Chagrans Thron - Band 1
Ein galaktisches Abenteuer beginnt!
Rikan, das größte aller Reiche der Galaxis: Lange galt der Planet unter seinem gottgleichen Herrscher als unbesiegbar – bis seine mächtigen Raumkreuzer den winzigen Piratenschiffen der mädchenhaften Sam unterliegen. Kronprinz Rardon wird als Geisel übergeben, eine Schmach ohne Gleichen!
Auf der Reise in die Tiefen des unendlichen Raums erkennt Rardon, dass er mit der Weltraumpiratin mehr gemeinsam hat als einige manipulierte Gene. Sam ist die Urenkelin des mächtigsten Tyrannen der Geschichte, Chagran VII. Doch ein noch größerer Feind ist im Anmarsch und bedroht alle intelligenten Völker der Galaxis …
Band 1 des Science-Fiction Zweiteilers von Tatjana Stöckler.
Sams Pupillen weiteten sich von feinen Strichen hin zu Kreisen, die wie tiefe Löcher wirkten. Vom einen Extrem zum anderen und wieder zurück brauchte sie Sekundenbruchteile. Ike kniff seine Lider zusammen und schüttelte den Kopf. »Du treibst mich in den Irrsinn. Kannst du nicht mal stillhalten?«
Der Blick der Drakulonierin schoss zu dem Tartanen und gleich darauf zu den Kontroll-Monitoren. »Schau nicht hin, wenn es dich stört«, schnappte sie.
Sicher wusste Ike, dass das Spiel ihrer Pupillen nur ihre Aufregung zeigte. Auch er hätte vor Nervosität am liebsten etwas in seinen Händen zerquetscht. Nur noch wenige Augenblicke. »Wir könnten uns das hier ersparen, wenn du nicht mal wieder maßlos übertrieben hättest.«
Die Aggressivität in seiner Stimme konnte er nicht unterdrücken, genauso wenig wie Sam das Flackern ihrer Pupillen. Nach einem letzten Blick auf die Monitore und den Countdown der Uhr stemmte Sam sich mit einem Seufzer von ihrer Liege hoch und holte das Fläschchen aus dem Wandschrank. Sorgfältig ließ sie je einen Tropfen der Flüssigkeit in ihre Augen fallen, dann blinzelte sie. Während sie mit einer Hand das Medikament zurückstellte, löste sie mit der anderen die Haarspange und entfesselte ihre rote Mähne.
Ike nickte, als sie ihn fragend ansah. »Du siehst aus wie ein Mensch«, konstatierte er.
Die Haare verdeckten ihre spitzen Ohren und der schmale Ring um die Pupillen ließ die Smaragdfarbe nur umso intensiver strahlen. Eigentlich merkwürdig, dass die intelligenten Völker sich körperlich nur durch solche Details unterschieden, obwohl ihre Ahnen nichts miteinander gemein hatten. Alle besaßen sie Arme und Beine, opponierte Daumen, einen Kopf mit zwei nach vorne gerichteten Augen und Ohren an den Seiten. Mit Wesen, die dem nicht entsprachen, wurde die Kommunikation so kompliziert, dass nur heroische Wissenschaftler sich darum bemühten. Wobei es schwierig genug war, jemanden wie Sam zu verstehen, auch wenn sie äußerlich perfekt in das Schema passte. Solange sie nicht zu breit grinste oder gar auf drakulonische Art die Zähne fletschte, würde niemand ihre Fangzähne erahnen. Allerdings konnte der Tartane Sams Begründungen nicht folgen, warum niemand wissen durfte, dass sie eine Drakulonierin war. Sie bestritt, die drei politischen Blöcke gegeneinander aufhetzen zu wollen, auch wenn er ihr genau das unterstellte. Was sollte sie davon haben? Ikes Meinung nach eine Menge: Zu keiner Zeit blühte der Schmuggel mehr als während eines Krieges. Mit ihren Dimensionsschiffen geriete Sam nie zwischen die Fronten, Krieg würde ihre Gewinne maximieren. Trotzdem glaubte Ike ihr, dass sie das nicht beabsichtigte.
Eine Kneipenschlägerei konnte die Drakulonierin genießen, ihre Strafen bei Verstößen gegen die Bordregeln fielen bisweilen drakonisch aus, bei Begegnungen mit Kriegsschiffen ließ sie gerne so lange die Muskeln spielen, bis der gegnerische Kapitän den Schwanz einzog, aber sinnlose Gewalt, wie ein Krieg sie mit sich brachte, das war nicht ihr Ding.
»Nur dass ich jetzt blind wie eine tartanische Abflussschnecke bin.« Sam fauchte ihr Spiegelbild an.
Und wenn schon. Sie sah ohnehin erschreckend schlecht und orientierte sich mit Sinnen, die Ike sich nicht einmal vorstellen konnte. Wenn er nur daran dachte, schwindelte ihm. Welche ungeheure Hirnkapazität mochte nötig sein, die Sinneseindrücke sämtlicher verfügbaren Lebewesen zu verarbeiten, damit Sam ein Bild der Umgebung erlangte? Nicht davon zu reden, welche Fähigkeiten nötig waren, diese Bilder überhaupt zu empfangen und mit welcher Selbstverständlichkeit sie auch seine Sinne anzapfte.
Diese Katze mochte ihm so oft sie wollte versichern, dass sie seine Gedanken dabei nicht berührte, das unangenehme Gefühl blieb. Obwohl er sich längst daran gewöhnt haben sollte. Wenn sie etwas im Schilde führte, hätte sie ihm schließlich nicht sagen müssen, dass sie ständig mit einem Finger in seinem Hirn steckte.
»Dreißig Sekunden«, unterbrach sie seine Gedankengänge.
Ike straffte die Schultern. Seine Uniform saß perfekt.
»Zwanzig Sekunden.«
Sam zog einen Mundwinkel hoch und grinste ihr Spiegelbild an, das trotzdem nur ein halb erwachsenes Mädchen zeigte.
»Zehn Sekunden.«
Mit einem verärgerten Runzeln der Stirnbuckel vertrieb Ike ein Lächeln über ihre vorgetäuschte Bösartigkeit.
Jetzt kam es drauf an.
Wie einen Messerstich zwischen die Augen empfand er den Impuls des Transmitters. Am liebsten hätte er losgebrüllt. Stattdessen biss er die Zähne zusammen. Das verstärkte seinen grimmigen Gesichtsausdruck. Gut. Der Schmerz hielt nur Sekundenbruchteile an, was ihn trotzdem nicht bewegen konnte, den Transmitter öfter als unbedingt nötig zu benutzen.
Das Licht war so grell, dass selbst Ike blinzeln musste. Duftschwaden verbrannter Kräuter umwallten sie. Sam musste Höllenqualen empfinden mit ihrer Katzennase und den weitgestellten Pupillen, denen sie die Möglichkeit genommen hatte, die Netzhaut zu schützen. Wut baute sich in Ike auf, die er vergeblich zu unterdrücken versuchte. Zweifellos rechnete niemand hier mit Sams Empfindlichkeit. Womöglich betrachtete man es als höfliche Geste, den Saal so hell zu beleuchten. Noch ehe er die Gelegenheit bekam, eine Beschwerde zu knurren, umgab ihn plötzlich angenehmes Halbdunkel. Danke, Sam. Gegen den Rauch würde sie nicht so schnell etwas unternehmen können. Im ersten Moment sah Ike gar nichts mehr, dann erschienen vor seinen Augen die Umrisse ihrer Gastgeber. Laute des Erschreckens drangen an sein Ohr.
»Soll ich jemanden erschießen?«, grollte er und legte seine Hand dorthin, wo er seinen Blaster zu tragen pflegte. Riskant, dachte er im gleichen Moment. Wenn doch jemand eine Waffe dabei hätte …
Auf einmal herrschte atemlose Stille. Also waren die Rikanier unbewaffnet und befürchteten, dass ihre Gäste sich nicht an die Regeln hielten. Gut. Dabei hatte Sam gerade bewiesen, dass sie keine Waffe brauchte. Sam war die Waffe. Genauso, wie sie eine Lampe ausknipste, konnte sie das auch mit dem Gehirn eines Humanoiden machen.
Eine Frau! Ike fühlte deutliches Entsetzen, als er sich auf die Aura der Rikanier konzentrierte. Diese notorischen Patriarchen!
Mittlerweile erkannte Ike die Gestalten deutlich. Zwei Männer im Vordergrund, das mussten Rardon XCV. und der Kriegsfürst Kendrick sein, dahinter zwei Frauen. Arlenia hieß die Gattin des Herrschers, eine ausgesprochene Schönheit. Wer die andere war, wusste er nicht. Standen zwei Kinder neben ihnen? Etwas weiter entfernt sah Ike die Schemen von etlichen anderen Rikaniern. Er fixierte die beiden vorne, von denen einer deutlich hochgewachsener als der andere war, aber lange nicht an Ikes Größe herankam. Dafür überragte der Rikanier Sam um eineinhalb Köpfe, was keine Kunst bedeutete.
»Sie befinden sich in Gegenwart Seiner Majestät des Herrschers, Rardon des fünfundneunzigsten Bewahrers der sieben Planeten, des allmächtigen …«
»Schon gut!«, unterbrach Sam den Sprecher, bevor er alle fünfundneunzig Titel aufzählen konnte, einer für jeden Herrscher der Dynastie. Ike atmete auf, als der Wortschwall abrupt abbrach. Nichts hasste er mehr als Zeremonien.
Sam trat einen Schritt vor und Ike besann sich auf die Rolle, die er spielen sollte. Er senkte den Kopf und wich zur Seite, um Sam Platz zu machen.
»Der Herrscher und der Kriegsfürst. Rardon und Kendrick also.« Für diese Information brauchte Sam keinen Geheimdienst. Ihre Stimme schallte laut durch die Halle. Ike sah sich unauffällig um, solange die Aufmerksamkeit auf ihr lag. So viele Personen, wie er anfänglich angenommen hatte, befanden sich gar nicht hier. Nicht einmal eine Handvoll Beamter in ihren juwelenbestickten Roben drängte sich im Hintergrund des prächtigen Saales. Zwei große Jungen hielten sich in der Nähe der beiden Frauen. Leibwächter? Nein, keinesfalls. Erstens zu jung, zweitens fehlte die typische Ausstrahlung der Wachsamkeit und des Misstrauens. Vielleicht die Söhne? Nein, auch unwahrscheinlich. Existierte nicht sogar ein Gesetz, nach dem sich der Herrscher und sein Sohn nicht zusammen in einem bestimmten Umkreis aufhalten durften, um im Falle eines Attentats nicht die Kontinuität der Dynastie zu gefährden? Auf Rikan gab es für alles eine Vorschrift.
Da sie keine Antwort erwartete, sprach Sam weiter. »Hat also endlich jemand den Verantwortlichen mitgeteilt, was der Rest des Universums von rikanischen Strafzöllen hält?«
Wie klein Sam wirkte. Sie trug verborgen unter ihrem Rock hohe Stöckelabsätze, trotzdem musste sie den Kopf recken, um dem Kriegsfürsten ins Gesicht zu sehen.
Er wich einen halben Schritt zurück, hielt aber den Blick auf Sam gerichtet. »Sie können davon ausgehen, dass ich über den Verlust von 7500 Kriegsschiffen informiert werde.«
Nur mit Mühe konnte Ike die Überraschung aus seinem Gesicht fernhalten. 7500? Als er noch im Dienst der Tartanischen Flotte gestanden hatte, redeten die Geheimdienste über eine Gesamtzahl von Zehntausend. Das bedeutete, dass Sam innerhalb von längstens drei Jahren dreiviertel der rikanischen Flotte beseitigt hatte! Mit Sicherheit wusste niemand, dass Sam über weniger als hundert Schiffe verfügte. Das ahnten ja nicht einmal ihre eigenen Piloten. Jetzt wunderte es Ike nicht mehr, vom rikanischen Herrscher persönlich empfangen zu werden.
Auch Sam konnte eine gewisse Verblüffung nicht völlig verbergen. Sollte sie etwa gar nicht wissen, was sie da angestellt hatte? Katzen und ihr verdammter Spieltrieb! Ein Beweis dafür, dass es keine Götter gab. Denn wer von denen hätte die Verantwortungslosigkeit, einem Kind eine solche Waffe in die Hand zu geben?
»Und? Genug gespielt, Kendrick? Oder wollen wir die nächste Runde eröffnen?«
Im Alter von acht Jahren entdeckte Tatjana Stöckler die Science-Fiction Ecke der Stadtbibliothek – und biss sich fest. Die Leidenschaft ließ sie nie wieder los: Sie absolvierte eine wissenschaftliche Ausbildung, heiratete einen Informatiker und lebt heute in der Nähe der europäischen Weltraumzentrale in Darmstadt. Dennoch leben ihre Science-Fiction Romane nicht nur von der Technik der Zukunft, sondern von ihren Charakteren, ob Mensch oder Alien.
Tatjana Stöckler ist eine vielseitige Autorin: Sie ist bekannt für ihre historischen Romane und schreibt auch in anderen Genre vom Liebesroman bis zum Horror. Im Eridanus Verlag erschien von Tatjana Stöckler das zweiteilige Science-Fiction Abenteuer »Chagrans Thron«.
Versandkostenfreie Lieferung! (eBook-Download)
Als Sofort-Download verfügbar
- Artikel-Nr.: SW9783946348023