Der vierte Schlüssel
Kriminalroman
„Der obere Teil der Küchentür war verglast, kleine Felder mit getönten, auf einer Seite geriffelten Scheiben, durch Holzstege voneinander getrennt. Mit dem linken Ellbogen schlug Wilhelm Juppe eines der Glasfenster heraus, griff durch das Loch und drehte den von innen steckenden Schlüssel herum. Dann öffnete er die Küchentür. Frau Bauer lag vor dem Herd, aus dem hörbar das Gas ausströmte. Huppe lief zum hinteren Teil der Küche, riss die beiden schmalen Flügel auf und atmete heftig die frische Luft ein…”
Ulrich Völkel schrieb Gegenwartsbücher und historische Romane, er ist vielen Lesern kein Unbekannter mehr. Nun versucht er sich, dem Bei8spiel anderer Autoren folgend, auch auf dem Gebiet der Kriminalliteratur. Dem „Vierten Schlüssel“ merkt man die Erfahrung des Verfassers, auch ein bisschen seine Routine im Umgang mit dem geschriebenen Wort an. Da ist gleich von der ersten Seite Spannung, die Personen sind Menschen von Fleisch und Blut, und ihre Handlungen und Motive erscheinen logisch und verständlich. Und noch etwas bringt Völkel in den Kriminalroman ein: Er erzählt zwei scheinbar unabhängige Fälle, die sich auf eigenartige Weise berühren. Eine bisher kaum gekannte Konstruktion mit zweifellos neuartigen Spannungselementen, die selbst den geübten Krimileser nicht ohne Überraschung aus der Lektüre entlassen.
Das Buch erschien erstmals 1988 beim Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik.
Er steckte es mit einem schalen Grinsen weg. Die Mundwinkel waren tief herabgezogen. "Klar, die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Meinst du denn, die Kriminalpolizei wird nicht herausfinden, woher das Geld auf diesem Konto stammt? Sie bekommen alles heraus, liebe Gisela. Du hättest es gleich gestehen sollen."
"Achim", bat sie noch einmal mit dem Versuch, ihn zur Vernunft zu bringen, "ich kann ja verstehen, dass dich die Nachricht vom Tod deiner Frau durcheinander gebracht hat. Aber warum soll die Kriminalpolizei meine Konten untersuchen und herausfinden wollen, wessen Geld darauf eingezahlt wurde? Das ist doch Unfug, Achim, bitte."
"Hast du denn noch immer nicht begriffen, was hier läuft?", rief er aus. "Selbstmord ist denen zuwenig. Die wollen einen richtigen Mord haben, in diesem Nest passiert doch sonst nichts. Sie suchen nur noch die passenden Details zusammen, das Opfer haben sie bereits: mich. Ich bin der Mörder meiner Frau!"
Gisela Werner starrte ihn bestürzt an. Jetzt dreht er durch, dachte sie. Wie hässlich er aussieht. Hat ihn der plötzliche Tod seiner Frau wirklich so verwirrt - oder spielt er mir... Nein, beschwor sie sich selbst, das ist unmöglich, das kann er nicht getan haben. Mehr um sich zu beschwichtigen, als ihn zu beruhigen, sagte sie: "Achim, ich lasse dir einen Kaffee aufbrühen, und dann bring ich dich nach Hause. Oder willst du gleich zu deiner Frau? Ich fahr dich hin, ja?"
Er reagierte nicht. Er starrte ins Leere, als hätte er gar nicht gehört, was sie sagte.
"Nimm ein paar Tage frei. Deine laufenden Arbeiten verteile ich. Wir haben heute früh ja alles besprochen. Du wirst ohnehin die nächsten Tage zu tun haben. Und bring Ordnung in deine Gedanken. Das ist doch alles Unsinn, was du dir einredest. Kein Mensch hat dich verdächtigt, so etwas Ungeheuerliches getan zu haben. Wenn du irgendwelche Hilfe benötigst, Achim, du kannst auf mich zählen. Vergiss, was ich vorhin gesagt habe. Sie war krank, labil. Wir alle wissen das. Du bist nicht schuld an ihrem Tod. Du gewiss nicht. Wenn sich jemand Vorwürfe machen muss, dann ich. Rede dir nichts ein, Achim. Bitte." Sie meinte, was sie sagte. Sie machte sich nichts vor.
"Der Fall ist doch ganz klar." Er redete ins Zimmer hinein, als säße er in einem unterirdischen Gewölbe, in einem Verließ. Gisela Werner hatte ihn so nie sprechen hören. "Ich war mit einer kranken Frau verheiratet. Ich habe sie als letzter gesehen. Der Nachbarin habe ich verboten, bei ihr zu klingeln. Ich habe eine Geliebte. Ich habe auf ein heimliches Konto beträchtliche Summen einzahlen lassen. Ich wollte meine Frau loswerden, um dich heiraten zu können, denn mit einer Scheidung wäre sie nicht einverstanden gewesen. Es passt. Es passt alles wunderbar zusammen! Warum hat sie das nur getan?"
Ulrich Völkel
1940 in Plauen/Vogtland geboren, Abitur 1959, danach zwei Jahre Militärdienst (NVA).
1961 Praktikum am Theater Putbus, 1962 Kulturreferent der Stadt Saßnitz, Leiter des Stadtkabinetts für Kulturarbeit in Schwerin
1963/65 Studium, Institut für Literatur „Johannes R. Becher“, Leipzig
1966 Oberreferent beim Rat des Bezirkes Schwerin, Abteilung Kultur, 1967/69 Dramaturg und Regieassistent am Staatstheater Schwerin
1969/71 künstlerischer Mitarbeiter des Generalintendanten am Volkstheater Rostock
Seit 1971 freier Schriftsteller, Herausgeber und Lektor, 1993 Gründung des RhinoVerlages (verkauft: 2006)
Seit November 2001 in Weimar ansässig
Autor, Mitverfasser oder Herausgeber von ca. 60 Büchern, hinzu etwa 120 Titel, verlegt im RhinoVerlag
Verheiratet, zwei Kinder.
Veröffentlichungen (Auswahl)
Kain und Abel. Roman, Eulenspiegelverlag, Berlin 1968
Spektakel in Seltensow. Schauspiel, Volkstheater Rostock, 1969
Freitags beim Angeln. Kinderbuch, Kinderbuchverlag, Berlin 1973
Auf der Brücke mit Marie. Roman, Militärverlag, Berlin 1974
Das Schiff läuft wieder aus. Roman,. Militärverlag, Berlin 1975
Zwischen Bar und Krementschug. Reportage, Verlag Neues Leben, Berlin 1978
Mit Leier und Schwert. Historischer Roman, Verlag der Nation, Berlin 1983
Der Mann von damals. Hörspiel, 1983
Bergers Ehe. Roman, Militärverlag, Berlin 1985
Adler mit gebrochenem Flügel. Historischer Roman, Verlag der Nation, Berlin 1987
Der vierte Schlüssel. Kriminalroman, Militärverlag, Berlin 1988
Zwei Riesen im Sund. Rügen-Sagen, Kinderbuchverlag, Berlin 1988
Luc und die Wölfe von Paris. Kinderbuch, Kinderbuchverlag, Berlin 1989
Der Tresor des Diktators. Roman, Verlagshaus Erfurt, 1993
Daheim, in meinem fremden Land. Erzählung, RhinoVerlag, Arnstadt & Weimar 1999
Ein Elefant im Hotel. Kinderbuch, RhinoVerlag, Weimar 2002
Höhlen, Grotten, Schaubergwerke in Thüringen. Text-Bildband, RhinoVerlag, Ilmenau 2007
Miteinander Füreinander. Chronik. Katholisches Krankenhaus Erfurt, René Burkhardt Verlag, Erfurt 2010
Bonjour citoyen. Roman, René Burkhardt Verlag Erfurt
Heimische Pflanzen (1). Blumen und Kräuter. Sachbuch, Rhinoverlag, Ilmenau 2010
Heimische Pflanzen (2). Gräser und Kräuter. Sachbuch, Rhinoverlag, Ilmenau 2011
Heimische Pflanzen (3). Bäume und Sträucher. Sachbuch, Rhinoverlag, Ilmenau 2011
Heimische Tiere (Vögel). Sachbuch, Rhinoverlag, Ilmenau 2012
Felix Romuliana. Grabungsbericht. Römisch-Germanische Kommission Frankfurt a.M.
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