Sehnsucht im Hotel Dünenglück
Nordsee-Liebesroman
Ein geerbtes Familienhotel zum Verlieben
Der herzerwärmende Wohlfühlroman an der Küste Amrums
Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter erbt Kaja einen Anteil am traditionsreichen Familienhotel Dünenglück auf der Nordseeinsel Amrum. Während ihr Vater und ihr Bruder das Hotel verkaufen wollen, kämpft Kaja um den Erhalt. Unterstützung findet Kaja bei ihrer Zwillingsschwester und dem Schauspieler Gerrit. Mit einer kreativen Idee könnten sie es gemeinsam schaffen, den Verkauf zu verhindern, doch der Druck ist hoch. Gerrits Nähe lässt in Kaja längst vergessene Gefühle und Träume wachsen, doch seine eigene Vergangenheit stellt die wachsende Liebe auf eine harte Probe. Und gerade als Kajas Pläne aufzugehen scheinen, reist Gerrit unerwartet ab – kann Kaja ihr Hotel und ihr Herz retten?
Erste Leser:innenstimmen
„Ich konnte mich in diesem Liebesroman direkt auf die Insel Amrum träumen.“
„Diese Küsten-Liebesgeschichte war voller tiefer Gefühle und prickelnder Sehnsucht.“
„Kaja und Gerrit sind so ein tolles Paar, ich konnte die tiefen Gefühle zwischen den beiden spüren.“
„So eine tolle wholesome Romance an der Nordseeküste!“
Kapitel 2
Der Beerdigungskaffee fand im Hotel Dünenglück statt, dessen zweistöckiges Haupthaus sich mit seinen verklinkerten Mauern stolz Wind und Wetter entgegenstellte, während das reetgedeckte alte Nebenhaus sich an seiner Seite in die Dünen schmiegte.
Unglücklich saß Kaja mit ihrem Vater und ihren Geschwistern an einem der Tische. Die ganze Familie Clausen – das heißt, der Rest, der von ihr noch übrig war – wirkte auf Kaja in den schwarzen Kleidern und mit den deprimiert hochgezogenen Schultern wie ein Schwarm zerrupfter Krähen. Auch wurde sie den Eindruck nicht los, dass die geladenen Gäste sie mitfühlend musterten. Sie, die Hinterbliebenen, redeten kaum miteinander. Niemand von ihnen aß etwas. Die anderen Gäste langten dagegen munter zu. Auf den beiden langen Tischreihen standen Brötchen und Kuchen, und die Leute bedienten sich und ließen es sich schmecken.
Das Personal ging umher, schenkte Kaffee nach, holte neue Platten mit Brötchen aus der Küche und tauschte sie gegen leer gegessene aus. Gäste aus allen Dörfern Amrums waren zugegen. Sie verteilten und versammelten sich zu kleinen Inseln. Die nächsten Nachbarn des Hotels Dünenglück, das ein wenig abgelegen am Rand Wittdüns lag, plauderten angeregt miteinander an einem Tisch. Auch die Amrumer Hotelbesitzer saßen zusammen, und die Lieferanten des Hotels hatten sich ebenfalls zueinander gesetzt. Die Metzgersfrau von Amrum tauschte sich lebhaft mit der Bäckersfrau aus, während Gärtner Peter Bruns sich prächtig mit dem Schäfer Fiete unterhielt und dabei laut lachte. Kaja hätte sich gewünscht, er würde sich nicht ganz so gut amüsieren oder es zumindest zurückhaltender zeigen. Sein Lachen schallte durch den Saal, sodass Kajas Zwillingsschwester Elin irritiert aufblickte.
Levke Bruns, die Tochter des Gärtners und eine der Kellnerinnen, ging zum Tisch der Clausens, um zu schauen, ob sie Kaffee nachschenken konnte.
Hark sah sie an. „Kaja hat darauf bestanden, dass wir den Beerdigungskaffee hier abhalten“, sagte er. „Schade. Hätten wir nach Nebel eingeladen, hätten alle direkt vom Friedhof ins Café gehen können. Und du bräuchtest nicht zu arbeiten, sondern könntest bei den Gästen sitzen.“
Levke und Hark kannten sich noch aus Schulzeiten, auch wenn Levke etwas jünger war. Alle Amrumer, die ein ähnliches Alter hatten, waren aus der Inselschule miteinander vertraut und duzten sich.
„Kein Problem“, erwiderte Levke freundlich. „Wir vom Personal nehmen den Tod deiner Mutter sehr schwer. Da helfe ich gern.“
Kaja, die zwischen ihren Geschwistern saß, ärgerte sich, weil Hark ihr in den Rücken fiel und beim Personal gegen sie Stimmung machte. „Mensch nochmal, Hark, meckere doch nicht. Das waren wir Mama schuldig“, mischte sie sich ein. „Sie hätte gewollt, dass der Kaffee zu ihren Ehren in ihrem eigenen Gastraum stattfindet.“
Hark sah sie aufgebracht an. Es fehlte noch, dass er vor allen Trauergästen Streit mit ihr anfing.
„Woher willst du wissen, was unsere Mutter sich gewünscht hätte?“, knurrte er. „Sie war immer sehr pragmatisch. Und die Gäste in Nebel zu bewirten, direkt beim Friedhof, wäre die einfachste Lösung gewesen.“
„Lass gut sein, Hark“, warf Elin mit ihrer ausgleichenden, versöhnlichen Art ein. „Vielleicht schaut Mama gerade jetzt auf uns herunter. Sie würde nicht wollen, dass wir uns zanken.“
Kajas Vater starrte unterdessen unverwandt auf seinen Teller, aß aber nichts. Das Geplänkel unter seinen Kindern schien an Joris vorbeizugehen, als wäre er gar nicht richtig anwesend.
Kaja sah Levke an. „Jedenfalls sind wir dir und den anderen Leuten vom Personal sehr dankbar, dass ihr uns heute an diesem schweren Tag helft.“
Sie schaute durch die breite Fensterfront des Gastraums, der morgens als Frühstücksraum diente und abends als Restaurantsaal. Der Blick nach draußen auf die Terrasse zeigte ihr, dass sich dort bereits die Dämmerung herabsenkte. Das Dünengras, das in Büscheln aus den Sandhügeln dahinter lugte, war kaum mehr zu erkennen.
Die Gäste hatten reichlich gegessen und wirkten gesättigt. Levke ging noch einmal herum und schenkte Kaffee nach. Ihr Vater stand auf und schob sich zum Tisch der Familie durch. Kaja sah ihm beklommen entgegen. Peter Bruns war für seine direkte Art bekannt und scheute niemals vor einer heiklen Bemerkung zurück. Wenn er etwas sagen oder fragen wollte, zierte er sich nicht, dann waren ihm die Umstände gleichgültig.
„Also, das war ein schlimmer Schrecken für euch. Nochmals herzliches Beileid“, sagte er mit seiner dröhnenden Stimme zu den Hinterbliebenen. Die vier nickten stumm. „Alle möchten das gern wissen. Nur darum frag ich. Wir Lieferanten. Und meine Tochter natürlich auch, die Levke.“
Wie vermutlich allen im Saal war Kaja vollkommen klar, worauf er hinauswollte. Sie merkte, dass die Gäste rundum verstummten und aufmerksam lauschten.
Und schon hallte Bruns Frage laut durch den Raum: „Wie geht es denn nun mit dem Hotel weiter?“
Hark und Elin schwiegen. Kajas Vater Joris schaute stumm auf seinen Teller und begann, mit dem Messer ein Muster in den Belag seines Mettbrötchens zu ritzen. Kaja wartete gespannt auf das, was er sagen würde. Schließlich blickte er auf. „Du wirst verstehen, dass wir uns erst einmal sortieren müssen, Peter.“
Kaja mischte sich hastig ein. „Das Hotel wird selbstverständlich weitergeführt, macht euch deshalb keine Sorgen.“ Es fehlte noch, dass die Mitarbeiter das Gefühl bekamen, ihre Stelle sei gefährdet. Dann würden sie sich etwas Besseres suchen, etwas Sicheres. Heutzutage war Personal schneller weg, als man Piep sagen konnte.
Bevor Peter Bruns erleichtert lächeln konnte, ergriff Joris erneut das Wort. „Wie gesagt, die Familie hat noch Gesprächsbedarf. Sobald alles geklärt ist, werden die Belegschaft und die Lieferanten es als Erste erfahren.“
Kaja sah ihn fassungslos an. Wieso fiel Joris ihr in den Rücken? Ihr ganzer beruflicher Werdegang lief darauf hinaus, irgendwann die Hotelleitung zu übernehmen. Konnte ihr Vater andere Pläne haben?
Sie verstand nicht, worauf er mit seiner Andeutung hinauswollte und erkannte plötzlich, dass sie nicht einmal wirklich wusste, wem das Hotel nach dem Tod ihrer Mutter gehörte. Sie hatte den Eindruck, dass die Familienkonferenz, die anstand, nicht leicht werden würde.
Tausend Worte wollten aus ihrem Mund herausdrängen, doch sie schluckte sie energisch herunter. Auf keinen Fall wollte sie einen Familienstreit vor versammelter Gästeschar. Das würde die Mitarbeiter nur noch nervöser machen.
Peter Bruns wollte sich schon abwenden, da drehte er sich noch einmal um. Kaja hätte am liebsten laut gestöhnt. Peter war mit beiden Füßen in ein Fettnäpfchen getreten, und wie sie ihn kannte, stürzte er sich jetzt gleich kopfüber ins nächste. Und tatsächlich.
„Sag mal, Hark.“ Peter, groß und vierschrötig, beugte sich über den Sitzenden. „Wie ist eure Mutter denn nun wirklich gestorben?“
„Ich kann mir denken, was die Leute reden.“ Hark stand auf, offensichtlich wollte er nicht zu Peter aufschauen. Er war fast so groß wie dieser. Wie der Gärtner hatte er Hände, die vom Arbeiten und Zupacken breit und kräftig waren. „Wenn jemand so unerwartet stirbt, denken die Leute gleich an Suizid, aber so war es nicht.“
„Na ja.“ Peter sah nun doch ein wenig verlegen drein. „Das stimmt, die Leute reden.“
Hark sah ihm direkt in die Augen. „Mutter ist genau so gestorben, wie der Pfarrer es berichtet hat.“
„Du meinst, sie ist am Morgen aufgewacht und hat gemerkt, dass sie tot war?“
Kaja blieb fast die Luft weg. Für Peters Art von flapsigem Humor war jetzt wirklich nicht der richtige Moment.
„So ungefähr“, antwortete Hark mit missbilligend gerunzelter Stirn. „Mein Vater ist wach geworden, und da lag sie neben ihm im Bett und rührte sich nicht. Plötzlicher Herztod.“ Er sprach mit lauter Stimme. Zu Recht war es ihm wichtig, diesen Punkt unter die Leute zu bringen, bevor das Selbstmord-Gerücht noch weitere Kreise zog. Und tatsächlich schwiegen alle Gäste, schauten zu dem Sprechenden und hörten zu.
„Sie wird uns allen sehr fehlen“, sagte Peter Bruns mit seiner dröhnenden Stimme. Die Gäste an den beiden Tischreihen nickten mit bedrückten Mienen.
Ja, dachte Kaja, Mama, du hast eine furchtbare Lücke hinterlassen.
Kapitel 3
Antje und Joris Clausen waren vor dreiunddreißig Jahren nach Amrum gekommen, zwei Jahre vor Kajas Geburt. Sie hatten eine kleine Pension in den Dünen gekauft und das mit Reet gedeckte alte Gebäude nur für die Familie genutzt. Auf dem zur Pension gehörenden Grundstück hatten sie direkt am Rande der Dünen das eigentliche Hotel erbaut. Es hatte zweiundvierzig Zimmer mit eigenem Bad, eine große Lobby und ein Restaurant, das gleichzeitig als Frühstücksraum diente.
Die Eltern hatten es Hotel Dünenglück genannt, und sie waren hier glücklich gewesen. Zumindest hatte Kaja das immer geglaubt. Um dieses Hotel ging es bei der nun anstehenden Familienkonferenz.
Jetzt sah sie ihren Vater verblüfft an. Sie war sprachlos.
Die letzten Trauergäste waren vor einer Stunde aufgebrochen. Das Personal hatte inzwischen die Theke leergeräumt, die Küche in Ordnung gebracht, alle Tische abgewischt und war dann gegangen. Jetzt war nur noch die Familie da. Sie saßen rund um einen der Restauranttische: Kaja, ihr Vater Joris, ihre Zwillingsschwester Elin und ihr Bruder Hark. Und außerdem wohl Mutters Geist. Den hatte Kaja ganz deutlich gespürt. Bis gerade eben. Inzwischen aber fühlte sie ihn nicht mehr, sondern ausschließlich Bestürzung.
„Das heißt, das Hotel hat dir niemals gehört?“ Kaja fand ihre Stimme wieder. „Dir hat nicht einmal ein Anteil gehört? Es war ganz allein Mutters Hotel?“ Sie schaute zu Elin und Hark. Ihre Geschwister wirkten ebenfalls verblüfft, aber längst nicht so erschüttert wie Kaja. Das war kein Wunder. Sie fühlten sich nicht persönlich verraten.
„Vor drei Jahren nach der Trennung von meinem Ex hatte ich vorgeschlagen, die Hotelleitung zu übernehmen“, versuchte Kaja, ihre Gefühle verständlich zu machen. Sie sah ihren Vater an. „Du warst vehement dagegen, und Mama hat mich nicht unterstützt. Deshalb war ich überzeugt, das Hotel gehört allein dir.“
Damals hatte sie sich mit der Überlegung getröstet, dass ihre Mutter wohl nicht am Hotel beteiligt und außerstande war, ihr gegen ihren Vater beizustehen. Aber offensichtlich hatte sie sich geirrt.
Wo sie eben noch das sichere Gefühl gehabt hatte, dass ihre Mutter zu ihr gehalten hatte, wann immer sie konnte, fühlte sich Kaja jetzt verlassen und ein zweites Mal verwaist.
„Mama hätte sich also gegen dich durchsetzen können?“, fragte sie ihren Vater. „Wenn sie gewollt hätte? Weil das Hotel ihr gehörte und nicht dir?“
Joris saß mit hängenden Schultern zusammengesunken auf seinem Stuhl. Mit seinem vollen Haar und seiner drahtigen Figur hatte er immer jünger gewirkt als seine Mitte sechzig, doch jetzt sah er so aus, als könnte er kaum seinen Kopf aufrecht halten. „Wenn ein Paar ein Hotel betreibt, muss es an einem Strang ziehen“, erklärte er mit matter Stimme. Er besaß nicht die Kraft für eine lange Diskussion, das spürte Kaja. „Das wusste deine Mutter.“
„Sie hat immer so getan, als würdest du alle Entscheidungen treffen“, sagte Kaja noch immer benommen. „Sie hat sich hinter dir versteckt.“
„Antje wusste, wer einen Konflikt besser austragen konnte.“
Diese Tatsache war unbestreitbar. Mama war ein zutiefst friedfertiger, liebevoller Mensch gewesen. Kaja konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter im Hotel jemals laut geworden war, und doch hatte jeder vom Personal sich vor Eifer überschlagen, ihr alles recht zu machen. Lieber hätten sie unbezahlte Überstunden geleistet, als eine Aufgabe, die Mama ihnen gegeben hatte, nicht zur Zufriedenheit auszuführen. Mama ihrerseits hatte darauf geachtet, nie jemanden zu überfordern.
Natürlich konnte Joris einen Konflikt besser austragen als ihre Mutter. Aber die Mutter und sie, Kaja, hatten doch gar keinen Streit gehabt. Mama war ihrer Meinung gewesen. Oder etwa nicht?
„Ich wollte die Bücher einsehen. Du hast dich in deinem Büro verschanzt und mich ausgeschlossen. Und Mama hat nur mit den Achseln gezuckt und so getan, als könnte sie nichts daran ändern. Dabei hätte sie einfach nur sagen müssen, zeig die Bücher her, Joris, das hier ist mein Hotel?“
Jetzt hob er endlich den Kopf und sah sie an. Seine Augen waren gerötet. „So eine Ehe wollte deine Mutter nicht. Gerade weil sie am längeren Hebel saß, hat sie mich das nie spüren lassen. Jeder hatte seinen Bereich, jeder hat gemacht, was er am besten konnte. Sie hatte ein Händchen für die tägliche Organisation und den Umgang mit dem Personal. Und ich habe mich um die Finanzen gekümmert.“
„Wie steht es eigentlich um die?“, warf Hark ein.
Tja, ihr Bruder stellte die entscheidende Frage vor ihr. Aber sie konnte sich anschließen. „Sieht es so schlimm aus, dass du die Bilanzbücher nicht herzeigen konntest?“
„Im Gegenteil.“ Joris’ Antwort kam rasch, er richtete sich sogar ein wenig auf. „Das Hotel ist schuldenfrei. Darauf habe ich immer geachtet. Wir haben niemals mehr ausgegeben, als wir eingenommen haben. Das war unsere Devise. Darin waren Antje und ich uns einig.“
Kaja war einerseits erleichtert. Andererseits wusste sie, dass ein Unternehmer nicht wie eine sparsame Hausfrau wirtschaften durfte. Die Einstellung ihres Vaters sprach nicht für seine Professionalität. Ein Unternehmen musste investieren, um am Markt erfolgreich zu bleiben, und dafür auch manchmal Schulden machen. Mit dem Gewinn, den die neuen Maßnahmen einbrachten, konnte man dann Zinsen und Kredite zurückzahlen.
Während sie noch überlegte, ob sie Joris ihre Meinung klarmachen sollte, stellte Elin bereits die nächste Frage.
„Wie kommt es eigentlich, dass das Hotel nur Mama gehörte? Wieso habt ihr es nicht gemeinsam gebaut?“
„Sag, Papa, wie ist es dazu gekommen?“, hakte nun auch Hark nach. „Und warum wussten wir Kinder nichts davon?“
Diese Antworten interessierten auch Kaja brennend.
Joris saß zusammengesackt da und schwieg, als hätte er Elins Frage nicht gehört. Oder als hätte er keine Lust und keine Kraft für eine Antwort. Schließlich aber räusperte er sich. „Antje wollte immer ein Hotel haben. Das war von Kindheit an ihr Traum. Eure Großeltern waren einmal ziemlich vermögend. Damals, vor der Firmeninsolvenz. Sie haben Antje das Geld für das Hotel geschenkt. Wir haben den Neubau gemeinsam in Auftrag gegeben und überwacht, aber Antjes Eltern haben ihn finanziert.“
„Wieso haben sie euch das Geld nicht gemeinsam geschenkt? Ihr wart doch schon verheiratet?“, fragte Hark verwundert nach.
Joris kniff die Lippen zusammen. Auch nach all diesen Jahren und obwohl seine Schwiegereltern schon seit einigen Jahren tot waren, sah man noch immer, wie sehr die Entscheidung ihn gekränkt hatte. „Anscheinend haben sie mir nicht vertraut. Vielleicht war ich nicht ihr Wunsch-Schwiegersohn. Jedenfalls haben sie beim Schenkungsvertrag darauf geachtet, dass rechtlich alles festgezurrt war und das Hotel wirklich nur Antje gehörte.“
Eine kluge Entscheidung, dachte Kaja, wenn man die Scheidungsraten bedachte, die damals genauso hoch gewesen waren wie heute. Dahinter steckte gewiss keine Abneigung gegen Joris. Als die Großeltern noch lebten, war Kaja nie irgendeine Antipathie aufgefallen.
„Und warum haben wir nichts davon gewusst?“, fragte sie. „Wieso habt ihr uns nie reinen Wein eingeschenkt?“
Joris machte ein grimmiges Gesicht. Kaja biss sich auf die Zunge. Sie hatte mal wieder so geklungen, als wollte sie ihren Vater angreifen. War das schon immer so gewesen? Nein, die schlechte Stimmung zwischen ihnen war erst entstanden, als er ihren Wunsch, das Hotel zu übernehmen, durchkreuzt hatte. Kein Wunder, dass sie immer einen biestigen Tonfall hatte, wenn sie mit ihm sprach.
„Kaja hat recht“, mischte Elin sich nun ein. „Wieso war das ein Geheimnis?“
„Es war kein Geheimnis. Eure Mutter hat einfach nur darauf verzichtet, die Sache an die große Glocke zu hängen“, antwortete Joris jetzt doch. „Sie wusste, wie sehr mich die Entscheidung ihrer Eltern gekränkt hatte. Sie wollte, dass ich ihr im Betrieb zur Seite stehe, und das wollte ich auch. Es war klar, dass wir gleichberechtigt arbeiten, sonst hätte es zwischen uns nicht geklappt. Ich war ihr Mann, nicht ihr Angestellter.“
Kaja sammelte Mut zur nächsten Frage. Sie schaute zu ihren Geschwistern. Würde einer von ihnen ihr zuvorkommen? Die Frage lag auf der Hand, aber vielleicht wäre es besser, wenn Hark oder Elin sie stellten. Doch die beiden schwiegen. Im Grunde war das hier für alle zu viel. Noch hatten sie kaum Zeit gehabt, Mamas plötzlichen Tod zu verarbeiten, und mussten nun einen Schalter umlegen und über geschäftliche Dinge reden.
Als ihre Geschwister sich nicht rührten, setzte Kaja selbst an: „Hat Mama ein Testament hinterlassen?“
Joris schüttelte den Kopf. „Niemand hat mit ihrem Tod gerechnet, sie selbst am allerwenigsten.“
Kein Testament? Keiner von ihnen war von Mama speziell bedacht worden.
„Das heißt, dass du, Papa, das Restaurant zur Hälfte erbst und wir Kinder die andere Hälfte je zu einem Drittel“, sagte Hark nachdenklich.
Kaja überlegte kurz. Sie besaß jetzt also ein Sechstel des Hotels. Vielleicht war ihr Vater nach Mamas Tod bereit, ihr die Führung des Betriebs zu überlassen. In seiner gegenwärtigen Verfassung wirkte er nicht so, als wäre er imstande, irgendwelche Managementaufgaben wahrzunehmen. Wenn sie Glück hätte, würden die Geschwister darauf verzichten, ihr Erbe ausbezahlt zu bekommen. Vielleicht begnügten sie sich mit einem Gewinnanteil, den das Hotel regelmäßig ausschütten könnte?
Joris stützte die Arme auf den Tisch und sah jeden von ihnen an. „Ich möchte euch einen Vorschlag machen“, sagte er schließlich. Sein Gesicht sah grau aus vor Trauer oder wohl auch Erschöpfung. Wahrscheinlich hatte er seit Nächten kaum geschlafen. „Vor einigen Monaten ist eine Immobiliengesellschaft an Antje und mich herangetreten. Die Mapimar. Sie haben vorgeschlagen, das Hotel zu kaufen und uns einen guten Preis geboten. Ich war damit einverstanden. Wir hatten den Ruhestand verdient, fand ich. Aber Antje wollte das nicht.“
Vor einigen Monaten! Joris hatte den Verkauf erwogen, obwohl er wusste, dass Kaja darauf brannte, die Nachfolge ihrer Eltern anzutreten? Nun, Mama hatte in ihrem Sinne entschieden. Offensichtlich wollte sie, dass das Hotel in der Familie blieb.
„Würde der Käufer das Hotel denn so weiterführen, wie es ist?“, fragte Elin. Wäre sie etwa mit einem Verkauf einverstanden?
Joris schüttelte den Kopf. „Nein, nicht als Hotel mit Service. Geplant ist der Umbau zu Ferienwohnungen.“
„Das heißt, außer einer Reinigungs- und einer Empfangskraft müssten alle Mitarbeiter entlassen werden“, stellte Elin fest.
„Das können wir nicht machen.“ Kaja war empört. „Mama war immer stolz auf ihr tüchtiges Personal. Auf ihr gutes Team. Sie hat es geschafft, dass die Leute dem Hotel treu bleiben. Und das bei der großen Fluktuation, die sonst in unserer Branche üblich ist. Mama hat immer gesagt, die Mitarbeiter sind für sie wie eine Familie.“
„Na ja“, meinte Hark. „Aber sie würden doch andere Jobs finden. Es ist ja derzeit nicht so, als herrschte in der Hotellerie ein Überfluss an Arbeitskräften.“
„Mag sein“, stimmte Kaja ihm zu. „Nur wären diese Jobs nicht unbedingt auf Amrum. Hier leben aber ihre Familien. Es wäre ein einziges Chaos, und das für Mitarbeiter, die ihre Arbeit immer perfekt gemacht haben. Ein Team, das gut funktioniert, soll man nicht auseinanderreißen.“
„Ich traue dir nicht zu, dass du das Hotel erfolgreich führst“, sagte Hark ihr plötzlich knallhart ins Gesicht. „Du hast nie ein Hotel geleitet. Und schau dir Vater an. Er hat keine Kraft mehr. Ich bin dafür, das Hotel zu verkaufen.“
Kaja hatte immer gewusst, dass sie mit Hark auf keinen gemeinsamen Nenner kam. Das war von Kindheit an so gewesen. Wenn sie schwarz sagte, sagte er weiß, wenn sie links wollte, wollte er rechts. Schon als Kinder hatten sie sich ständig gestritten. Doch das war harmlos gewesen im Vergleich zu dem, was sich jetzt zusammenbraute.
Das Hotel war Mamas Werk, ihr Vermächtnis. Es sollte in der Familie bleiben. Und wie Mama hatte Kaja von Kindheit an gewusst, dass sie ein Hotel führen wollte. Das Hotel und sie passten perfekt zusammen.
Nun mischte sich Elin ein und kam ihr zur Hilfe. „Wenn jemand Mutter ersetzen kann, dann Kaja!“
Hark sah sie mit gerunzelter Stirn an: „Wieso denkst du das?“
„Kaja hat die perfekte Ausbildung“, erklärte Elin. „Angefangen hat sie hier im Hotel und ist immer noch mit dem Personal auf Du. Schließlich war sie in all ihren Berliner Jahren ganz oft zu Besuch.“
„Das allein reicht nicht“, Hark schüttelte den Kopf. „Wer nichts von Betriebswirtschaft versteht, der kann kein Hotel führen.“
„Aber du weißt schon, dass ich mich zur Fachwirtin im Gastgewerbe fortgebildet habe?“, fragte Kaja spitz.
„Sie hat in verschiedenen Berliner Hotels gearbeitet, und jetzt ist sie Assistentin des Direktors eines großen Themenhotels“, fügte Elin hinzu. „Und das, obwohl sie erst einunddreißig ist.“
Kaja hätte Elin umarmen können. Hark schwieg erst einmal. Sie glaubte kaum, dass sie ihn überzeugt hatten, aber wahrscheinlich musste er verarbeiten, dass er gegen die geballte Macht der Schwestern stand.
„Papa“, sagte sie in einem möglichst milden Tonfall. „Gib mir wenigstens das Passwort deines Computers. Das Hotel gehört zum Teil auch mir. Ich habe ein Recht, mir selbst ein Bild zu machen, wie es dasteht.“
Joris sah sie eine Weile ausdruckslos an, als wäre er in Gedanken anderswo. Dann nickte er knapp, notierte ein paar Buchstaben und Ziffern auf einem Zettel und reichte ihn ihr.
„Danke“, sagte Kaja. „Ich möchte nicht, dass das Hotel verkauft wird. Das kann ich jetzt schon sagen. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit es der Familie erhalten bleibt. Einem Verkauf werde ich niemals zustimmen. Das Hotel Dünenglück gehört zu uns.“
Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter erbt Kaja einen Anteil am traditionsreichen Familienhotel Dünenglück auf der Nordseeinsel Amrum. Während ihr Vater und ihr Bruder das Hotel verkaufen wollen, kämpft Kaja um den Erhalt. Unterstützung findet Kaja bei ihrer Zwillingsschwester und dem Schauspieler Gerrit. Mit einer kreativen Idee könnten sie es gemeinsam schaffen, den Verkauf zu verhindern, doch der Druck ist hoch. Gerrits Nähe lässt in Kaja längst vergessene Gefühle und Träume wachsen, doch seine eigene Vergangenheit stellt die wachsende Liebe auf eine harte Probe. Und gerade als Kajas Pläne aufzugehen scheinen, reist Gerrit unerwartet ab – kann Kaja ihr Hotel und ihr Herz retten?
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- Artikel-Nr.: SW9783989985360458270
- Artikelnummer SW9783989985360458270
-
Autor
Barbara Ostrop
- Verlag dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
- Seitenzahl 295
- Veröffentlichung 01.03.2025
- ISBN 9783989985360