rissigen Balken als Unterlage: „Lieber Dieter, Du bist bestimmt im Schulgarten. Ich war bei Dir, aber ich kann nicht mehr warten ...“

Nun hatte er schon so viel geschrieben, und der Zettel war bald voll. Und das Wichtigste fehlte doch noch. Als Hugo noch einmal alles durchlas, merkte er, dass sich die beiden Zeilen reimten. Das war gut. Das war viel besser bei diesem bedeutenden Anlass, als wenn er nur so ein paar Worte hingekrakelt hätte. Das war feierlich. Und er kratzte sich mit dem Bleistift an der Nase und buchstabierte: … Garten … warten … Karten … Und die Gänse machten einen großen Bogen um ihn herum. Dann lachte er hell, überlegte. „Starten“, ja, „starten“ musste der Reim heißen. Und schnell kritzelte er als dritte Zeile:

„Mein Flugzeug ist fertig. Wir können es starten.“

Als er den Zettel in den Türschlitz schob, ging einer hinter ihm vorbei. Erst dachte er, Dieter käme doch noch. Es war aber Traktorist Garbe, der in den sauber gefegten Hof der LPG einbog. Hugo grüßte höflich, aber Herr Garbe schaute nicht herüber; er sah auf die Gänse im Graben, die lauter waren als Hugos Gruß. Und Hugo sagte sich: Herr Garbe, der hat Zorn auf mich, weil er mir die Hose bezahlen musste. Und über das Modellbauen hat er sich doch auch lustig gemacht, und über das Bücherlesen, damals an der Schranke. Jetzt, da das Flugzeug fertig war, konnte er wieder lesen. Aber immer nur die Nase in die Bücher stecken wie früher, dazu würde er wohl keine Lust mehr haben.

Vergnügt pfeifend trollte Hugo nach Hause.

Kurt war am gleichen Abend zum Sportplatz geradelt, um Hock von Hugos Modell zu erzählen.

So saßen am nächsten Nachmittag alle vier im Schuppen, die Flugzeuge zwischen sich, und mittendrin die Katze. Und das Bild vom gestiefelten Kater war auch an der Schuppenwand gelandet.

Es war ein Festtag für sie.

„So eine gute Brigadearbeit, das sollen erst mal die andern aus der Klasse nachmachen“, sagte Dieter. Er schwieg aber, als Hugo zum ersten Mal die Tragfläche auf dem Rumpf befestigte. Mit Kennermiene nahm er das Modell in die Hand und wog es. „Der Schwerpunkt liegt gut!“

Hugo schmunzelte. Mit zwei linken Händen hatte er es gebaut. Oder hatte er jetzt keine zwei linken Hände mehr? Er schaute stolz auf sie, die das vollbracht hatten. Und er dachte an den Tag, da der erste Mensch im Weltall geflogen war. Und er dachte an das wunderbare Raumschiff, auf das die Erbauer nicht stolzer sein konnten als er auf sein Modell. Und er tauchte den Pinsel in die schwarze Tusche und schrieb auf den Bug: „Wostok“.

Dem kleinen Kurt klappte der Mund auf, und Dieter sträubten sich die Haare. Und Hock schrie: „Du verdirbst alles. Du machst es vorn zu schwer!“

„Egal“, sagte Hugo und malte den Namen auch auf die andere Seite.

„Das fliegt keinen Meter“, brummte Dieter, und alle drei schüttelten betrübt die Köpfe. „Jetzt ist es hin.“



Geboren am 7. August 1926 in Zschachwitz.

Volksschule in Dresden, Lehrerbildungsanstalt in Frankenberg. Ab 1944 Wehrmachtssoldat, von 1945 bis 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft in Mittelasien.

1950 war er zunächst Hilfsarbeiter, dann Lehrer in Lohmen/Pirna und in Dresden. 1957 legte er das Staatsexamen ab und studierte von 1958 bis 1961 am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Seit 1961 freischaffender Schriftsteller in Dresden.

Auszeichnungen

Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden 1966

Alex-Wedding-Preis 1973

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