Buenos Aires 1912. Die argentinische Hauptstadt verspricht denjenigen, die die Hoffnung schon fast aufgegeben haben, ein besseres Leben. Luca di Fulvio erzählt die schicksalhafte Geschichte dreier europäischer Auswanderer. Doch dieser Roman des italienischen Bestseller-Autors ist nicht nur spannend, sondern auch gewalttätig und teilweise ein wenig skurril.
Rocco, der Sohn eines Mafiosi, muss nach einem Mord weit weg. Rosetta, die nach Grundbesitzstreitigkeiten mit dem Baron behördlich gesucht wird, muss ebenfalls das Land verlassen. Die russische Jüdin Raquel wird von einem Menschenhändler verschleppt. Alle drei fahren nach Buenos Aires und schlagen sich durch. Dabei treffen sich ihre Wege.
Luca di Fulvio erzählt von Menschen, die sich wie durch ein Wunder ihre Menschlichkeit in einer abgrundtief bösen Welt bewahren. Da ist beispielsweise Rosetta, eine der drei Protagonisten. In Italien wird ihr ihr Grundbesitz genommen, sie wird vergewaltigt und von einem niederträchtigen Baron fast ermordet. Doch als sie in Buones Aires ankommt und einen Unterschlupf bei einem sympathischen Ehepaar findet, beginnt sie Gutes zu tun: Sie löst die verpfändete Gitarre des alten Ehepaares aus und macht sich einen Namen, indem sie die junge Dolores vor ihrer Arbeit im Schlachthof rettet und an eine Bäckerei vermittelt. So kann sie verhindern, dass Dolores weiterhin während ihrer Arbeit von einem Mann missbraucht wird.
Wenn eines das Buch durchzieht, dann sind es tatsächlich Missbrauch und Vergewaltigung. Man kennt es aus di Fulvios Büchern durchaus, dass es etwas rauer zugeht, die Häufung an menschlicher Grausamkeit in diesem Roman - wenn auch nicht allzu detailliert beschrieben - ist aber außergewöhnlich.
Die Geschichte nimmt dabei teilweise auch etwas absurde Züge an, beispielsweise, als der Baron Rosetta von Sizilien bis nach Buenos Aires verfolgt, nur um seinen gescheiterten Mordversuch persönlich umzusetzen. Auf dem Weg wird er von einem beflissenen Diener begleitet, der für ihn zur Unterhaltung immer wieder Frauen vergewaltigen muss. In Buenos Aires angekommen schließlich wohnt er bei einer Baronin, die mindestens so bösartig ist wie er, allerdings nur auf Frauen steht. Sie möchte Rosetta dementsprechend gerne für sich haben.
All die Bösartigkeit wird verwendet, um einen Kontrast zwischen Gut und Böse zu schaffen. Dass es di Fulvios Figuren schließlich immer schaffen, das Böse zu besiegen und sich in einer feindsinnigen Welt ihren Unterschlupf einrichten können, ist wohl das, was di Fulvios Romane so erfolgreich macht. Abgesehen davon, dass sie Seelentröster sind, sind sie dramaturgisch spannend erzählt. Auch sprachlich sind di Fulvios Romane stets sehr atmosphärisch:
„Eine elegante, hochnäsig wirkende Frau verließ den Lancia, mit einem Gesicht so lang wie die Rede eines Pfarrers am Feiertag.“ (Luca di Fulvio, Auszug aus der E-Book-Ausgabe von Als das Leben unsere Träume fand)
Plastische Beschreibungen wie dieses Zitat finden sich zuhauf. Das Erzähltempo ist schnell, die Ereignisse wechseln sich rasch ab und es kommt fast nie Langeweile auf. Als Kritikpunkt bei Als das Leben unsere Träume fand bleibt allerdings, dass die Geschichte manchmal etwas künstlich ausgedehnt wirkt, der Plot teilweise doch zu überzogen ist und die Gewaltszenen einfach zu häufig sind.
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