Befehl ausgeführt

Ostfront am Dnepr, Rückzug. Der Gefreite Moll erhält den Befehl, mit vier Kameraden die Strommasten eines ukrainischen Dorfes abzusägen, um Holz für den Ausbau der Stellung zu gewinnen. Vor dem Dorf trifft er auf eine Hochspannungsleitung und gibt den Befehl, diese Masten abzusägen. Moll erinnert sich an verbrannte Dörfer und viele Tote, die sie auf dem Rückzug zurückgelassen haben. Das will er nicht mehr mitmachen. Moll wusste nicht, dass die Fünf die Haupttelegrafenleitung vom Regimentsstab zum Oberkommando - Heeresgruppe Süd zerstört hatten. Natürlich hat er das bei der Verhandlung nicht gesagt, aber er war stolz auf sich... alles anzeigen expand_more

Ostfront am Dnepr, Rückzug. Der Gefreite Moll erhält den Befehl, mit vier Kameraden die Strommasten eines ukrainischen Dorfes abzusägen, um Holz für den Ausbau der Stellung zu gewinnen. Vor dem Dorf trifft er auf eine Hochspannungsleitung und gibt den Befehl, diese Masten abzusägen. Moll erinnert sich an verbrannte Dörfer und viele Tote, die sie auf dem Rückzug zurückgelassen haben. Das will er nicht mehr mitmachen. Moll wusste nicht, dass die Fünf die Haupttelegrafenleitung vom Regimentsstab zum Oberkommando - Heeresgruppe Süd zerstört hatten. Natürlich hat er das bei der Verhandlung nicht gesagt, aber er war stolz auf sich und dachte nur an seine Frau und seine beiden Söhne.



„Gefreiter Moll!“, sagte mein Unteroffizier, „gehen Sie mit fünf Mann Bunkerholz machen. Aufpassen: Durchs Dorf zieht sich eine Lichtleitung, die ist natürlich außer Betrieb. Diese Masten sägen Sie ab. Nachts drei Uhr kommen die Fahrzeuge. Bei Anbruch des Morgens muss die Sache erledigt sein.“

Wir sechs machten uns fertig, nahmen die Schrotsägen und gingen.

Eigentlich freute sich jeder auf diese Arbeit. Sie hatte Vorteile. Man fror nicht, brauchte nicht die lange Nacht in einem Loch zu hocken und auf den Fluss hinabzustarren. Der Fluss machte einen fertig, so, als spräche er immer.

Einen Kilometer lagen die Gräben schon hinter uns. Die Wolken vor dem Mond leuchteten manchmal schneeweiß, wurden grau, zerrissen und jagten wie Fetzen über die weiße Scheibe.

Es war Vollmond. Trat er für Sekunden hervor, bellte es vom anderen Ufer und machte „Ft–ft–sst“.

Natürlich hatten sie uns gesehen.

Wie kleine, gefährliche Drohungen zischelten die Geschosse in das aufgeweichte Feld. „Plubs!“, machte es.

Wir liefen weiter. Sechs Kilometer sollten es bis zum Dorfe sein. Und das heißt Bilbasowka. Noch sahen wir nichts.

„Trag du auch mal die Säge!“, sagte einer und reichte sie einem anderen.

Die Säge war nicht schwer, aber Tragen ist ein besonderer Begriff für den Soldaten. Etwas tragen heißt zusätzliche Kräfte verbrauchen. Die kann man sich sparen, wenn ein anderer trägt. Und jeder versucht dabei den anderen ein paar Schritte länger tragen zu lassen.

Endlich sahen wir die Umrisse des Dorfes und noch etwas: Masten. Das waren aber nicht die im Dorfe, sondern diese Masten standen auf freiem Feld. Also andere.

Fast andächtig blieb ich stehen. Wie feinklingende schwarze Stäbe standen die Masten da. Der Wind schnitt sich an den Drähten, und leises Pfeifen und Singen schwang in der Luft.

„Los, wir sägen die um!“, sagte ich zu den anderen. Und noch bevor einer etwas erwidern konnte, fügte ich hinzu: „Das ist viel bequemer. Im Dorf bleiben die Drähte beim Fallen der Masten an den Dächern hängen, und wir – wir haben bloß Scherereien.“

Ja, so sagte ich.

Keiner widersprach zunächst, bis einer meinte: „Na los, fangen wir an!“

„Quatsch nicht’“, sagte schroff ein anderer zu mir. „Die Leitung ist vielleicht noch in Betrieb. Sonst hätte der Unteroffizier nicht gesagt, wir sollen die im Dorf absägen!“

„Nichts ist in Betrieb“, fuhr ich dazwischen, „gar nichts. Das sind alte Leitungen. Was soll denn da in Betrieb sein? Los, wir fangen an!“



Am 13. Juli 1924 in Reichenau in Sachsen geboren. Kurt David absolvierte nach dem Besuch der Handelsschule eine kaufmännische Ausbildung. Von 1942 bis 1945 nahm er als Soldat der Wehrmacht am Zweiten Weltkrieg teil. Von 1945 bis 1946 war er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Den Plan einer Ausbildung zum Musiker musste er wegen einer Kriegsverwundung aufgeben. David gehörte vier Jahre der Volkspolizei der DDR an und war anschließend zwei Jahre lang Kreissekretär beim Kulturbund der DDR. Seit 1954 lebte er als freier Schriftsteller zuerst in Oberseifersdorf/Zittau, danach bis zu seinem Tod in Oybin. In den 1960er Jahren unternahm er mehrfach Reisen in die Mongolei und durch Polen. 1970 erhielt er den Alex-Wedding-Preis, 1973 den Nationalpreis, 1980 den Vaterländischen Verdienstorden und 1984 den Lion-Feuchtwanger-Preis. Er starb am 2. Februar 1994 in Görlitz.

Davids frühe Werke haben die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg zum Thema. Es folgten Bände mit Reiseberichten. Den größten Teil in Davids Werk bilden die Kinder- und Jugendbücher, von denen vor allem der humoristische Band „Freitags wird gebadet“ in der DDR ein großer Publikumserfolg, auch in der Fassung als Fernsehserie, war. Eine weitere Facette in Davids Schaffen bilden historische Romane, die Themen aus der Geschichte der Mongolen behandeln. Außerdem schrieb David Biografien über die Komponisten Beethoven und Schubert.

weniger anzeigen expand_less
Weiterführende Links zu "Befehl ausgeführt"

Versandkostenfreie Lieferung! (eBook-Download)

Als Sofort-Download verfügbar

eBook
4,99 €

  • SW9783965218628458270.1

Ein Blick ins Buch

Book2Look-Leseprobe

Andere kauften auch

Andere sahen sich auch an

info