Das österreichische Antlitz: Essays

Das österreichische Antlitz: Essays Felix Salten - Ein wunderschöner Tag ist das heute gewesen. Voller Sonnenglanz und Wärme, und in den Straßen hat es überall nach Veilchen geduftet. Daß ich heute gerade sechzig Jahre alt geworden bin, möchte mich freilich herabstimmen. Aber ich kann mir nicht helfen, ich bin ganz gut gelaunt. Und ich finde, es ist sehr hübsch, im Frühling Geburtstag zu haben, wenn es so warm wird, und wenn die Straßen nach frischen Blumen riechen. Was will man denn mehr? Ich bin spazieren gegangen, wie gewöhnlich. Zuerst durch die Innere Stadt, dann bei der Oper auf den Ring hinaus und wieder zurück.... alles anzeigen expand_more

Das österreichische Antlitz: Essays Felix Salten - Ein wunderschöner Tag ist das heute gewesen. Voller Sonnenglanz und Wärme, und in den Straßen hat es überall nach Veilchen geduftet. Daß ich heute gerade sechzig Jahre alt geworden bin, möchte mich freilich herabstimmen. Aber ich kann mir nicht helfen, ich bin ganz gut gelaunt. Und ich finde, es ist sehr hübsch, im Frühling Geburtstag zu haben, wenn es so warm wird, und wenn die Straßen nach frischen Blumen riechen. Was will man denn mehr? Ich bin spazieren gegangen, wie gewöhnlich. Zuerst durch die Innere Stadt, dann bei der Oper auf den Ring hinaus und wieder zurück. Dann bin ich noch im Kaffeehaus gewesen. Also sechzig Jahre. Am liebsten würde ich mit Stillschweigen darüber weggehen; weil es aber schon so lange meine Gewohnheit ist, daß ich bei solchen Anlässen gewissermaßen den Jahresschluß ziehe, und ein bisserl was aufschreibe von dem, was ich mir denke, will ich es auch heute nicht versäumen. Obwohl Denn viel habe ich ja kaum zu sagen. Da liegen in der Lade die Bogen aus all den Jahren, und wenn ich sie jetzt durchlesen wollte, würde vielleicht immer dasselbe drinnen stehen. Ich habe ein sehr regelmäßiges Leben geführt, und wenn man ein Junggeselle ist, gibt es nicht viel Ereignisse. Es ist nur, daß ich jetzt eine gewisse Scheu habe, diese Blätter in die Hand zu nehmen. Sie könnten mich am Ende in eine sentimentale Verfassung bringen, und das hätte keinen Zweck. Ich bin von dem schönen Tag noch ganz angeregt. Bald wird man auch wieder im Freien sitzen können. Auf dem Graben sind die zwei Kaffeehütteln schon hergerichtet; ein paar Tische sind sogar besetzt gewesen. Aber ich hab' es doch noch nicht riskiert. Es war übrigens nicht zum Vorwärtskommen heute, so viel Menschen sind in der Stadt herumgelaufen. Und was man für schöne Mädchen sieht, das ist eine wahre Freude. Man weiß gar nicht, welche man zuerst anschauen soll. Gleich in ganzen Rudeln marschieren sie auf. Und wie reizend ist das, diese vielen jungen, rosigen Gesichter, diese lachenden Augen! Seit vierzig Jahren gehe ich jetzt Tag für Tag denselben Weg durch die Innere Stadt und über den Ring und immer seh' ich diese vielen schönen Mädchen. Es ist unglaublich, wo die nur herkommen. Allerdings, die bleiben ja auch nicht ewig jung. Das darf man sich nicht einbilden. Denn sonst müßte ich ganz allein alt werden, und dafür tät' ich mich doch schönstens bedanken. Aber das nimmt alles seinen geordneten Gang. Wenn man sich auch wundert. Ich hab' das an der Baronin Ruttersdorf gemerkt, wie ich sie heute gesehen habe. Gott, wie die ausschaut! Ganz schneeweiße Haare hat sie schon, und recht zusammengebrochen ist sie. Ich bin stehen geblieben und hab' ihr nachgeschaut. Seit dreißig Jahren zum erstenmal wieder.



Felix Salten was an Austrian writer. He was born Siegmund Salzmann in Budapest, Hungary. When he was three weeks old, his family moved to Vienna, Austria. Many Jews were immigrating into the city in the late 19th century because Vienna had finally granted full citizenship to Jews in 1867.When his father went bankrupt, Felix had to quit school and begin working in an insurance agency. He also began submitting poems and book reviews to journals. He became part of the Young Vienna movement (Jung Wien) and soon received work as a full-time art and theater critic in the Vienna press. In 1901 he founded Vienna's first, short-lived literary cabaret. In 1900 he published his first collection of short stories. He was soon publishing, on an average, one book a year, of plays, short stories, novels, travel books, and essay collections. He also wrote for nearly all the major newspapers of Vienna. He wrote film scripts and librettos for operettas. In 1927 he became president of the Austrian P.E.N. club.His most famous work is Bambi, which he wrote in 1923. It was translated into English in 1928 and became a Book-of-the-Month Club hit. In 1933, he sold the film rights to Sidney Franklin for $1,000, who later transferred the rights to the Walt Disney studios. Disney released its movie based on Bambi in 1942.Life in Austria became perilous for a prominent Jew in the 1930s. Adolf Hitler had Salten's books banned in 1936. Two years later (1938), after Austria had become part of Germany, Salten moved to Zurich, Switzerland, where he lived until his death.He was married to the actress Ottilie Metzl, and had two children: Paul and Anna-Katherina. He wrote another book based on the character Bambi, titled Bambi's Children: The Story of a Forest Family, 1939. His stories "Perri" and "The Hound of Florence" inspired the Disney films Perri and The Shaggy Dog.Salten is considered to be the author of the erotic novel Josephine Mutzenbacher, the fictional autobiography of a Vienna prostitute, which was published in 1906.

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