Petermännchen
Der Schweriner Schlossgeist
Der Schweriner Schlossgeist Petermännchen ist die merkwürdigste Sagengestalt Deutschlands. So urteilte der mecklenburgische Volkskundler Richard Wossidlo (1859 - 1939). Das kann gut sein. Vom Petermännchen gibt es nicht allein mehr als 700 Überlieferungen -eine außergewöhnlich große Zahl für eine einzige Sagenfigur. Dieser Schlossgeist ist auch außergewöhnlich eigenschaftsreich und hat ganz seltsame Eigenheiten. Er ist zwar ein Hausgeist des Schlosses, eine Wohnung und eine Schatzkammer hat er aber auch im See, und in einem Berg soll er eine Schmiede betreiben. Er wandelt auf der Erde und unter der Erde, kann aber auch durch die Luft reiten. Er macht sich unsichtbar, neckt, lohnt und straft und sagt wie ein Orakel Ereignisse voraus. Und er ist verzaubert, kann jedoch erlöst werden, und das auf ganz unterschiedliche und wundersame Art und Weise. So geheimnisvoll wie das Erscheinen und die Erlösung, so geheimnisvoll sind die Herkunft, die äußere Gestalt und selbst der so einfach klingende Name des Schlossgeistes.
All dem gehen die beiden Autoren in diesem Buch nach. Angeregt durch die 2006 vom Kulturverein Sagenland Mecklenburg-Vorpommern e. V organisierte erste wissenschaftliche Konferenz zum Schweriner Schlossgeist legen sie hier eine überarbeitete Fassung ihres erstmals 1992 erschienenen Buches vor.
INHALT:
Von der Vielgestaltigkeit des Petermännchens: Der weise Schalk im Märchenschloss
Der unmittelbare historische Hintergrund: Ein Zwerg verteilt Ohrfeigen (Aberglaube und Furcht)
Aus einem kleinen Wängen "wird" ein Schlossgeist: Wahrheit und Dichtung - ein Schicksal von Realitäten
Ein Kuriosum: Gestalt und Gestaltung des Geistes (Geheimnisvolle Verwandlung; Die Erfindung der Stelzen)
Petermännchens Vor- und Familiengeschichte: Vom Königreich ins Franziskanerkloster (Der verwunschene Königssohn; Die Gottheit mit Laterne und Schwert; Ein Teufelsgespenst an heiliger Stätte; Wieder beim kleinen Mängen angelangt)
Weshalb heißt der Schlossgeist Petermännchen: Vom Necknamen bis zum heiligen Petrus
Wie Petermännchen erlöst werden kann: Leben durch Sterben - die Bluttat
Wo Petermännchen wohnt und seine Schätze bewahrt: Im Berg, unter Wasser und im Schloss
Vom Glauben an die Existenz des Schlossgeistes: Was Menschen sich so denken
Anhang: Ein Protokoll
Nachricht von dem kleinen Mängen
Benutzte Literatur (Auswahl)
Von der Vielgestaltigkeit des Petermännchens: Der weise Schalk im Märchenschloss
Der unmittelbare historische Hintergrund: Ein Zwerg verteilt Ohrfeigen (Aberglaube und Furcht)
Aus einem kleinen Wängen "wird" ein Schlossgeist: Wahrheit und Dichtung - ein Schicksal von Realitäten
Ein Kuriosum: Gestalt und Gestaltung des Geistes (Geheimnisvolle Verwandlung; Die Erfindung der Stelzen)
Petermännchens Vor- und Familiengeschichte: Vom Königreich ins Franziskanerkloster (Der verwunschene Königssohn; Die Gottheit mit Laterne und Schwert; Ein Teufelsgespenst an heiliger Stätte; Wieder beim kleinen Mängen angelangt)
Weshalb heißt der Schlossgeist Petermännchen: Vom Necknamen bis zum heiligen Petrus
Wie Petermännchen erlöst werden kann: Leben durch Sterben - die Bluttat
Wo Petermännchen wohnt und seine Schätze bewahrt: Im Berg, unter Wasser und im Schloss
Vom Glauben an die Existenz des Schlossgeistes: Was Menschen sich so denken
Anhang: Ein Protokoll
Nachricht von dem kleinen Mängen
Benutzte Literatur (Auswahl)
Petermännchens Vor- und Familiengeschichte
Vom Königreich ins Franziskanerkloster
Zunächst ein kleiner Exkurs zu unserer Forschungsmethode. Der Mecklenburger Heinrich Schliemann (1822 bis 1890) fängt in seinem fünften Lebensjahrzehnt ein neues Leben an, er wird Archäologe, und dazu einer der berühmtesten. Er liefert wesentliche Bausteine zur Entdeckung Trojas, mit dem wiederum Homers „llias" verbunden ist, eines der bedeutendsten literarischen Werke der europäischen Kulturgeschichte.
Der Trojanische Krieg war ca. 1200 vor der Zeitrechnung. Homer schrieb sein Epos mit den Sagen über diesen Krieg ca. 400 Jahre später. Es ist die Geschichte von dem trojanischen Prinzen Paris und den Göttinnen Athene, Hera und Aphrodite, vom Raub der schönen Helena und dem dadurch veranlassten Krieg der griechischen Könige Menalaos, Odysseus und Agamemnon mit ihrer Heldenschar gegen Troja. Und die Götter der Griechen und Trojaner kämpfen kräftig mit.
Wie geht Schliemann nun vor, um Troja zu finden, von denen einige Forscher sogar meinten, es existierte gar nicht? Schliemann forscht in den Sagen, in der künstlerisch gestalteten Sagenwelt der Götter, Halbgötter und der irdischen Helden, nach Spuren für die wirklichen Ereignisse. Er entdeckt geographische und lokale Angaben, geht ihnen nach und findet schließlich jenen Hügel, auf dem Troja lag. Die Sagendichtung Homers ist ihm Kompass bei seinen Erkundungen mit dem Spaten.
Diese Methode möchten wir auch beim Petermännchen anwenden. In den Sagen sollten Spuren jener Wirklichkeit zu finden sein, die Anlass der Sagen wurde. Und da finden wir: Es gibt eine ganze Reihe von Überlieferungen, die sich ganz und gar nicht mit dem Auftreten eines Zwergs im 18. Jahrhundert erklären lässt. Sie weisen auf Geschehnisse in viel früheren Zeiten. Zudem besitzen sie unterschiedliche, ja gegensätzliche soziale Inhalte. In einigen Sagen agiert der Schlossgeist als Beschützer der mecklenburgischen Herrscher, in anderen gehen mit seiner Erlösung Fürstenhaus samt Schloss in Blut und Wasser unter. Und sie stehen mit ihrer Erklärung der Herkunft des Schlossgeistes ganz und gar im Gegensatz zu den Berichten aus dem 18. Jahrhundert.
Ob es bereits vor den Ereignissen mit dem kleinen Mängen Sagen um einen Schlossgeist gab, lässt sich zwar nicht sicher ermitteln. Der im 18. Jahrhundert vorgenommene bildliche Rückgriff auf das o. g. Rundbild und somit auf eine Gestalt des Dreißigjährigen Krieges ist aber ein Indiz dafür, dass Sagen über den Schlossgeist schon seit längerem kursierten. Warum sonst wählte man gerade diese ältere Darstellung und nicht die Beschreibung der Gestalt durch die Witwe Gardemin?!
Es gibt zudem die Sage von der Vertreibung Wallensteins aus dem Schweriner Schloss und die Überlieferung des Schweriner Konditors Sattler, Petermännchen sei ein verstoßener Sohn dieses Feldherrn. Beide könnten durchaus ein Beleg für ein höheres Alter der Sagenfigur sein. Das Gegenargument, sie wären erst im Nachhinein entstanden, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, mit dieser Methode kann man allerdings viele Überlegungen auf ganz einfache Art vom Tisch wischen; im Bereich der Sagenforschung haben wir es ja zumeist mit zeitlich nicht leicht fest zu machenden mündlichen Überlieferungen zu tun.
Ob die folgende Überlieferung vom historischen Stoff her mit dem 30-jähriger Krieg (1618 - 1648), einem sogenannten Religionskrieg, zusammen hängt oder mit der von Luther 1517 eingeleiteten Reformation, ist völlig unbestimmt: „Petermännchen hett einen Preester inmuern laten in dat Muerwerk in dat oll Sloss Swerin wägen den Globen. De Preester hett nich den Globen annehmen wullt. De hett em verwünscht vor sinen Doot" (Petermännchen hat einen Priester einmauern lassen im Mauerwerk der alten Schlosses Schwerin, wegen des Glaubens. Der Priester hat nicht den Glauben annehmen wollen. Der hat ihn verwünscht vor seinem Tode). Der genannte Zusammenhang ist lediglich denkbar, weil es solches Verhalten von Landesherren seinerzeit eben gab. Wie sonst sollen die Gewährsleute Wossidlos auf solch ein Sagenmotiv gekommen sein. Solche gewissermaßen zwingenden Vermutungen sind in der Sagenforschung unvermeidlich.
Wie soll man die folgenden Überlieferungen deuten: „Petermännchen de richtige Thronerbe was, de is bedragen worden um sein Erbe, ist verwünscht." (Petermännchen ist der richtige Thronerbe gewesen, der ist betrogen worden um sein Erbe, ist verwünscht.)
Auf die Frage, wer Petermännchen verwünschte, erhielt Wossidlo zur Antwort: „Dat sünd wol drei wäst, wie ik hürt heff; he is de Ollste wäst, em is da bikamen, den Thron to kriegen. Öwer de annern beiden hebben em verwünscht. He is so lütt wäst, dorüm heit he jo Petermännchen. De annern beiden hebben em trügstöten wullt." (Das sind wohl drei gewesen, wie ich gehört habe: er ist der Älteste gewesen, ihm ist es zugekommen, den Thron zu kriegen. Aber die anderen beiden haben ihn verwünscht. Er ist so klein gewesen, darum heißt er ja Petermännchen. Die anderen beiden haben ihn zurückstoßen wollen). Es ist sehr wohl möglich, dass dies alles ein Reflex der vielen Streitigkeiten bei der Thronfolge in der Herrscherfamilie war. Das Erstgeburtsrecht wurde sehr spät durchgesetzt (1701). Aber sicher ist da nichts -das Einzige ist: Die Überlieferungen werden nicht ohne Grund entstanden sein.
Nun gibt es auch Sagen bzw. Berichte, die zeitlich noch weiter zurückführen und auf einen ganz anderen geschichtlichen Hintergrund deuten. Nehmen wir also den Faden wieder auf, den wir bei Johann Friedrich Löwens Deutung vorerst aus der Hand gelegt hatten. Bei ihm erschien der Schlossgeist als Geist Niklots, des letzten freien Obotritenfürsten und Ahnherrn des mecklenburgischen Fürstengeschlechts. War das eine Erfindung Löwens, oder existierte diese Sicht schon länger?
Erika Borchardt:
Jahrgang 1944, Diplom-Kulturwissenschaftlerin
Fachverkäuferin für Lebensmittel, als Lehramtsanwärterin kombiniertes Direkt- und Fernstudium für Mathematik und Technisches Zeichnen, danach im Kulturbereich tätig und vier Jahre Fernstudium der Kultur- und Leitungswissenschaft sowie weitere fünf Jahre Fernstudium der Kulturwissenschaft. War über ein Jahrzehnt wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schlossmuseum Schwerin. Mitbegründerin des Kulturvereins Sagenland Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Autorin von wissenschaftlichen Arbeiten zur mecklenburgischen Kulturgeschichte und mehreren Erzählbüchern, vor allem mit Petermännchen-Geschichten. Daneben Hör- und Puppenspiele sowie ein Bühnenstück. Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann Dr. Jürgen Borchardt.
Bibliografie:
Wie Petermännchen zu Hut und Stelzen kam
Petermännchen. Der verwunschene Prinz
Mecklenburgs Herzöge
Petermännchen. Der Poltergeist
Petermännchen. Der Schweriner Schlossgeist
Petermännchen. Der geheimnisvolle Zwerg
Der habgierige Fischer. Puppenspiel
Bei Petermännchen zu Gast. Hörspiel
Das Geheimnis der Felsengrotte
Im Paradies des Verkehrsteufels. Ein Bühnenstück für Kinder
Schloss Basthorst. Architektur und Geschichte
Das sagenhafte Schwerin
Sagenhafte Orte. Um den Schweriner See
Zwei Kahnschnecken voller Gold. Sagengeschichten aus Pinnow, Godern und Raben Steinfeld
Jürgen Borchardt
Jahrgang 1944, Dipl.-Germanist und Anglist, Dr. phil.
War Leistungssportler, Beton- und Straßenbauer. Arbeitete nach dem Hochschulstudium als Philosoph, Journalist sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Landesbibliothek Schwerin. Ehrenamtlich in der Filmklubbewegung der DDR sowie im Kulturbund tätig. Vorsitzender des Kulturvereins Sagenland Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Autor und Herausgeber von Geschichten sowie literatur- und kulturhistorischer Arbeiten über Mecklenburg. Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Erika Borchardt.
Bibliografie:
Mecklenburgs Herzöge
Petermännchen. Der Schweriner Schlossgeist
Petermännchen. Der geheimnisvolle Zwerg
Zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Protokolle von Gesprächen mit Zeitzeugen aus Schwerin 1945-52
Schloss Basthorst. Architektur und Geschichte
Das sagenhafte Schwerin
Sagenhafte Orte. Um den Schweriner See
Zwei Kahnschnecken voller Gold. Sagengeschichten aus Pinnow, Godern und Raben Steinfeld
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- Artikel-Nr.: SW9783931646837
- Artikelnummer SW9783931646837
-
Autor
Erika Borchardt, Jürgen Borchardt
- Wasserzeichen ja
- Verlag EDITION digital
- Seitenzahl 123
- Veröffentlichung 01.11.2007
- ISBN 9783931646837
- Wasserzeichen ja