Das grüne Gespenst

Kriminalroman

Heym und Trankenbrodt gehen dicht an der Häuserfront entlang. Vorsichtig klinken sie an den Haustüren, aber alle sind abgeschlossen. Als sie die Querstraße erreicht haben, hören sie plötzlich Schritte. Sie pressen sich in einen Torweg. Es ist das metallische Tacken von hochhackigen Damenschuhen. Eine Frau kommt aus einer engen Gasse und geht schräg über die Fahrbahn. Die beiden Männer im Torweg bemerkt sie nicht. Etwa fünfzig Meter weiter macht sie vor einer Haustür halt. Ein Schlüsselbund klirrt Dann ein gellender, langgezogener Schrei. Die Frau wird mit roher Gewalt auf den Fußweg geschleudert Eine dunkle Gestalt rennt... alles anzeigen expand_more

Heym und Trankenbrodt gehen dicht an der Häuserfront entlang. Vorsichtig klinken sie an den Haustüren, aber alle sind abgeschlossen. Als sie die Querstraße erreicht haben, hören sie plötzlich Schritte. Sie pressen sich in einen Torweg. Es ist das metallische Tacken von hochhackigen Damenschuhen. Eine Frau kommt aus einer engen Gasse und geht schräg über die Fahrbahn. Die beiden Männer im Torweg bemerkt sie nicht.

Etwa fünfzig Meter weiter macht sie vor einer Haustür halt. Ein Schlüsselbund klirrt Dann ein gellender, langgezogener Schrei. Die Frau wird mit roher Gewalt auf den Fußweg geschleudert Eine dunkle Gestalt rennt über die Straße. Heym und Trankenbrodt springen aus ihrem Versteck. Der Mann, ein schmächtiger Kerl in einem grünen Lodenmantel, wirbelt herum und saust in erstaunlichem Tempo auf die nächste Ecke zu.



LESEPROBE:

Ein älterer Herr kommt ihnen über die Holztreppe, die aus dem ersten Stockwerk in einen hallenartigen Vorraum führt, entgegengelaufen. Er streckt die Arme aus und ruft atemlos, noch ehe er ihnen die Hände geschüttelt hat: „Haben Sie meinen ‚Kalf‘ wiedergefunden? Haben Sie eine Spur? So reden Sie doch, meine Herren!“

Leutnant Bresack senkt den Kopf. „Darf ich erst einmal bekannt machen: Leutnant Heym, ein Berliner Kollege - Doktor Weilsheimer, der Direktor des Museums.“

„Ich muss Ihre Hoffnung leider enttäuschen“, beginnt Heym, „wir haben bisher noch keine Spur. Im Gegenteil, ich komme, weil in Berlin ein ähnlicher Diebstahl begangen worden ist und gewisse Umstände vermuten lassen, dass es sich um denselben Täter handelt. Auch uns ist er entwischt, aber noch ist nicht aller Tage Abend.“

Heym schildert in groben Zügen den in Köpenick verübten Einbruch und fährt fort: „Nun hätte ich gern eine möglichst genaue Darstellung, wie hier in Gotha der Diebstahl ausgeführt wurde.“

„Gewiss“, sagt Dr. Weilsheimer, dem die Niedergeschlagenheit deutlich anzumerken ist, „wenn Sie glauben, dass es Ihnen weiterhilft.“

Sie sind inzwischen in einen der Ausstellungsräume gelangt. Der Direktor zeigt auf ein Bild in schmalem Goldrahmen. „An dieser Stelle hing vor drei Monaten das Stillleben von Willem Kalf, einem niederländischen Maler des siebzehnten Jahrhunderts, der vor allem durch seine Kücheninterieurs und Stillleben berühmt geworden ist. Das Bild war eines meiner wertvollsten Stücke, in Komposition und Ausführung von einmaliger Schönheit.“



Ein älterer Herr kommt ihnen über die Holztreppe, die aus dem ersten Stockwerk in einen hallenartigen Vorraum führt, entgegengelaufen. Er streckt die Arme aus und ruft atemlos, noch ehe er ihnen die Hände geschüttelt hat: „Haben Sie meinen ‚Kalf‘ wiedergefunden? Haben Sie eine Spur? So reden Sie doch, meine Herren!“

Leutnant Bresack senkt den Kopf. „Darf ich erst einmal bekannt machen: Leutnant Heym, ein Berliner Kollege - Doktor Weilsheimer, der Direktor des Museums.“

„Ich muss Ihre Hoffnung leider enttäuschen“, beginnt Heym, „wir haben bisher noch keine Spur. Im Gegenteil, ich komme, weil in Berlin ein ähnlicher Diebstahl begangen worden ist und gewisse Umstände vermuten lassen, dass es sich um denselben Täter handelt. Auch uns ist er entwischt, aber noch ist nicht aller Tage Abend.“

Heym schildert in groben Zügen den in Köpenick verübten Einbruch und fährt fort: „Nun hätte ich gern eine möglichst genaue Darstellung, wie hier in Gotha der Diebstahl ausgeführt wurde.“

„Gewiss“, sagt Dr. Weilsheimer, dem die Niedergeschlagenheit deutlich anzumerken ist, „wenn Sie glauben, dass es Ihnen weiterhilft.“

Sie sind inzwischen in einen der Ausstellungsräume gelangt. Der Direktor zeigt auf ein Bild in schmalem Goldrahmen. „An dieser Stelle hing vor drei Monaten das Stillleben von Willem Kalf, einem niederländischen Maler des siebzehnten Jahrhunderts, der vor allem durch seine Kücheninterieurs und Stillleben berühmt geworden ist. Das Bild war eines meiner wertvollsten Stücke, in Komposition und Ausführung von einmaliger Schönheit.“ Dr. Weilsheimer macht eine Pause, und als er dann weiterspricht, ist die Begeisterung, die für Sekunden aus seinen Worten herauszuhören war, wieder einem nüchternen Tonfall gewichen. „Ich konnte es anfangs gar nicht fassen“, sagt er, „dass man es gestohlen hatte. So ein Fall ist mir während meiner ganzen Dienstzeit noch nicht begegnet.“

Heym hat aufmerksam zugehört. „Leutnant Bresack erzählte mir, der Dieb soll sich hier irgendwo versteckt haben, bis am Abend die Ausstellungsräume geschlossen wurden. Wie ist das überhaupt möglich?“

„Das kann ich Ihnen erklären. Sehen Sie bitte!“ Der Direktor deutet auf zwei lebensgroße vergoldete Buddhafiguren, die in den Zimmerecken gegenüber der Fensterfront hocken. „Sie gleichen sich wie Zwillinge, nur ist eine massiv und unbeweglich, die andere aber aus Pappmaschee und nach Betätigung eines Mechanismus schwenkbar. Auf diese Weise wird der Zutritt zu einem System von Geheimgängen freigegeben, die das ganze Schlossgebäude durchziehen. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass es kaum ein Zimmer gibt, in dem nicht ein Spiegel in die Wand eingelassen ist. Diese Spiegel sind von hinten, also von den Geheimgängen her, durchsichtig, sodass die Schlossherren oder die von ihnen beauftragten Hofschranzen jederzeit in der Lage waren, alle Personen und Gespräche zu belauschen, ohne dass die Ausspionierten auch nur die geringste Ahnung davon hatten. Das war natürlich für den Herzog sehr vorteilhaft und gehörte zu dem Katalog von Winkelzügen, mit denen Duodezfürsten ihre Hausmachtpolitik betrieben.

Wir sahen bisher keinen Grund, bei unseren Führungen diese Tatsachen zu verschweigen, sodass jeder, der einmal hier war, im Prinzip auch über die Geheimgänge Bescheid weiß.“



1931 in Nowawes, dem heutigen Babelsberg geboren. Absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung als Industriekaufmann, arbeitete als Film-Geschaftsführerassistent sowie als Regie- und Dramaturgie-Assistent. Seit 1956 freiberuflicher Schriftsteller. Pseudonyme: A. G. Petermann (gemeinsam mit H. A Pederzani und Gerhard Neumann) sowie Heiner Heindorf.

Er schrieb zwischen 1957 und 1959 gemeinsam mit H. A. Pederzani und Gerhard Neumann eine Reihe von Kriminalromanen, danach schrieb er seine Bücher allein. Später adaptierte er auch einige dieser Stoffe für den Rundfunk und das Fernsehen. Übersetzungen seiner Romane und Erzählungen erschienen u. a. in Ungarn, Polen, der CSSR und der UdSSR.

Außer Krimis schrieb er auch Science-Fiction-Bücher und arbeitete für Rundfunk, Fernsehen und Film.

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