Blumen von der Himmelswiese

Kriminalroman

„Raum ist in der kleinsten Hütte..." Wird sich dieses alte Dichterwort im Leben bewahrheiten - im Leben der Krankenschwester Roswitha mit ihrem Freund Norbert zum Beispiel? Als er nach dem tödlichen Unfall seiner Frau Brigitte zu ihr ins Schwesterninternat zog, empfand Roswitha ihr Dasein wie ein Inselparadies. Aber man kann nichts voreinander verbergen auf so engem Raum. Und wenn, wie hier, unerwartete Eigenschaften hervortreten, erscheint Vergangenes in einem anderen Licht. Die Frage, ob Brigitte wirklich bei einem Unfall verstarb, mehr noch, welche Rolle Norbert ihr selbst zugedacht hat, stellt sich Roswitha immer quälender. Sie findet die Antwort. Aber um... alles anzeigen expand_more

„Raum ist in der kleinsten Hütte..." Wird sich dieses alte Dichterwort im Leben bewahrheiten - im Leben der Krankenschwester Roswitha mit ihrem Freund Norbert zum Beispiel?

Als er nach dem tödlichen Unfall seiner Frau Brigitte zu ihr ins Schwesterninternat zog, empfand Roswitha ihr Dasein wie ein Inselparadies. Aber man kann nichts voreinander verbergen auf so engem Raum. Und wenn, wie hier, unerwartete Eigenschaften hervortreten, erscheint Vergangenes in einem anderen Licht.

Die Frage, ob Brigitte wirklich bei einem Unfall verstarb, mehr noch, welche Rolle Norbert ihr selbst zugedacht hat, stellt sich Roswitha immer quälender. Sie findet die Antwort. Aber um welchen Preis!

Der spannende Kriminalroman erschien erstmals 1983 im Verlag Das Neue Berlin in der DIE-Reihe (Delikte, Indizien, Ermittlungen).



LESEPROBE:

"Kommen Sie herein, Frau... Fräulein...?"

Sie folgte ihm in die offensichtlich nur aus Zimmer, Küche und dem Klo (eine halbe Treppe höher) bestehende Wohnung. Die so genannte Wohnstube Meißners erwies ihn als den die Hausgemeinschaft beglückenden Kakteenzüchter. Roswitha sah zu, dass sie sich auf keines der überall aufgestellten wertvollen Exemplare setzte. Kakteen, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Und ein altmodisches Stubenbüfett, das ebenfalls als Kakteenbank diente.

Durch das zum Hof gelegene Fenster fielen die mageren Strahlen einer gedämpften Nachmittagssonne. Sie beschienen wie ein auf das Wesentliche der Szene gerichteter Bühnenscheinwerfer den abgeschabten Klubtisch. Dort freute sich eine halbvolle Wodkaflasche still vor sich hin. Sie schien der eigentliche Mittelpunkt des Lebens in diesem Zimmer zu sein.

Meißners Griff zur Flasche blieb im Ansatz stecken. Er holte zwei Gläser aus dem Büfett und goss sich ein. Erst als er den Flaschenhals über dem anderen Glas in der Schwebe hielt, fragte er Rosi: "Sie trinken doch einen mit?" Offenbar verkehrte er nur mit durstigen Seelen.

Roswitha nahm den Schnaps. Sie hatte ihn, wenn auch aus einem anderen Grunde als Meißner, nötig. Dann klärte sie den gastfreundlichen Junggesellen über ihre Person auf.

Das war in wenigen Sätzen getan, während denen sich Meißners gerötetes Erzengelgesicht allerdings zunehmend verfinsterte. "Sie sind also seine Geliebte", stellte er mehr für sich fest. Dabei starrte er dumpf und mit ausdrücklichem Verlangen nach einem neuen Schluck auf die Flasche.

Er erzählte ein wenig umständlich, dass er seit "diesem Unfall" auf keinen Zug mehr gestiegen sei.



"Kommen Sie herein, Frau... Fräulein...?"

Sie folgte ihm in die offensichtlich nur aus Zimmer, Küche und dem Klo (eine halbe Treppe höher) bestehende Wohnung. Die so genannte Wohnstube Meißners erwies ihn als den die Hausgemeinschaft beglückenden Kakteenzüchter. Roswitha sah zu, dass sie sich auf keines der überall aufgestellten wertvollen Exemplare setzte. Kakteen, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Und ein altmodisches Stubenbüfett, das ebenfalls als Kakteenbank diente.

Durch das zum Hof gelegene Fenster fielen die mageren Strahlen einer gedämpften Nachmittagssonne. Sie beschienen wie ein auf das Wesentliche der Szene gerichteter Bühnenscheinwerfer den abgeschabten Klubtisch. Dort freute sich eine halbvolle Wodkaflasche still vor sich hin. Sie schien der eigentliche Mittelpunkt des Lebens in diesem Zimmer zu sein.

Meißners Griff zur Flasche blieb im Ansatz stecken. Er holte zwei Gläser aus dem Büfett und goss sich ein. Erst als er den Flaschenhals über dem anderen Glas in der Schwebe hielt, fragte er Rosi: "Sie trinken doch einen mit?" Offenbar verkehrte er nur mit durstigen Seelen.

Roswitha nahm den Schnaps. Sie hatte ihn, wenn auch aus einem anderen Grunde als Meißner, nötig. Dann klärte sie den gastfreundlichen Junggesellen über ihre Person auf.

Das war in wenigen Sätzen getan, während denen sich Meißners gerötetes Erzengelgesicht allerdings zunehmend verfinsterte. "Sie sind also seine Geliebte", stellte er mehr für sich fest. Dabei starrte er dumpf und mit ausdrücklichem Verlangen nach einem neuen Schluck auf die Flasche.

Er erzählte ein wenig umständlich, dass er seit "diesem Unfall", also nun einige Monate schon, auf keinen Zug mehr gestiegen sei. Werkstattarbeit sei sein Brotverdienst, und dem Alkohol habe er sich erst in letzter Zeit ergeben.

Das glaube sie ihm gern, sagte Roswitha, nur um Meißner zum Weiterreden zu ermuntern. Denn die Pausen, die er beim Sprechen einlegte, reichten jedes Mal, um in Ruhe einen Doppelten auszutrinken.

Aber es wäre kein Unfall gewesen, brummte Meißner verbittert. Damals, bei dem Polizeiverhör, habe er noch unter Schock gestanden. Norbert habe ihm auch irgendwie leid getan.

"Und meine Art, Fräulein Fuhrmann, ist es nicht, jemand in eine Sache reinzureiten, wenn ich mir nicht ganz sicher bin, dass er schuldig ist. - Dann aber kamen die Träume. Jede Nacht nur der eine Traum, ich hätte die Uhr danach stellen können. Ich fahre also in den Bahnhof ein. Vorn am Wartehäuschen, dicht an den Geleisen, dieses Paar. Ich wundere mich über die frühen Fahrgäste. Dann seh' ich, wie er die junge Frau um den Leib packt - so!"

Meißner erhob sich. Er breitete und krümmte dann andeutungsweise beide Arme,

"So - über die Geleise! Ihre Füße rudern in der Luft. Sie greift mit einer Hand nach ihm. Er schlägt ihr die Hand brutal weg. Und dann fällt sie - er springt zurück. Ich glaube, mir haut's die Lok von der Schiene, als ich die junge Frau überfahre."

Roswitha hatte mit aufgerissenen Augen zugehört. Keine Regung in Meißners Gesicht entging ihr. Jede seiner Bewegungen beobachtete sie. - War dieser Eisenbahner verrückt geworden?

Doch es gab auch etwas in ihrem Innern, das die grauenvolle Schilderung bis aufs I-Tüpfelchen glaubte. So, wie Norbert sie behandelte in letzter Zeit, konnte man ihm selbst eine solche Tat zutrauen... Nein!

Roswitha sagte: "Nein, danke. Gießen Sie sich nur ein. Ich nehme keinen mehr. - Wollten Sie darüber mit Norbert reden? Über Ihre - Träume? Was für einen Erfolg rechnen Sie sich dabei aus, Herr Meißner?"

Das Erzengelgesicht geriet noch eine Spur finsterer. "Ich weiß", knurrte er. "Die Menschheit rechnet nach Erfolg und Misserfolg. Gewissen, Reue, der allmächtige Gott - all das bedeutet ihr nichts. Ich bin ein religiöser Mann, müssen Sie wissen. Ich habe gehofft, ich werde diesem Menschen, also Herrn Schadendorf, gründlich in die Seele reden können." Er winkte mutlos ab. "Doch vielleicht ist das zwecklos. Wenn sogar Ihre Seele dermaßen verhärtet ist - die Seele einer jungen, unschuldigen Frau!"

Sie traute Meißner nicht zu, über Seele und Unschuld einer Frau urteilen zu können, und fragte rasch und sachlich: "Warum gehen Sie nicht noch einmal zur Polizei und korrigieren Ihre Aussage?"

Gleich hätte sie sich auf die Zunge beißen können. Die Frage war ihr herausgerutscht.

"Sie begreifen mich nicht."

Meißner lächelte schwach, und dieses Lächeln verlieh ihm ein noch fraulicheres Aussehen. "Der weltliche Arm der Gerechtigkeit", erklärte er, auf einmal in eine Art gehauchten Singsang verfallend, "nützt der Seele des Sünders gar nichts. Man würde Ihren Norbert vielleicht einsperren. Man würde ihn nach zehn oder zwanzig Jahren wieder herauslassen. Seine Seele würde dadurch aber nur abgestumpft, sein Herz verstockt werden. Ich aber möchte - dass er die schreckliche Tat bereut. Nur die Reue gilt etwas vor Seinem Thron!"

Meißner hatte sich in Ekstase geredet. Er ließ den Finger, den er bei dem Wörtchen "Seinem" zur Decke heraufgestreckt hatte, eine Weile in der Luft stehen.

Er ist also doch übergeschnappt, sagte sich Roswitha. Und sie wusste auf einmal genau, warum sie hierher gegangen war. Schon als sie den Zettel entdeckte, hatte sie das empfunden, was sie erst jetzt klar formulieren konnte: Norbert drohte Gefahr. Davor wollte sie ihn bewahren.



Steffen Mohr wurde am 24. Juli 1942 in Leipzig geboren, wo er auch aufgewachsen und bis heute geblieben ist. Nach dem Abitur studierte er sowohl (katholische) Theologie als auch Theaterwissenschaften, welche er 1966 mit einem Diplom abschloss. Nach seiner Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut kam 1975 ein zweites Diplom hinzu. Davor hatte Mohr unter anderem als Hilfsarbeiter und Hilfsschauspieler, als elektrischer Prüfer und als Redakteur beim „Sächsischen Tageblatt“ sowie als Regieassistent beim Jugendtheater und als Dramaturg beim DDR-Fernsehen (Krimi-Genre), aber auch als Briefträger und Leiter wilder Theatergruppen gearbeitet. Seine erste Kriminalstory hatte Mohr 1966 unter dem Pseudonym „Harald Eger“ in der bekannten „Blaulicht“-Reihe veröffentlicht – „weil mir sonst als Student das Honorar vom Stipendium abgezogen worden wäre“. Weitere Bücher folgten und schließlich 1989 gemeinsam mit dem West-Berliner Autor -ky (Hinter diesem Kürzel verbirgt sich der erfolgreiche Kriminalschriftsteller und Soziologieprofessor Dr. Horst Bosetzky, Jahrgang 1938) der erste und zugleich letzte deutsch-deutsche Krimi „Schau nicht hin, schau nicht her“ – erschienen zwei Monate vor dem Mauerfall. Eine literarische Spezialität des Leipziger Künstlers, der auch als Dozent für kreatives Schreiben tätig ist und der Freien Literaturgesellschaft Leipzig e.V. vorsteht, sind seine Rätselkrimis, die bundesweit in Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 1 Million Exemplaren veröffentlicht werden. Darin lässt Mohr nicht nur den Leipziger Kommissar Gustav Merks ermitteln, sondern vor allem seine kriminalistisch veranlagten Leserinnen und Leser.

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