Expedition in die Vergangenheit

Terra-Utopia – Band 1

Zwei Expeditionen. Hier drei Menschen, die tief im Amazonasdschungel eine uralte Anlage finden, die sie zunächst für einen Tempel halten. Als sie die Anlage erforschen, stellen sie schnell fest, dass dies nicht stimmt. Dort drei Wesen von einer fremden Welt, die ein Raumschiff stehlen, um das Schicksal einer seit langer Zeit verlorenen Kolonie zu klären. Dann kommt es zu einem dramatischen Aufeinandertreffen. Ein deutscher SF-Bestseller in Neuauflage. "Ich habe eine interessante Entdeckung gemacht, die ich euch gerne zeigen möchte. Ich befinde mich im Augenblick im Raum vierhundertzehn im untersten Stockwerk des Archivs". "Wir kommen", antwortete... alles anzeigen expand_more

Zwei Expeditionen. Hier drei Menschen, die tief im Amazonasdschungel eine uralte Anlage finden, die sie zunächst für einen Tempel halten. Als sie die Anlage erforschen, stellen sie schnell fest, dass dies nicht stimmt.



Dort drei Wesen von einer fremden Welt, die ein Raumschiff stehlen, um das Schicksal einer seit langer Zeit verlorenen Kolonie zu klären.



Dann kommt es zu einem dramatischen Aufeinandertreffen.



Ein deutscher SF-Bestseller in Neuauflage.



"Ich habe eine interessante Entdeckung gemacht, die ich euch gerne zeigen möchte. Ich befinde mich im Augenblick im Raum vierhundertzehn im untersten Stockwerk des Archivs".

"Wir kommen", antwortete Keltar‑Birt knapp. Homger‑Veit sagte gar nichts. Torgen‑Shan war sicher, dass sich die beiden mit höchster Eile auf den Weg machen würden.

Es war ungewöhnlich, dass er seine Freunde bei ihrer Tätigkeit unterbrach. Normalerweise trafen sie sich nach Beendigung des festgelegten Tagespensums in Torgen‑Shans geräumiger Wohneinheit, um die Erkenntnisse der vergangenen Arbeitsperiode auszuwerten und um Pläne für die weitere Vorgehensweise zu machen. Doch hier lag schließlich eine außergewöhnliche Entdeckung vor.

Die Tür des Raumes glitt mit leisem Summen zur Seite, und KeltarBirt, der etwa im gleichen Alter Torgen‑Shans sein mochte, trat ein.

Er war einen Kopf kleiner als Torgen‑Shan und etwas korpulenter. Auf seinem kahlen Schädel hatte er mit einem selbstgefertigten Schmuckband einen Trantorstein befestigt, jene farbig schillernden Gebilde, die nur unter großen Gefahren aus den Sümpfen in der südlichen Hälfte des Planeten geborgen werden konnten. Keltar‑Birt war sehr stolz auf diesen Fund und ließ keine Gelegenheit aus, von seiner gewagten Expedition zu erzählen.

"Was hast du entdeckt?" platzte er sofort heraus. "Deine Stimme klang sehr aufgeregt". Er raffte das weiße, fließende Gewand enger, das er, ebenso wie Torgen‑Shan und auch Homger‑Veit, trug und das die Männer als Angehörige der hochgeachteten Kaste der Wissenschaftler auswies.

Während Keltar‑Birt näherkam, dachte Torgen‑Shan belustigt daran, dass er seinen Freund nicht täuschen konnte. Schon mehrere Planetenumläufe arbeiteten sie eng zusammen, deshalb kannten sie sich sehr genau. Doch noch bevor er antworten konnte, betrat Homger‑Veit, sein zweiter Assistent, das Archiv.

Er arbeitete nicht, wie Keltar‑Birt, in Torgen‑Shans Team, das sich mit der Erprobung neuer Techniken zur Energiegewinnung befaßte Trotzdem war er ein enger Freund des von ihm wegen seiner gewagten Spekulationen bewunderten Wissenschaftlers. Homger‑Veit war jünger als die beiden anderen Männer. Dennoch hatte er auf seinem Spezialgebiet, der Kommunikationstechnik, bereits beachtliche Leistungen aufzuweisen.

Er war von schlanker Gestalt, der man die Zähigkeit, die in ihm steckte, nicht sofort ansah. Auf seiner rechten Wange befand sich dicht unterhalb des Auges eine kleine Narbe, die von dem Kampf mit einem Parbonläufer herrührte, dem gefährlichsten Raubtier des Planeten. Homger‑Veit war einer der wenigen Männer auf Berka‑Lo die eine solche Begegnung überlebt hatten. Dennoch sprach er nicht gerne von diesem Vorfall. Auch er trat näher zu den beiden Männern und sah Torgen‑Shan fragend an.

Der Wissenschaftler schwenkte stolz die Folie.

"Wir sind auf der richtigen Spur!" rief er aus. "Seht, was ich vom letzten Speicherkristall erfahren habe".

Keltar‑Birt nahm ihm ungeduldig das Schriftstück aus der Hand. Er stellte sich so neben Homger‑Veit, dass dieser mitlesen konnte. Schon nach wenigen Zeiteinheiten waren die beiden Assistent Jorgen‑Shans von dem Text gefesselt.

"Das ist fast nicht zu glauben", sagte Homger‑Veit, nachdem er die Information gelesen hatte. Seine Stimme klang ehrfürchtig. "Aus dieser Nachricht geht einwandfrei hervor, dass Erkho‑Thol, der sagenhafte Führer unseres Volkes, der unsere Raumfahrt zu größten Leistungen gebracht haben soll, tatsächlich gelebt hat.

Bestätigend nickte Keltar‑Birt. Noch einmal zitierte er die entsprechende Stelle:

"Im Jahre 834 des Galaktischen Kalenders entschloss sich Erkho-Thol, Maßnahmen zu ergreifen, um der Bedrohung durch die Salgenen entgegenzutreten. Gegen den Widerstand vieler Ratskollegen, die die Gefahr missachteten, baute er Kampfschiffe und rüstete sie mit dem Modernsten aus, das die Berkanesische Technik aufzuweisen hatte. Gleichzeitig schickte er zwei Forschungsschiffe in die Galaxis, die einen geeigneten Fluchtplaneten finden sollten".

Keltar‑Birt sah Torgen‑Shan fragend an.

"Weißt du, wer die Salgenen waren? Ich habe noch niemals von einem solchen Volk gehört".

Torgen‑Shan machte eine unbestimmte Geste.

"Ich auch nicht, gab er zu. "Allerdings erzählen die alten Legenden von einem großen Krieg mit einem anderen Sternenvolk. Den Namen des Volkes habe ich bisher jedoch noch nicht ergründen können".

"Dann weißt du natürlich auch nicht, ob die Forschungsschiffe den gesuchten Fluchtplaneten gefunden haben", stellte Homger‑Veit fest.

"Natürlich nicht", antwortete Torgen‑Shan. Lächelnd deutete er in die Runde. "Aber ich glaube, dass wir in diesem Raum noch manche der Rätsel, die uns die Vergangenheit aufgibt, lösen können. Der Kristall, von dem ich diese Information habe, war erst der zweite, den ich zur Hand genommen hatte. Hier lagern jedoch noch tausende Exemplare. Mit ein wenig Glück finden wir weitere, wichtige Informationsträger, die uns ein genaues Bild von Erkho‑Thol, von seinem Leben und Werk, vermitteln können".

"Das ist phantastisch!" rief Keltar‑Birt begeistert. "Fangen wir gleich an!"

Zustimmend nickte Torgen‑Shan. Die drei Wissenschaftler vom Planeten Berka‑Lot machten sich an die Arbeit. Freudige Rufe bewiesen Torgen‑Shan, dass seine Assistenten ebenfalls wichtige, bisher unbekannte Daten gefunden hatten. Als sie schließlich wieder zu Torgen‑Shan zurückkamen, legte jeder von ihnen einen dicken Stapel Folien auf dessen Arbeitstisch.

"Dieser Raum ist eine wahre Fundgrube für uns", strahlte Homger‑Veit. "Wir werden noch einige Standardtage arbeiten müssen, bis wir alle Fakten ausgewertet haben und uns ein genaues Bild der vergangenen Zeiten machen können. Aber dann, daran gibt es wohl keinen Zweifel mehr, bist du am Ziel deiner Suche angelangt, Torgen‑Shan. Allen Skeptikern kannst du beweisen, dass deine Theorien richtig sind und dass deine bisherige Arbeit nicht umsonst war

Torgen‑Shan lehnte sich erleichtert in seinen Sitz zurück.

"Das ist der wichtigste Augenblick in meinem Leben`, sagte er bewegt. Dankbar sah er seine Freunde an. "Ohne eure Unterstützung hätte ich es nicht geschafft. Jetzt jedoch werden wir die wohlverdiente Ruhepause einlegen. Morgen sehen wir weiter, was die Informationskristalle noch an verlorenem Wissen für uns bereithalten" .



***



Missmutig starrte Steven Hotch auf die undurchdringlich scheinende Pflanzenwand am Ufer des Rio Branco, die an den Booten vorbeiglitt.

"Womit habe ich das nur verdient?" knurrte er.

Zum wer‑weiß‑wievielten Male holte er ein großes, buntkariertes Taschentuch hervor und versuchte, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.

"Geben Sie's auf, Chef", lachte Herb Kenley, der neben ihm an der Bordwand stand. Ihm schien die brütende Hitze nicht das Geringste auszumachen.

Etwas neidvoll wandte sich Steven Hotch um und sah seinen Stellvertreter an. Kenley war mittelgroß und schlank. Sein Körper war sportlich durchtrainiert; er hatte kein überflüssiges Gramm Fett aufzuweisen. Dunkle Augen blickten kühl, fast ein wenig arrogant, aus einem schmalen Gesicht. Das dichte schwarze Haar trug Kenley vorbildlich frisiert. Diese Tatsache hatte ihm bei den anderen Expeditionsmitgliedern schnell den Spitznamen "Dandy" eingebracht.

Allerdings hüteten sich die Männer, diesen Ausdruck in seinem Beisein zu erwähnen. Steven Hotch hatte einmal miterlebt, wie jähzornig sein Vertreter werden konnte, wenn er sich auf den Arm genommen fühlte.

Steven Hotch wandte seinen kantigen, grauhaarigen Schädel zur anderen Seite. "Warum schwitzt dieser Kerl eigentlich nicht genauso wie ich?" beklagte er sich bei Careen Bilmer, dem einzigen weiblichen Teilnehmer der Expedition.

Die Medizinerin warf ihre langen, schwarzen Haare mit einem gekonnten Schwung in den Nacken und lachte ihren Chef mit blitzenden, schneeweißen Zähnen an.

"Es gibt zwei Antworten", sagte sie, während sie einen spöttischen Blick zu Herb Kenley warf. "Als Medizinerin würde ich sagen, dass Herb viel weniger überflüssige Pfunde mit sich herumzuschleppen hat als Sie, verehrter Mr. Hotch. Wie Sie selbst wissen..."

"Schon gut, schon gut", winkte der Boss ab. "Über dieses Thema hatten wir bereits eine ausführliche Diskussion". Er warf einen giftigen Seitenblick auf den breit grinsenden Kenley. "Und die zweite Antwort?"

Careen zuckte betont gleichgültig mit den Schultern.

"Nun, als Kollegin würde ich sagen, dass Mr. Kenley die einzigartige Gabe besitzt, die schwere Arbeit von anderen erledigen zu lassen. Mit dieser Einstellung kann man Schwitzen auch vermeiden".

Steven Hotch brach in lautes Gelächter aus und schlug sich vergnügt auf die Schenkel. "Das ist allerdings eine Neuigkeit", sagte er schadenfroh.

Herb Kenleys Gesicht hatte sich plötzlich verfinstert. Sein brauner Teint wurde noch eine Spur dunkler. Careen bemerkte, dass sie etwas zu weit gegangen war.

"Tut mir leid, Herb", sagte sie hastig. "Ich wollte Sie nicht beleidigen".

"Oh, das haben Sie nicht, Verehrteste, durchaus nicht", sagte der Mann und verzog die Mundwinkel zu einem gekünstelt wirkenden Lächeln .

Steven Hotch räusperte sich. "Wir sollten uns um unsere Arbeit kümmern", sagte er polternd, "statt uns hier zweifelhafte Nettigkeiten an den Kopf zu werfen".

Ohne sich weiter um seine beiden Mitarbeiter zu kümmern, ging er zum Heck des Bootes, wo mehrere Ausrüstungspacken lagerten und machte sich dort zu schaffen.

"Eigentlich müssten wir unser Zielgebiet bald erreicht haben, nicht wahr?" wandte sich Careen Bilmer an Herb Kenley, um das spannungsgeladene Schweigen zwischen ihnen abzubauen. Sofort wurde der junge Mann wieder freundlicher.

"Oh ja", sagte er eifrig. "Ich wusste nicht, dass Sie sich auch um die geografischen Belange unseres Unternehmens kümmern".

Careen lächelte leicht.

"Ich für meinen Teil bin immer bemüht, möglichst umfassend informiert zu sein. Man kann nie wissen, wann man seine Kenntnisse noch dringend benötigt".

"Da haben wir ja direkt eine gemeinsame Auffassung!" rief Herb erfreut aus. "Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen. Wir werden wahrscheinlich in der nächsten Stunde unser errechnetes Ziel erreichen". Er wies auf den Expeditionschef, der noch immer zwischen den Packen herum kletterte. "Der Alte sucht schon nach seinen Karten, wenn ich mich nicht irre. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob wir einen Kilometer mehr oder weniger flussaufwärts an Land gehen. Die größten Strapazen stehen uns noch bevor; wenn wir durch diese unwegsame, grüne Hölle zur Fuß marschieren müssen, um unser Arbeitsgebiet zu erreichen. Außerdem müssen wir einen geeigneten Lagerplatz finden" .

"Glauben Sie wirklich, dass unsere Expedition Erfolg hat?" wollte die Frau wissen.

Herb Kenley zuckte die Schultern. "Was ich glaube, spielt keine Rolle", sagte er langsam. "Unser Auftrag lautet, in einem bestimmten Gebiet, in dem Uranvorkommen vermutet werden, Probebohrungen niederzubringen. Da die Regierung diese Arbeit ausgezeichnet bezahlt, habe ich das Angebot angenommen. Ober das Resultat unserer Bemühungen mache ich mir keine Gedanken".

Voller Unbehagen starrte Careen an das Ufer. Seit vier Tagen, seit sie in Manaus die Boote bestiegen hatten und zuerst den Rio Negro, danach den Rio Branco flussaufwärts gefahren waren, um ans Ziel zu gelangen, sahen die Mitglieder dieses verrückten Unternehmens nichts anderes als diese undurchdringlich scheinende Wand aus Bäumen und Gestrüpp.

"Warum fahren wir eigentlich nicht mit den Booten weiter?" fragte Careen. "Wir wollen doch weiter nach Norden".

"Zuerst noch, das ist richtig", erklärte Herb Kenley. "Allerdings hat der Rio Branco an seinem Oberlauf gefährliche Stromschnellen, so dass wir auf dem Wasserweg nicht mehr weiterkommen. Später müssen wir dann etwas nach Osten marschieren; um die Serra Nateebe zu erreichen. Dort werden wir mit unserer Arbeit beginnen".

Sein Vortrag wurde unterbrochen, als Steven Hotch schnaufend zu ihnen zurückkam. Wie Herb Kenley vermutet hatte, trug er in seinen Händen mehrere Karten und Schriftstücke.

"Eigentlich sollten wir uns jetzt schon langsam nach einer geeigneten Landemöglichkeit umsehen", verkündete er.

"Wir haben uns gerade darüber unterhalten", erklärte Herb Kenley. Wenig später wies er ans Ufer. "Dort drüben sieht es ganz manierlich aus", meinte er.

Die anderen sahen, dass die Bäume etwas vom Ufer zurückwichen. Der Fluss hatte eine Sandbank gebildet, so dass eine kleine, vegetationsfreie Fläche entstanden war.

"Einverstanden", erklärte Hotch. "Geben Sie das Kommando zum Anlegen, Herb".

Sein Stellvertreter nickte. Aus seiner Jackentasche zog er eine Trillerpfeife und blies kräftig hinein, um so die Aufmerksamkeit der Männer in den anderen fünf Booten auf sich zu lenken. Danach hob er ein Megaphon an die Lippen und teilte den Leuten mit, dass ein geeigneter Landeplatz gefunden war.

Die Bootsführer folgten seinem Kommando. Nacheinander schoben sich die Kiele der Boote auf den flachen Sand. Das Motorengeräusch verstummte. Erleichtert verließ Careen Bilmer zusammen mit den anderen Männern das schwankende Transportmittel.

Jetzt entwickelte sich eine hektische Aktivität. Die Ausrüstungsgegenstände und das Gepäck wurden nach einem genau festgelegten Plan auf die Träger verteilt, die in den anderen Booten mitgefahren waren. Steven Hotch lief aufgeregt zwischen den Männern hin und her, erteilte Anweisungen und sorgte dafür, dass keine unnötigen Verzögerungen entstanden.

"Er will das Tageslicht ausnutzen, um noch einige Kilometer bis zum ersten Nachtlager zu marschieren", erklärte Herb Kenley, der unbemerkt neben Careen getreten war. „Wenn es keine unangenehmen Überraschungen gibt, erreichen wir unser Zielgebiet in drei Tagen".

Careen nickte. Sie beobachtete, dass der Chef die Bootsführer entlohnte. Wenig später erfüllte wieder das vertraute Knattern und Brummen der Motoren die Luft. Die junge Frau und Herb Kenley sahen zu, wie die Boote mit zunehmender Geschwindigkeit den Rio Branco hinab fuhren.

Jetzt sind wir wirklich auf uns allein gestellt", sagte Careen Bilmer nachdenklich.

"Bloß keinen Pessimismus!" wehrte Herb Kenley entsetzt ab. "Schließlich sind wir hervorragend ausgerüstet".

Der Chef hatte sie gesehen und kam schnaufend auf sie zu. “Alles klar?" fragte er schon von weitem. "Können wir losmarschieren?“

"Nur zu!" antwortete sein Stellvertreter gutgelaunt.

Hotch nickte zufrieden und gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Träger nahmen die ihnen zugeteilten Lasten auf und die Kolonne steuerte ihrem fernen Ziel entgegen.



***



Prüfend sah Torgen‑Shan den Folienstapel durch, den er zum Beweis seiner Aussagen für Ambor‑Bath vorbereitet hatte. Er wusste genau, dass er alle erforderlichen Unterlagen vor sich hatte, doch er vergewisserte sich noch einmal, um seine innere Unruhe ein wenig zu dämpfen.

"Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen", bemerkte Keltar‑Birt, der wusste, wie es in seinem Freund aussah. "Schließlich haben wir in den letzten drei Standardtagen so viel herausgefunden, dass auch der größte Skeptiker überzeugt sein muss".

Torgen‑Shan machte eine Geste der Zustimmung. "Wahrscheinlich hast du recht", gestand er. "Ich bin nervös, weil von dem Gespräch mit dem Regierenden so viel für mich abhängt". Der junge Wissenschaftler stand entschlossen auf. "Ich werde alles tun, um Ambor-Bath zu überzeugen."

"Es wird dir gelingen", sagte Keltar‑Birt zuversichtlich. Er begleitete Torgen‑Shan zum Ausgang der Wohneinheit und sah ihm nach, wie er mit schnellen Schritten der Rufsäule für die Taxischweber entgegen strebte.

Torgen‑Shan betätigte den Schalter, der eines der öffentlichen Verkehrsmittel zu seinem augenblicklichen Standort lenken würde.

Er musste nur wenige Zeiteinheiten warten, bis eines der grünen Fahrzeuge vor ihm hielt. Die Tür öffnete sich, Torgen‑Shan stieg ein und ließ sich in die bequemen Polster sinken."Zum Regierungsgebäude", befahl er dem Robotpiloten.

Gehorsam hob die Maschine ab und reihte sich in den Verkehrsstrom ein. Während der kurzen Fahrt dachte Torgen‑Shan noch einmal an die Arbeit der vergangenen Standardtage, die für ihn und seine Freunde so erfolgreich gewesen war. Nachdem sie alle Speicherkristalle, die im Raum vierhundertzehn des Planetaren Archivs gelagert waren, überprüft hatten, konnten sie mit Hilfe der hochwertigen Elektronengehirne, die Torgen‑Shan zur Verfügung standen, Erkho-Thols Lebensweg rekonstruieren. Weiterhin stellte sich heraus, dass eines der beiden Forschungsschiffe, die Erkho‑Thol ausgesandt hatte, tatsächlich einen Planeten gefunden hatte, der sich als Zufluchtsort eignete. Daraufhin ließ Erkho‑Thol eine Kolonie auf diesem fernen Planeten errichten. In den Speicherkristallen hatte es einen vagen Hinweis gegeben, dass der Planet primitives Leben trug, doch weitere Aufzeichnungen darüber waren trotz intensiver Suche nicht zu finden.

Bald nach dem Abflug der Kolonistenschiffe kam es im Krieg gegen die Salgenen zum Entscheidungskampf. Erkho‑Thol konnte den Feind vernichtend schlagen, doch auch die berkanesische Zivilisation war zum größten Teil zerstört. Es folgte eine lange, mühsame Phase des Wiederaufbaus. Danach war die geheime Kolonie in Vergessenheit geraten.

Torgen‑Shan wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Schweber auf dem Parkdach des Regierungsgebäudes landete. Die Tür öffnete sich, und der junge Wissenschaftler verließ das Fahrzeug. Er ging zum Eingang des Liftschachtes, der ins Innere des Gebäudes führte. Torgen‑Shan wählte das Stockwerk, in dem Ambor‑Bath seinen Arbeitsraum hatte. Geräuschlos setzte sich die Kabine in Bewegung. Wenig später hatte er sein Ziel erreicht. Ohne zu zögern ging Torgen‑Shan über den kurzen Flur auf eine Tür zu, die sich selbsttätig vor ihm öffnete.

Ein Mitarbeiter des Regierenden sah ihm ehrfurchtsvoll entgegen. „lch grüße dich", sagte er zu Torgen‑Shan. "Der Oberste ist bereit, dich zu empfangen".

Torgen‑Shan gab den Gruß zurück und wartete, bis ein akustisches Signal ertönte, dann öffnete sich eine weitere Tür und gab den Blick auf den Arbeitsbereich des Regierenden frei.

Ambor‑Bath stand in der Mitte des Raumes und sah seinem Besucher forschend entgegen. Torgen‑Shan blieb in angemessener Entfernung stehen, kreuzte die Hände über der Brust und senkte den Kopf zum Zeichen seiner Hochachtung für den Regierenden. Dann wartete er, bis er angesprochen wurde. Er musste nicht lange warten.

"Tritt näher, Torgen‑Shan", sagte Ambor‑Bath und wies in die rechte Ecke des Raumes zu den bequemen Sitzelementen. Während sich die beiden Männer dort niederließen, meinte der Oberste: "Deine Ankündigung heute morgen, dass du wichtige Entdeckungen gemacht hast, erfüllt mich mit Spannung. Aber zuerst wollen wir einige Erfrischungen kommen lassen".

Er rief einen Servoroboter zu sich, der bewegungslos im Hintergrund des Raumes stand. Die Maschine kam näher und fragte mit wohl modulierter Stimme nach ihren Wünschen. Als die Getränke vor ihnen standen, wandte sich Ambor‑Bath wieder seinem Besucher zu. "Berichte", forderte er knapp.

Torgen‑Shan holte die mitgebrachten Unterlagen aus dem kleinen Transportbehälter und legte sie vor sich auf den Tisch. "Meine lange Suche war endlich erfolgreich", begann er. Mit knappen Worten erzählte er von seiner Arbeit in den vergangenen Standardtagen. Dann wies er auf den Folienberg vor sich. "Nach Abschluss aller Auswertungsarbeiten kann gar kein Zweifel mehr an der Existenz des legendären Führers Erkho‑Thol bestehen".

Ambor‑Bath war den Ausführungen des Wissenschaftlers gefolgt, ohne ihn zu unterbrechen. Jetzt schüttelte er missmutig den Kopf.

"Ich hatte schon gehofft, du hättest endlich einen Erfolg bei deiner Arbeit an den neuen Energiespeichern aufzuweisen", sagte er heftig. "Ich habe dir schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass ich dieses Projekt für sehr wichtig halte. Stattdessen verschwendest du wertvolle Zeit, um Geschehnisse aus der Vergangenheit zu rekonstruieren. Was haben wir davon? Du solltest deine Fähigkeiten dazu gebrauchen, die Zukunft unseres Volkes mitzugestalten".

"Eine gewissenhafte Vergangenheitsforschung kann auch wichtige Perspektiven für die Zukunft eröffnen", verteidigte sich Torgen-Shan heftig. "Du kennst meine Meinung, dass in den vergangenen Zeiten große Geheimnisse verborgen liegen. Meine letzten Ergebnisse beweisen die Richtigkeit meiner Vermutungen".

Ambor‑Bath winkte lässig ab. "Was hast du davon, dass du jetzt sicher sein kannst, dass es diesen Erkho‑Thol wirklich gegeben hat? Welche Auswirkungen hat dieses Wissen auf unsere zukünftige Entwicklung? Ich kann keinen Nutzen daraus erkennen".

Torgen‑Shan sprang erregt auf. "Begreifst du denn nicht, welche neuen Möglichkeiten sich für uns durch meine Entdeckungen ergeben? Die Überlieferungen berichten eindeutig davon, dass Erkho‑Thol eine Kolonie aufbauen ließ. Wir sollten alle unsere Fähigkeiten dazu benutzen, diesen Planeten zu finden. Bedenke, was es bedeuten würde, wenn wir die Nachfahren der damaligen Siedler finden würden! Durch den friedlichen Kontakt mit ihnen könnte es für unser Volk einen großen Aufschwung geben. Der Austausch von wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen würde ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Ich bin sicher, dass..."

"Jetzt reicht es mir aber!" Auch Ambor‑Bath war aufgesprungen. Ärgerlich sah er den Wissenschaftler an. „Du kannst doch nicht im Ernst verlangen, dass wir nach einem Planeten suchen, von dem wir nicht einmal seine genaue galaktische Position wissen".

Torgen‑Shan hatte sich wieder etwas beruhigt. Er hatte es gewusst! Wie hatte er auch annehmen können, dass der Oberste seine Meinung ändern würde? Trotzdem gab er noch nicht auf. "Immerhin kennen wir den galaktischen Sektor, in dem sich die Kolonie befinden muss. Das schränkt das Suchgebiet ganz erheblich ein. Wir sollten uns diese einmalige Chance nicht entgehen lassen!" Eindringlich sah er Ambor‑Bath an, der sich wieder setzte.

"Du bist ein Phantast, Torgen‑Shan", sagte der Regierende. "Ich habe gehofft, nun, da du endlich die Existenz Erkho‑Thols nachgewiesen hast, würdest du dich zufriedengeben und wieder einer vernünftigen Arbeit nachgehen, wie es sich für einen vorzüglichen Wissenschaftler unseres Volkes geziemt. Doch stattdessen entwickelst du neue, verrückte Ideen, die keine Aussicht auf Erfolg haben können" .

"Gib mir drei Raumschiffe, dann werde ich dir die Existenz der Kolonie nachweisen", forderte Torgen‑Shan schnell.

Ambor‑Bath lachte verächtlich. "Das kommt überhaupt nicht in Frage", lehnte er ab.

"Dann gib mir ein Schiff", bat Torgen‑Shan verzweifelt.

"Nein!" Der Oberste blieb bei seiner Entscheidung. "Ein solches Unternehmen ist aussichtslos und gefährlich. Ich bin nicht bereit, ein solches Wagnis einzugehen." Er stand auf und trat ganz dicht an Torgen‑Shan heran. "Und dir, mein lieber Freund, rate ich, deine kühnen Ideen ganz schnell zu vergessen. Du wirst hier bei uns gebraucht, denke daran".

"Ist das dein letztes Wort?" fragte Torgen‑Shan gepresst.

"Mein allerletztes", bestätigte Ambor‑Bath. "In Zukunft werde ich mit dir über derartige Theorien nicht mehr sprechen".

Wortlos packte Torgen‑Shan seine Unterlagen ein, die der Oberste keines Blickes gewürdigt hatte. Dann nickte er Ambor‑Bath flüchtig zu und verließ den Raum. Der Regierende sah ihm nach. Torgen‑Shan eilte auf das Dach des Regierungsgebäudes und rief einen Schweber herbei. Ungeduldig wartete er auf die Ankunft des Fahrzeugs. Als er endlich in der Fahrgastkabine saß und zu seiner Wohneinheit unterwegs war, hatte er sich wieder etwas beruhigt.

Seine Hoffnung, von nun an mit Ambor‑Baths Unterstützung arbeiten zu können, hatte sich also nicht erfüllt. Doch was änderte das für ihn? Er musste eben weiterhin allein mit seinen beiden Freunden forschen. Das Fahrzeug erreichte seine Wohnung, und Torgen-Shan stieg aus. Noch bevor er den Code für die Türautomatik eingeben konnte, wurde ihm geöffnet. Er sah in das erwartungsvolle Gesicht von Keltar‑Birt.

"Nichts", sagte der Assistent enttäuscht, als er Torgen‑Shans Miene sah. "Das hätte ich nach unseren letzten Erfolgen nicht erwartet".

"Ambor‑Bath läßt sich nicht umstimmen", sagte Torgen‑Shan grimmig "Aber das soll uns nicht aus dem Gleichgewicht werfen. Wir werden trotzdem handeln".

"Was hast du vor?" fragte Keltar‑Birt besorgt.

Torgen‑Shan gab ihm keine Antwort. Er setzte sich vor das Kommunikationsgerät und stellte eine Verbindung zum Kommandanten des Raumhafens her. "Ich grüße dich", sagte er, als Horman‑Teip auf dem kleinen Bildschirm erschien. "Ich hoffe, es geht dir gut?"

"Danke der Nachfrage", lachte der Hafenkommandant. "Was kann ich für dich tun?"

"Ich brauche einen kleinen Forschungskreuzer", forderte Torgen-Shan. "Ich bitte dich, lasse das Schiff ausrüsten und für mich bereitstellen".

Das Gesicht des Mannes zeigte größte Verlegenheit. "Ich bedaure außerordentlich", erklärte Horman‑Teip. "Diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Vor kurzer Zeit hat mich Ambor‑Bath darüber informiert, dass ich dir kein Schiff geben darf, bis er andere Weisung erteilt".

"Das ist ja ... !", entfuhr es Torgen‑Shan, doch dann beherrschte er sich. Schließlich konnte der Hafenkommandant nichts dafür. Er nickte ihm noch einmal kurz zu, dann unterbrach er die Verbindung

"Der Oberste hat schnell reagiert", meinte Keltar‑Birt resigniert "Jetzt dürften unsere Pläne wohl gescheitert sein".

Torgen‑Shan starrte vor sich hin. Gab es noch eine Möglichkeit, sein Vorhaben, die Kolonie zu suchen, auszuführen? Jetzt ärgerte er sich darüber, dass er Ambor‑Bath überhaupt informiert hatte. Aber immerhin hatte die Möglichkeit bestanden, dass der Oberste seinen Standpunkt ändern könnte. Mit seiner Unterstützung wäre alles viel einfacher gewesen.

Torgen‑Shan lächelte Keltar‑Birt plötzlich an. "Noch ist nicht alles verloren", sagte er zu dem Freund. "Ich habe einen Plan. Hör zu" .

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