Die Falle des Kalifats
Der Islamische Staat oder die Rückkehr der Geschichte
Die auf Gewalt beruhende Errichtung eines transnationalen Staatsprojekts des IS zwingt die internationale Gemeinschaft zu militärischen Interventionen. Luizard dechiffriert diese Strategie als Falle, aus der ein Entkommen mangels erfolgversprechender Konzepte immer schwieriger wird.
Der Islamische Staat hat sich mit blutigen Aktionen die Bühne der internationalen Politik erobert. Von den andauernden Krisen in Syrien und im Irak profitierend, hat der IS Macht und Kontrolle über große Regionen erlangt und verfügt über umfangreiche finanzielle Ressourcen.
Der Historiker Pierre-Jean Luizard legt eine umfassende Genese der dschihadistisch-salafistischen Gruppe vor und ordnet sie in einen soziopolitischen Kontext ein. Er fragt nach den Ursachen und Triebkräften für den augenscheinlichen Erfolg des Islamischen Staates und sieht in dem transnationalen Staatsbildungsprojekt eine Falle, die der IS der internationalen Gemeinschaft stellt: Die Errichtung eines Kalifats und die damit einhergehende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, auch gegen westliche Geiseln, zwingen die internationale Staatengemeinschaft in eine militärische Konfrontation. Moralisch ist diese Auseinandersetzung nicht zu gewinnen, da die Erinnerung der arabischen Bevölkerungen mit Leid und Zerstörung nach Interventionen verbunden ist und nicht mit erfolgversprechenden Konzepten, den von Kriegen zerrütteten Gesellschaften dieser Region ein positives Zukunftsszenario anzubieten.
Der IS kann überhaupt so erfolgreich sein – so Luizards These –,weil er sich als funktionales Staatsprojekt präsentiert, das den krisengeschüttelten Bevölkerungen eine gewisse Stabilität und eine greifbare Zukunftsperspektive zu bieten scheint; Bevölkerungen, die sich nicht länger einer postkolonialen Ordnung unterwerfen wollen.
Pierre-Jean Luizard, Historiker, ist directeur de recherche im Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Paris und dort verantwortlich für die Forschungsgruppe Sociétés, Religions, Laicités (GSRL). Luizard verbrachte viele Jahre in zahlreichen arabischen Ländern des Mittleren Orients, vor allem in Syrien, im Libanon, im Irak, in den Golfstaaten und in Ägypten. Für sein Buch "Die Falle des Kalifats" wurde Luizard im März 2016 mit dem Prix Étudiant du Livre Politique - France Culture ausgezeichnet.
Einleitung
1 Das Auftauchen des Islamischen Staates
Die Faktoren eines Erfolgs
"Staat" oder "Terrororganisation"?
Den Krieg internationalisieren
2 Von Sykes-Picot bis Dscharubiyya, die Rückkehr der Geschichte
Gebrochene Versprechen
Panarabische Schimären
3 Im Irak, ein Staat gegen seine Gesellschaft
Arabischer Nationalstaat nach europäischem Vorbild oder sunnitischer Staat?
Am Ursprung der sunnitisch-schiitischen Spaltung
Die blutige Rückkehr der "irakischen Frage"
4 Der syrische Staat, vom Konfessionalismus eingeholt
Ein konfessioneller Flickenteppich in engen Grenzen
Assad, sein autoritäres Regime und die Alawiten
5 Stehen wir vor einem Umbruch im Nahen Osten?
Der Islamische Staat vor den Toren des Libanon
Ein erstarrtes Jordanien
Saudi-Arabien: Der König ist nackt
Türkei: Erdoghan tappt in seine eigene Falle
6 Die Falle des Kalifats
Syrien, Irak: ein gleichzeitiger Vormarsch
Der erklärte Wille, einen Staat aufzubauen
Ein zukünftiger Staat?
Propaganda und Kommunikation: auf hohem Niveau
Die Behandlung von Minderheiten als Falle
Schluss
Nachwort (Oktober 2016)
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- Artikel-Nr.: SW9783868549164.1