Wie er ihren Ehegatten belog
Oscar- und Literaturnobelpreisträger Bernard Shaw hat in dieser Komödie gezeigt, „was mit dem auch banalsten Bühnenrahmen getan werden kann, indem man ihn mit einem beobachteten Hauch echter Menschlichkeit anstelle von doktrinärer Romantik ausfüllt.“ Eine gewöhnliche, verhätschelte, mit Diamanten und schicken Klamotten ausgestattete 37-jährige Bürgerliche aus South Kensington hat ihren Spaß daran, dass prominente Männer sich in sie verlieben. Ihr stiernackiger, von seiner geschäftlichen Umgebung eingebildeter Ehegatte fördert sie dabei und ist auf ihren Siegeszug durch die Londoner Vorstädte sehr stolz. Auch ein wunderschöner 18-jähriger Träumer, Dichter und Amateurboxer verirrt sich an ihr und fällt ihr zum Opfer, obwohl er aus der Bibel zitiert und der Frau physisch und spirituell überlegen ist. Der Verlust seiner Gedichte an die Geliebte führt zu einer Zuspitzung des alltäglichen Ablaufs. Der Jüngling ist vom Teufel geritten und ist bereit, sein Glück durchzuboxen, falls der Ehegatte im Wege steht. Aber die Ehefrau will sich nicht wegen einer vorgetäuschten Liebe von ihrem Ehegatten trennen und zwingt den Dichter dazu, seine Autorschaft dem Ehegatten gegenüber zu bestreiten. Darüber ist der Ehegatte erbost, denn der Dichter muss sich – wie die anderen aus bester Gesellschaft – geschlagen geben und unbedingt gestehen, dass er sich bis über beide Ohren in seine Ehefrau verliebt ist. Da der Jüngling der Geliebten versprochen hat, sich artig zu benehmen und einen Ehrenmann zu spielen, weigert er sich, das Geständnis abzulegen. Es kommt zu einem Kampf. Die Nerven liegen blank. Obwohl es ihm schwerfällt, den Verlust seines idealisierten Liebessubjektes zu verkraften, machen eine Beule am Kopf und enttäuschte Liebe den Dichter sehend: Er vollzieht den Übergang von der romantischen Jugend zur zynischen Reife und wird vom Jungen zum Mann. Er gesteht dem Ehegatten sowohl die Autorschaft als auch die früheren Gefühle und Absichten hinsichtlich seiner Ehefrau. Darüber freut sich der Ehegatte wie ein Kind, weil noch ein Sieg auf das Konto seiner Ehefrau geht. Er schlägt vor, die Gedichte drucken zu lassen, um sie herumzuzeigen. Kein Ehegattensplitting kam zustande.
Der ehemalige Hochschuldozent Vitaly Baziyan ist ein führender zeitgenössischer Shavian, Linguist und Anglist. Insgesamt hat er sechs Theaterstücke von Bernard Shaw aus dem Englischen ins Deutsche neuübersetzt: Candida, Majorin Barbara, Die Millionärin, Weh euch, ihr bunten Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset, Wie er ihren Ehegatten belog und Pygmalion. Alle diese Übersetzungen gehören zur Bücherreihe Die vielleicht besten deutschen Übersetzungen.
Bernard Shaw: „Nichts im Theater ist abgedroschener als Dreiecksgeschichten... Ich habe ein originelles Stück daraus gemacht, wie jeder andere es auch tun kann, wenn er nur nach seinem eigenen Stoff Ausschau hält, statt Othello und die tausend Stücke zu plagiieren, die zu Othellos romantischen Annahmen und falscher Ehrensache geführt haben.“
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- Artikel-Nr.: SW9783752129236458270