Die Stunde des Kondors

Wir sind im Chile nach dem Putsch von General Pinochet 1973. Ein Mann verbirgt sich vor den Soldaten, die nach ihm suchen. Der Mann ist blind. Er hat sein Augenlicht unter der Folter des Militärs verloren. Dichter und dichter kommen die Soldaten. Der Mann hat Angst, große Angst. Werden die Soldaten Sardo in seinem Versteck aufspüren und wieder verhaften? Das spannende Buch über Chile unter Pinochet erschien erstmals 1985 als Heft 286 der Erzählerreihe des Militärverlages der DDR. LESEPROBE: Sardo lag im Gras unter einem Eukalyptusbaum, und er wartete auf den Jungen. Je länger der Junge ausblieb, desto unruhiger wurde er. Paco müsste... alles anzeigen expand_more

Wir sind im Chile nach dem Putsch von General Pinochet 1973. Ein Mann verbirgt sich vor den Soldaten, die nach ihm suchen. Der Mann ist blind. Er hat sein Augenlicht unter der Folter des Militärs verloren. Dichter und dichter kommen die Soldaten. Der Mann hat Angst, große Angst. Werden die Soldaten Sardo in seinem Versteck aufspüren und wieder verhaften?

Das spannende Buch über Chile unter Pinochet erschien erstmals 1985 als Heft 286 der Erzählerreihe des Militärverlages der DDR.



LESEPROBE:

Sardo lag im Gras unter einem Eukalyptusbaum, und er wartete auf den Jungen. Je länger der Junge ausblieb, desto unruhiger wurde er.

Paco müsste längst zurück sein. Selbst wenn er Toquito nicht gefunden hatte, sollte er auf jeden Fall eine Nachricht geben.

Was war geschehen?

Was konnte geschehen sein?

Hatte den Jungen eine Streife gefasst und ihn zum Reden gezwungen? Ein Kind war eine leichte Beute für sie. Schnell brachten sie es zum Sprechen, zu schnell.

Sardo erhob sich. Selten hatte er es bedrohlicher empfunden, das Dunkel, in dem er lebte. Auf dem weichen Boden konnten sie ganz nahe an ihn herankommen, um ihn zu überwältigen. Ganz nahe.

Warum kam Paco nicht?

Er hörte Schritte, ein Keuchen und dann die Stimme des Jungen. »Sie haben mich in einen Hühnerstall gesperrt, als ich vom Kondor sprach. Sie wollten die Polizei holen. Ich bin geflohen, aber sie werden mir folgen. Die Alte, Sardo, die Alte ist bei der Polizei!«

»Sie werden wegen eines weggelaufenen Jungen nichts unternehmen«, sagte Sardo. Er sagte es auch, um sich selbst zu beruhigen. Aber er wusste, dass sie weiter mussten, sehr schnell.

Wir werden ein Auto anhalten müssen, dachte Sardo, obwohl es äußerst gefährlich war.

Sardo kauerte sich in eine grabenartige Vertiefung am Rande eines Feldes, von der aus man ihn, wie ihm der Junge sagte, nicht sehen konnte. Paco aber sollte ihm die Autos anzeigen, die an ihnen vorbeifahren würden, sie nicht nur nennen, sondern auch beschreiben.



Sardo lag im Gras unter einem Eukalyptusbaum, und er wartete auf den Jungen. Je länger der Junge ausblieb, desto unruhiger wurde er.

Paco müsste längst zurück sein. Selbst wenn er Toquito nicht gefunden hatte, sollte er auf jeden Fall eine Nachricht geben.

Was war geschehen?

Was konnte geschehen sein?

Hatte den Jungen eine Streife gefasst und ihn zum Reden gezwungen? Ein Kind war eine leichte Beute für sie. Schnell brachten sie es zum Sprechen, zu schnell.

Sardo erhob sich. Selten hatte er es bedrohlicher empfunden, das Dunkel, in dem er lebte. Auf dem weichen Boden konnten sie ganz nahe an ihn herankommen, um ihn zu überwältigen. Ganz nahe.

Warum kam Paco nicht?

Er hörte Schritte, ein Keuchen und dann die Stimme des Jungen. »Sie haben mich in einen Hühnerstall gesperrt, als ich vom Kondor sprach. Sie wollten die Polizei holen. Ich bin geflohen, aber sie werden mir folgen. Die Alte, Sardo, die Alte ist bei der Polizei!«

»Sie werden wegen eines weggelaufenen Jungen nichts unternehmen«, sagte Sardo. Er sagte es auch, um sich selbst zu beruhigen. Aber er wusste, dass sie weiter mussten, sehr schnell.

Wir werden ein Auto anhalten müssen, dachte Sardo, obwohl es äußerst gefährlich war.

Sardo kauerte sich in eine grabenartige Vertiefung am Rande eines Feldes, von der aus man ihn, wie ihm der Junge sagte, nicht sehen konnte. Paco aber sollte ihm die Autos anzeigen, die an ihnen vorbeifahren würden, sie nicht nur nennen, sondern auch beschreiben.

Aber eine seltsame Furcht hielt Sardo zurück, dem Jungen ein Zeichen zum Winken zu geben. Schon längst saßen die Männer des Geheimdienstes nicht mehr in Wagen, an denen man sie früher erkennen konnte. Sie kamen immer überraschend, keiner unterschied sie mehr von einem normalen Bürger. Sie konnten am Lenkrad eines jeden Autos sitzen, das ihnen entgegenkam. Aber hinter welchem Lenkrad saßen sie? Er sah sie nicht, weil er blind war, nur ihre Stimme würde er hören - und eine Stimme allein ...

Der Junge beschrieb einen Laster, einen ausländischen, dann einen schwarzen Personenwagen.

Aber Sardo zögerte.

Doch sie mussten weiter.

»Ein alter Gemüsewagen«, rief der Junge endlich.

»Winke!«, sagte Sardo.

Er hörte das Auto und das Quietschen der Bremsen.

»Wohin?«, fragte der Fahrer.

»Richtung Reale«, sagte der Junge und sprach von seinem Vater, der auch mit müsse.

»Gut«, sagte der Fahrer, »steigt ein.«

Sardo erhob sich. Die Aufforderung galt auch ihm.

Jetzt sieht mich der Fremde an, dachte Sardo, und das Ergebnis seiner Musterung werde ich nicht wissen, ja, ich kann es nicht einmal erraten, weil ich seine Augen nicht sehe, nicht das winzige Aufblitzen, das man als Sehender, wenn man genau beobachtet, erkennen kann. Ich bin auf den Jungen angewiesen, auf ihn allein. Und auf mein Gehör.



Geboren 1941 in Berlin. Diplom-Wirtschaftsingenieur. War einer der erfolgreichsten Krimiautoren der DDR.

Theodor-Körner-Preis.

Lebt in Leipzig. Schreibt Krimis, Thriller, Kinderbücher. Übersetzung ins Chinesische, Niederländische, Russische, Tschechische und Dänische.

Zwei Krimis erschienen vor der Wende bei S. Fischer. Sein Krimi „Tatort Teufelsauge“ war ab 2006 nach der Übersetzung ins Englische durch Professor Mark Webber Lehrstoff an der Universität Toronto im Kurs „Deutsche Kriminalliteratur“.

Sein Krimi „Der Sog“ wurde 1988 verfilmt und als „Alles umsonst“ nach der Wende mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt, zuletzt 2009.

Im Jahr 2010 erschienen seine besten schwarzhumorigen Kriminalgeschichten „Dunkel ist der Weg der Rache“.

Ab Mai 2012 ist sein fesselnder Norwegen-Krimi „Auf den Schwingen der Hölle“ im Buchhandel, der für Kontroversen sorgt, drastisch, düster, aber auch voller Poesie. Ein Buch mit einem gänzlich unerwarteten und schockierenden Finale.

Nach aufwendigen Recherchen in Tokyo entstand sein Thriller „Man stirbt nicht lautlos in Tokyo“, der zur Buchmesse 2013 in Leipzig als ein Vorzeige-Krimi des fhl Verlages Leipzig erschien.

Teilnahme am 2. Berliner Krimimarathon 2011.

Bibliografie:

Kinderbücher

Flucht über die Anden

Das Glücksschwein und andere Taschengeldgeschichten

Der Kommissar in der Regentonne und andere Detektivgeschichten

Ein Fall für die Feriendetektive

Ein Fall für die Superspürnasen

Elf Kicker im Fußballfieber

Mutgeschichten

Der vertauschte Mittelstürmer und andere Fußballgeschichten

Das Labyrinth in den Klippen

Die Ruine der Raben

Flucht aus Montecastello

Das Labyrinth in den Klippen

Gefährlicher Vollmond

Abenteuerland

Verfolgung durch die grüne Hölle

Schatzsuche auf der Totenkopfinsel

Das Grab des Pharaos

Duell mit dem Tyrannosaurus

Krimis

Der Sog (BRD-Titel: "Ein tödliches Ultimatum")

Tatort Teufelsauge

Die Hölle hat keine Hintertür

Neuntöter

Eine Stadt sucht einen Mörder

Der graue Mann

Der Tod kam in der Mittsommernacht

Satans tötende Faust

Im Höllenfeuer stirbt man langsam

Dunkel ist der Weg der Rache

Auf den Schwingen der Hölle

Sonstiges

Polterabend

Die ungewöhnliche Brautfahrt und andere Geschichten

Das Tal der Hornissen

Die Stunde des Kondors

Die Nacht der Schnee-Eule

Sternschnuppen fängt man nicht

Wo blüht denn blauer Mohn

Geschichten in Schulbüchern verschiedener Länder (Frankreich, Schweden, Norwegen)

Geschichten in christlichen Anthologien (Marienkalender)

Fernsehfilm: Alles umsonst

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