Der Wechsel

Die Tony Cassella-Trilogie - 3

Auch im letzten Teil der Trilogie um den Privatdetektiv heißt es: Keine Ruhe für Tony Cassella! Nur zu gern würde der in den Alpen untergetauchte Schnüffler sein Imperium als erfolgreicher Waschsalon-Besitzer ausbauen und ansonsten nur Ski fahren. Doch seine Tarnung als irischer Priester mit französischer Geliebter samt neugeborenem Baby droht aufzufliegen, als Cassella den tödlichen Lawinen-„Unfall“ eines reichen Japaners und seiner blutjungen amerikanischen Begleiterin aufklären soll. Schon hat die Steuerbehörde seine Fährte wieder aufgenommen und rückt ihm auf die Pelle, während Cassella – umzingelt von... alles anzeigen expand_more

Auch im letzten Teil der Trilogie um den Privatdetektiv heißt es: Keine Ruhe für Tony Cassella!

Nur zu gern würde der in den Alpen untergetauchte Schnüffler sein Imperium als erfolgreicher Waschsalon-Besitzer ausbauen und ansonsten nur Ski fahren. Doch seine Tarnung als irischer Priester mit französischer Geliebter samt neugeborenem Baby droht aufzufliegen, als Cassella den tödlichen Lawinen-„Unfall“ eines reichen Japaners und seiner blutjungen amerikanischen Begleiterin aufklären soll. Schon hat die Steuerbehörde seine Fährte wieder aufgenommen und rückt ihm auf die Pelle, während Cassella – umzingelt von einer Vielzahl internationaler Geheimdienste, pensionierter Agenten und den üblichen Schlägern, Dieben und Mördern - herauszufinden versucht, was es mit der mysteriösen Disc aus dem Besitz des verunglückten Japaners auf sich hat, hinter der alle her sind.

Und auch mit den Frauen wird es dieses Mal ernst: Wird Cassella dem geballten Ansturm von Geliebter, Mutter, Schwiegermutter und neugeborener Tochter gewachsen sein?

Selten konnte ein Privatdetektiv einen Familienausflug so elegant und augenzwinkernd mit der Aufklärung eines Verbrechens verbinden.

Larry Beinhart versteht es vielschichtige Krimis zu schreiben, in denen Zeitgeschehen, internationale politische und unpolitische Verwicklungen mit der Auflösung eines Falles verwoben sind.

Mit viel Sachverstand, hintergründigem Humor und einer gehörigen Portion Action schickt er Tony Cassella hier nach den beiden Vorgängerromanen „Die Rechnung“ und „Die Quittung“ in seinen letzten Fall, der ihn durch halb Europa führt.



RICK’S AMERICAN LAUNDROMAT



In meinem Ausweis steht Richard Cochrane. Das stimmt nicht. Meine Heimat ist Irland. Auch das ist nicht die Wahrheit. Ich lebe im Exil, im Ausland, bin ein Mann ohne Land, ein Staatenloser. Hier, in einem weißen Land. Einem schneebedeckten alpinen Land, in dem eine Sprache gesprochen wird, die ich kaum verstehe, in einer Landschaft, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe.

Aber wen interessiert’s? Ich habe Geld auf der Bank. Es gibt hier ausgezeichnete Banken. Aber die gibt’s heute praktisch überall. Meine Begleiterin ist eine vollbusige junge Frau. Sie ist jünger als ich. Schwere Brüste, runder Bauch — hochschwanger. Schwanger mit meinem Kind. Sagt sie. Ich glaube ihr. In ihrem Pass steht, ihr Name wäre Marie. Was stimmt. Marie Laure. In meinem Pass steht, ich wäre von Beruf Priester. Was nicht stimmt. Als jemand tatsächlich mal das Feld neben Beruf gelesen und gleichzeitig Maries Bauch angesehen hat, habe ich einfach breit gegrinst. Der Grenzer grinste ebenfalls. Dann lachten wir beide. Ihm gefiel die Vorstellung eines lüsternen Priesters erheblich besser als die eines falschen Passes. Es erinnerte an eine vergnügtere Zeit — eine chaucerianische, machiavellistische, rabelaisische Zeit — als man Priestern und sogar Politikern noch einen Penis zugestand. Die Alternative, die moderne Realität falscher Papiere, hätte einfach nur mehr Arbeit bedeutet.

Die Wahrheit ist, dass ich die schwangere Marie liebe. Sexuell. Das ist eine echte Überraschung. All diese Rundheit. Ich nehme sie gern von hinten und spüre dabei die Fülle ihres Pos, diese watschelnde Breite an meinen Schenkeln. Meine Hand unter ihren geschwollenen Titten. Liebe es, die Form ihres mit dem Baby gefüllten Bauches zu fühlen. Sie ist dynamisch und gesund und fraulich. Es gibt keine Angst vor Krebs verursachenden Pillen, über die man nachdenken muss, nicht die Gummis des Aids-Zeitalters, kein katholisches Zählen der Tage, kein gerade noch rechtzeitiges Herausziehen. Es gibt eine freie und gedankenlose Ejakulation, durch und durch primitiv, in eine absolut technologiefreie Vagina.

Ich hatte verdammtes Glück. Ich bekam meine Dollars, als der Dollar stark war. Auf einem künstlich und übertrieben hohem Kursniveau, weil Ronald Reagan sich gut fühlte bei einem starken Dollar. Ich hatte genug Verstand, das zu verstehen. Aber ich war dumm genug zu glauben, Gold wäre eine gute Anlage. Glücklicherweise machte mein Banker, der darüber nörgelte, bloß 100.000 $ zu verwalten, den Vorschlag, dass ich es einfach in verschiedene Währungen anlegen sollte — Yen, Deutsche Mark, Schweizer Franken und sogar in britischen Pfund.

Um ein Haar wäre ich in Südfrankreich aufgespürt worden.

Wir beschlossen, in die Berge umzuziehen. Das war, als Marie das erste Mal mit mir zusammen war. Ich entdeckte das Skifahren. Und wurde Geschäftsmann. Marie verließ mich. Nicht des Skifahrens oder des Geschäftes wegen. Sie war auf einen anderen scharf. Einen jüngeren. Und ich lieferte ihr alle Vorwände dieser Welt. Verrückt, wie ich immer nach französischen Frauen war. Ich war ein leichtes Opfer für jede Frau, die diese ganz spezielle Nummer mit r und ihren Augen machte, die h einfach wegließ und dabei einen Schmollmund zog.

Am vierten Tag unseres ersten Skiurlaubes brauchten wir frische Unterwäsche. Marie wollte alles im Waschbecken auswaschen. Es gibt Liebe, und es gibt Pflicht, aber ich kam aus den Staaten, und das hier schien mir wirklich übertrieben. Ich bestand darauf, dass wir in den Waschsalon gingen. Ein Waschgang kostete 50 FF. Fünf Zehnfrancstücke. Selbst bei dem guten alten Umrechnungskurs von 7 FF für den Dollar waren das immerhin noch 7,14$ für eine einzige Maschine. Weitere 50 FF für zwanzig Minuten im Trockner. Eine große Ladung Wäsche brauchte locker vierzig Minuten. Und es gab nur einen einzigen Waschsalon in der Stadt.

Meine Geschäftsidee erblickte das Licht der Welt.

Nur, dass der Besitzer eine »Beziehung« zum Bürgermeister hatte. Eine familiäre Beziehung. Es war unmöglich, die Konzession für einen konkurrierenden Waschsalon zu bekommen. Aber das Skigebiet ist weit größer als nur diese eine Stadt. In den Reklamebroschüren heißt das Ganze, in kosmischen Buchstaben, L’Espace Killy (Killy ist dort Ski gefahren, er hat olympisches Gold in allen drei alpinen Disziplinen gewonnen — Abfahrtslauf, Slalom und Riesenslalom — also ist er vermutlich ein Gott). Mit Liften und Pisten untereinander verbunden und weit über den Machtkreis des Bürgermeisters von Val d’Isère hinaus, liegen die Halbstädte Val Claret, Tignes le Lac, Le Lavachet, Tignes les Boisses, die praktisch ausschließlich und in aller Schnelle für Skifahrer aus dem Boden gestampft worden waren. Sie besitzen keine andere Geschichte als Habgier, waren reif und offen für unternehmerisches Engagement, basierend auf Münzautomaten. Ich machte nicht einfach nur einen Waschsalon auf, ich erhielt zusätzlich noch die Konzession zur Aufstellung von Waschautomaten in zwei Apartmenthäusern. Alles war erheblich einfacher, wenn das Unternehmen einem Franzosen gehörte, also wurde Marie mein Partner. Es war ihr erstes Einkommen, für das sie nicht arbeiten gehen musste. Die Erinnerung an ihr Strahlen, als sie verstand, was es bedeutet, Unkosten voll von der Steuer absetzen zu können und, noch besser, ein Geschäft zu besitzen, in dem es ausschließlich um Bargeld ging, mit all diesen klimpernden Zehnfrancstücken, für die es keine Belege gab, kann immer noch ein glückliches nostalgisches Lächeln auf mein Gesicht zaubern.

Marie und ich hatten uns nie irgendwelche Versprechungen gemacht. Nach einer langjährigen Beziehung mit einer anderen Frau, gefangen in einem Sirup aus falsch verstandener Treue, einer klebrig kindischen Umklammerung aus Dankbarkeit und schlechtem Gewissen, bei dem es nicht mal um die Frau selbst, sondern um ihren Sohn gegangen war, war ich zu Marie geflohen. Auch wenn ich erst meine ganze Welt hatte in die Luft jagen müssen, um dort hinauszukommen. Die Freude an meiner Beziehung zu Marie lag in ihrer absoluten Einfachheit. Um Himmels willen, wir sprachen ja nicht mal die gleiche Sprache. Ich wusste nicht, wie man Bist du gekommen? sagt, und sie fragte kein einziges Mal, ob ich eine Eigentumswohnung kaufen wollte. Sie war immer noch meine Freundin. Und mein Partner. Als ich mich auf Sardinien versteckt hatte, kam sie, wenn ich sie rief. Sie war meine Geliebte, als ich in einer Mönchskutte herumlief. Sie bewahrte meine Geheimnisse. Sie verlangte nichts.

Sie hatte etwas Besseres verdient, als mich mit den beiden viel zu feinen englischen Mädchen im Bett zu erwischen, die mich rau, spitzbübisch und urig fanden. Nicht mal ich selbst glaubte meine Geschichte, dass nichts weiter dahintersteckte als nur ein Hunger nach meiner Muttersprache.

Mir war nicht klar, dass ich sie liebte, bis sie sich mit Gerard einließ, dem Skilehrer. Ein ziemlicher Gockel. Glücklicher, einem anderen Mann Hörner aufzusetzen, als eine Frau aufs Kreuz zu legen. Wodurch L’Espace Killy für mich unerträglich wurde. Mir war egal, wie viele englische Mädchen dort waren. Mich interessierten keine anderen Frauen mehr mit süßem französischem Akzent. Nur die eine. Es war mir scheißegal, ob mein Skifahren sich avec rapidité verbesserte oder ob diese Zehnfrancstücke munter in meinen Maschinen klimperten. Es machte mich wahnsinnig, im gleichen L’Espace mit dieser Frau zu sein, die jetzt einen anderen Schwanz zwischen ihren Beinen hatte, während anscheinend die ganze Stadt davon wusste.

Es gibt Leute, die werden sagen, das geschieht dir recht.

Es gibt Leute, die werden sagen, es wäre das Mindeste, was ich verdiente.

Und das ist absolut richtig. Ich verließ die Stadt. Ich ließ Marie den Waschsalon und die Maschinen und sagte, ich würde ihr mit den Büchern vertrauen. Auch wenn ich ihr selbst beigebracht hatte, sie zu frisieren, auch wenn sie das Geld in die Finger bekam, lange bevor ich es zu sehen kriegte — falls ich es je zu sehen kriegte — und wo sie der rechtmäßig eingetragene Besitzer war und ich nur ein Staatenloser, der mit einem nicht ganz echten Pass reiste.

Ich fuhr Ski. Innerhalb kürzester Zeit war ich süchtig geworden. Ich wurde zu einer Figur von Byron: edel, todunglücklich, sportlich, oft mit Frauen im Bett, sie aber dennoch nie liebend. Nach Chamonix und Courcheval, nach Verbier und Zermatt in der Schweiz, von wo aus ich mit den Skiern rüber nach Cervina in Italien fuhr — immer auf der Suche, auf der Suche nach einem Ort, der Waschsalons brauchen konnte.

In einem solchen Zustand befand ich mich, als ich hier ankam.



Larry Beinhart, 1947, wuchs in Brooklyn auf und lebt heute — nach einem sechsjährigen Zwischenspiel in Miami — in Woodstock. Er arbeitet heute als Journalist für den englischsprachigen Ableger von Al Jazeera und hat 2015 einen neuen Roman geschrieben: »ZombiePharm«, eine höchst witzige und kluge Satire auf das öffentliche und private Erziehungs(un)wesen nicht nur in den USA.



Manipulation, PR, Propaganda in Wirtschaft und Politik sind als Themen all seiner Bücher stets im Hintergrund präsent. Messerscharf, gut recherchiert und klarsichtig konstruiert er die Kulissen, in denen sich seine Protagonisten bewegen …



Larry Beinhart lacht oft und gern, deshalb spielt in seinen Büchern Humor eine so große Rolle. Er vergisst nie, seine Leser auch zum Schmunzeln zu bringen, selbst wenn der Tenor einer Geschichte ernst ist — etwa in seinem hierzulande vermutlich bekanntesten Roman »American Hero«, wenn er den Schlafanzug von Präsident Bush beschreibt: weißes Flanell mit Seehunden, die kleine Präsidenten auf den Nasen balancieren.

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