Polterabend
Kurzgeschichten
Diese Kurzgeschichten, die erstmals 1981 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig erschienen waren, erzählen von einem Land, das es nicht mehr gibt, und von den Leuten, die in diesem Land gelebt und geliebt haben. Diese Kurzgeschichten sorgten damals in dem nicht mehr existierenden Land wegen ihrer zum Teil kritischen Sicht auf den Alltag und mit ihrem besonderen Blick auf die Liebe für einiges Aufsehen. Und diese Kurzgeschichten sind auch heute noch ein Leseerlebnis – und nicht zuletzt eine liebevolle Erinnerung an ein verschwundenes Land.
INHALT:
Wie mir Großmutter das Boxen beibrachte
Das Teufelsloch
Die einfachste Sache der Welt
Erdrutsch
Das letzte Telegramm
Der Generaldirektor lässt bitten
Porträt eines kleinen Betriebes
Ein Mann, der Wiesmann hieß
Erdbeben
Drei Männer in einem Tatra
Die verschwundene Herde
Flussaufwärts
Warten auf Scegulla
Klopfzeichen
Sturmnacht
Träumen können
Begegnung auf einer Treppe
Grabrede für Eisenpeter
Bier trinken in einer fremden Stadt
Der Anruf
Strandgang
Die Nacht in der Bucht
Die Ahnung
Vormittags auf einem Friedhof
Hochzeitsreise mit Kathrin
Die eine Seite der Geschichte
Geselliger Abend
Ein Modell für jede Ehe
Fernfahrt
Das dritte Leben
Regen
Polterabend
Weidegang
Bosch ist eben Bosch
Stadtrand
Der Dornenzähler
Wie mich die rote Marie verführte
Eine Nacht in Vockenstedt
Der Zeuge
Besuchszeit
Pörschmann stirbt neunzehn Uhr eins
LESEPROBE:
Sie standen vor ihrem Haus, und sie lud ihn noch ein.
Die Wohnung lag unter dem Dach. Die Räume hatten schräge Wände, und der Flur war sehr klein. Er wunderte sich über einen Teddy, der auf dem Boden lag und dem ein Auge fehlte und ein Ohr. Sie bemerkte seinen Blick, und ihre Augen blickten wieder spöttisch. Sie öffnete leise eine Tür und winkte. Der Raum war dunkel, aber er sah zwei Betten übereinander.
»Jens und Heike«, sagte die Frau. »Jens ist sechs, Heike zwei.«
Er stand da und konnte es nicht fassen. Sie berührte seine Schulter, sanft, aber bestimmt, und er ging vor ihr her auf den Flur.
Im Wohnzimmer hingen zwei Bilder, ein Frauenkopf von Modigliani und der goldene Fisch von Paul Klee. Es gab keine Sessel im Raum, nur flache runde Sitze. Er saß nicht bequem. Sie fragte ihn, ob er etwas trinken wolle, und er nickte.
»Ich habe zwei Ehen hinter mir«, sagte die Frau, »ich bin fünfundzwanzig. Das erste Mal war ich achtzehn und hochschwanger zur Hochzeit. Es war so viel Leidenschaft dabei, ich hätte nie geglaubt, dass es enden würde. Aber in der Ehe endet wohl jede Liebe.«
Wie mir Großmutter das Boxen beibrachte
Das Teufelsloch
Die einfachste Sache der Welt
Erdrutsch
Das letzte Telegramm
Der Generaldirektor lässt bitten
Porträt eines kleinen Betriebes
Ein Mann, der Wiesmann hieß
Erdbeben
Drei Männer in einem Tatra
Die verschwundene Herde
Flussaufwärts
Warten auf Scegulla
Klopfzeichen
Sturmnacht
Träumen können
Begegnung auf einer Treppe
Grabrede für Eisenpeter
Bier trinken in einer fremden Stadt
Der Anruf
Strandgang
Die Nacht in der Bucht
Die Ahnung
Vormittags auf einem Friedhof
Hochzeitsreise mit Kathrin
Die eine Seite der Geschichte
Geselliger Abend
Ein Modell für jede Ehe
Fernfahrt
Das dritte Leben
Regen
Polterabend
Weidegang
Bosch ist eben Bosch
Stadtrand
Der Dornenzähler
Wie mich die rote Marie verführte
Eine Nacht in Vockenstedt
Der Zeuge
Besuchszeit
Pörschmann stirbt neunzehn Uhr eins
Sie standen vor ihrem Haus, und sie lud ihn noch ein.
Die Wohnung lag unter dem Dach. Die Räume hatten schräge Wände, und der Flur war sehr klein. Er wunderte sich über einen Teddy, der auf dem Boden lag und dem ein Auge fehlte und ein Ohr. Sie bemerkte seinen Blick, und ihre Augen blickten wieder spöttisch. Sie öffnete leise eine Tür und winkte. Der Raum war dunkel, aber er sah zwei Betten übereinander.
»Jens und Heike«, sagte die Frau. »Jens ist sechs, Heike zwei.«
Er stand da und konnte es nicht fassen. Sie berührte seine Schulter, sanft, aber bestimmt, und er ging vor ihr her auf den Flur.
Im Wohnzimmer hingen zwei Bilder, ein Frauenkopf von Modigliani und der goldene Fisch von Paul Klee. Es gab keine Sessel im Raum, nur flache runde Sitze. Er saß nicht bequem. Sie fragte ihn, ob er etwas trinken wolle, und er nickte.
»Ich habe zwei Ehen hinter mir«, sagte die Frau, »ich bin fünfundzwanzig. Das erste Mal war ich achtzehn und hochschwanger zur Hochzeit. Es war so viel Leidenschaft dabei, ich hätte nie geglaubt, dass es enden würde. Aber in der Ehe endet wohl jede Liebe.«
»Sie wird nur anders«, sagte er.
»Anders?«
»Etwa wie ein Gebirgsfluss«, sagte er, »der herabschießt ins Tal und dann einmündet in einen stillen See. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen?«
Sie sah ihn an, und auf ihrer Stirn stand eine Falte.
»Man muss es vorher klären«, sagte er, »dieses Einfließen, der Fluss ist noch da. Viele sind zu jung, sie sehen nur den Fluss, wohl auch die Biegung, nicht den See. Man muss auf den Grund des Sees sehen, vorher, auf jeden Stein.«
Er kam sich vor wie ein alter Mann bei diesen Worten, und er war erst vierzig.
»Ein schönes Bild«, sagte die Frau, »aber es ist abstrakt.«
»Ich kann es auch anders sagen«, fuhr er fort. »Vor der Hochzeit muss alles geklärt sein, nüchtern geklärt: wie man wohnt, wie man es hält mit dem Haushalt, wie viele Kinder man will ... Man kann nur so viel Freude ernten, wie man sät. Sät man nicht, kommt keine Frucht.«
»Vielleicht sollte man mit vielen reden vorher«, sagte die Frau.
»Die wenigsten würden es hören«, sagte er, »wenn der Fluss zu wild dröhnt, kommt kein Wort an.«
»Ich habe wieder geheiratet«, sagte sie, »nicht die große Liebe wie beim ersten Mal, einen soliden Mann. Er war gut, half im Haushalt, wusch sogar Windeln, war fürsorglich und fleißig, hatte nie einen Flirt. Ich habe trotzdem Schluss gemacht. Keiner hat es verstanden, wo es doch so ein vorbildlicher Mann war.«
»Sie haben ihn nicht mehr geachtet«, fragte er.
»So ist es wohl«, sagte sie.
Sie goss ihm nach.
»Er wurde sein eigenes Vorbild«, sagte sie, »wollte Diktator sein, und wirkte lächerlich dabei. Je weniger ich es wollte, um so mehr wollte er. Moralpredigten lösen etwas aus bei mir, aber sicher nicht das, was der andere will. Genau das Gegenteil.«
Er sah, dass sie schöne Hände hatte.
»Sein Standpunkt«, sagte die Frau, »sollte auch meiner sein, weil er nie irrte. Dann wäre es gegangen, und immer gut. Aber dazu muss einer mehr Mann sein, in allem. Da darf er nicht umkippen, wenn es mal schwierig wird, keinen Weltschmerz zeigen. Dann muss er in allem führen. Aber führen und versagen, das ist schlimm. Jede Achtung ist weg.«
»Und Sie haben die Scheidung eingereicht?«, fragte er.
»Bei beiden«, sagte sie.
Einen Augenblick folgten ihre Augen dem Rauch der Zigarette, dann sah sie ihn wieder an.
»Ich arbeite in der EDV, gebe Daten ein. Sie werden gespeichert, und man kann sie abfragen. Einzeln nutzen sie nichts, aber in der Masse sind sie alles. Manchmal denke ich, man müsste ein Modell haben für jede Ehe. Man müsste alles eingeben in den Computer, die Erwartungen, die Fehler, die jeder hat, was weiß ich, hundert Daten und mehr.«
Es war spät geworden, und er erhob sich, als er glaubte, dass sie müde wurde. Aber er war unsicher.
Sie standen im Flur, er hielt ihre Hand ein wenig länger und sah sie an, seltsam berührt. Er wusste nicht, ob er bleiben sollte, aber vielleicht suchte sie nur das Gespräch.
Noch auf der Treppe zögerte er ...
Geboren 1941 in Berlin. Diplom-Wirtschaftsingenieur. War einer der erfolgreichsten Krimiautoren der DDR.
Theodor-Körner-Preis.
Lebt in Leipzig. Schreibt Krimis, Thriller, Kinderbücher. Übersetzung ins Chinesische, Niederländische, Russische, Tschechische und Dänische.
Zwei Krimis erschienen vor der Wende bei S. Fischer. Sein Krimi „Tatort Teufelsauge“ war ab 2006 nach der Übersetzung ins Englische durch Professor Mark Webber Lehrstoff an der Universität Toronto im Kurs „Deutsche Kriminalliteratur“.
Sein Krimi „Der Sog“ wurde 1988 verfilmt und als „Alles umsonst“ nach der Wende mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt, zuletzt 2009.
Im Jahr 2010 erschienen seine besten schwarzhumorigen Kriminalgeschichten „Dunkel ist der Weg der Rache“.
Ab Mai 2012 ist sein fesselnder Norwegen-Krimi „Auf den Schwingen der Hölle“ im Buchhandel, der für Kontroversen sorgt, drastisch, düster, aber auch voller Poesie. Ein Buch mit einem gänzlich unerwarteten und schockierenden Finale.
Nach aufwendigen Recherchen in Tokyo entstand sein Thriller „Man stirbt nicht lautlos in Tokyo“, der zur Buchmesse 2013 in Leipzig als ein Vorzeige-Krimi des fhl Verlages Leipzig erschien.
Teilnahme am 2. Berliner Krimimarathon 2011.
Bibliografie:
Kinderbücher
Flucht über die Anden
Das Glücksschwein und andere Taschengeldgeschichten
Der Kommissar in der Regentonne und andere Detektivgeschichten
Ein Fall für die Feriendetektive
Ein Fall für die Superspürnasen
Elf Kicker im Fußballfieber
Mutgeschichten
Der vertauschte Mittelstürmer und andere Fußballgeschichten
Das Labyrinth in den Klippen
Die Ruine der Raben
Flucht aus Montecastello
Das Labyrinth in den Klippen
Gefährlicher Vollmond
Abenteuerland
Verfolgung durch die grüne Hölle
Schatzsuche auf der Totenkopfinsel
Das Grab des Pharaos
Duell mit dem Tyrannosaurus
Krimis
Der Sog (BRD-Titel: "Ein tödliches Ultimatum")
Tatort Teufelsauge
Die Hölle hat keine Hintertür
Neuntöter
Eine Stadt sucht einen Mörder
Der graue Mann
Der Tod kam in der Mittsommernacht
Satans tötende Faust
Im Höllenfeuer stirbt man langsam
Dunkel ist der Weg der Rache
Auf den Schwingen der Hölle
Sonstiges
Polterabend
Die ungewöhnliche Brautfahrt und andere Geschichten
Das Tal der Hornissen
Die Stunde des Kondors
Die Nacht der Schnee-Eule
Sternschnuppen fängt man nicht
Wo blüht denn blauer Mohn
Geschichten in Schulbüchern verschiedener Länder (Frankreich, Schweden, Norwegen)
Geschichten in christlichen Anthologien (Marienkalender)
Fernsehfilm: Alles umsonst
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Als Sofort-Download verfügbar
- Artikel-Nr.: SW9783863944940