Selbstbehältnisse

Orte und Gegenstände der Aufbewahrung von Subjektivität

Es ist eine der menschlichsten Tätigkeiten, für sich selbst, für den eigenen Körper und die eigene Subjektivität Behältnisse zu schaffen. Diese Behältnisse für das Selbst können ephemer und improvisiert sein, sie können in alltäglichste Gegenstände oder auch in Texte oder Bilder ausgelagert sein. Oder sie können dauerhaft, stabil und wenigstens in ihrer Planung auf eine lange Zeit angelegt sein und dem Menschen eine sichere Verkapselung bieten. Nicht selten findet der Körper in seinen Behältnissen eine situative, fast organische Erweiterung und geht ein hochgradig nahes und intimes Verhältnis mit ihnen... alles anzeigen expand_more

Es ist eine der menschlichsten Tätigkeiten, für sich selbst, für den eigenen Körper und die eigene Subjektivität Behältnisse zu schaffen. Diese Behältnisse für das Selbst können ephemer und improvisiert sein, sie können in alltäglichste Gegenstände oder auch in Texte oder Bilder ausgelagert sein. Oder sie können dauerhaft, stabil und wenigstens in ihrer Planung auf eine lange Zeit angelegt sein und dem Menschen eine sichere Verkapselung bieten. Nicht selten findet der Körper in seinen Behältnissen eine situative, fast organische Erweiterung und geht ein hochgradig nahes und intimes Verhältnis mit ihnen ein.

Wenn wir in diesem Band unter dem Schlagwort Selbstbehältnisse nach den verschiedenen Orten und Gegenständen der Aufbewahrung dessen fragen, was wir als Subjektivität oder Individualität verstehen – diese überhaupt erst von ihren Behältnissen zu denken, zu theoretisieren und zu historisieren versuchen –, geraten nicht nur stationäre Settings etwa des Wohnens und Möblierens in den Blick. Dann fallen auch viel kleinere, mobilere und noch körpernähere Dinge des Alltags auf, die wir mit und an uns herumtragen: Jacken, Rucksäcke, Koffer, Truhen, Betten, Türen, Rüstungen, Häuser, Mützen, Zelte, Zimmer, Hosentaschen, Notizbücher und viele, viele andere Behältnisse, die wir andauernd benutzen, bauen, einreißen und herstellen.

Um solche Selbstbehältnisse zu beschreiben und um in ihnen wissenschaftswürdige Phänomene zu erkennen, braucht es einen Blick, der nicht nach den großen Dingen und nach ewigen Wahrheiten und philosophischen Tatsächlichkeiten sucht, sondern der in der Beiläufigkeit und Vergänglichkeit des Alltags das erkennt und wertschätzt, was Menschen tun, wenn sie nicht versuchen, Großes zu tun oder Ewigkeitswerte zu schaffen. In diesem Band sind solche kulturwissenschaftlichen Untersuchungen unserer Selbstbehältnisse versammelt.

Mit Beiträgen von Beate Absalon, Christina Bartz, Susanne Bennewitz, Laura Busse, Iris Därmann, Sofie Fingado, Andreas Gehrlach, Zoë Herlinger, Waldemar Isak, Monique Miggelbrink, Nick Prahle, Leonie Schellberg, Dagmar Venohr und Stephan Zandt.



Laura Busse (M.A.) hat Kunstgeschichte und Geschichte in New York, Bochum und Berlin studiert. Ihre Arbeits- und Interessensgebiete liegen insbesondere in der Entwicklung der Lager im Nationalsozialismus, Fotografiegeschichte mit Schwerpunkt im Zweiten Weltkrieg sowie die Geschichte der Homosexualiät(en) und queerer Identitäten. Im Herbst 2020 hat sie ein duales Studium zur Hebamme begonnen.

Andreas Gehrlach, 1981 geboren, studierte Literaturwissenschaft in Tübingen und ist Wissenschaftler am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Er beschäftigt sich mit modernen und antiken Kulturtheorien und er forscht zu prekären, kriminellen und politischen Ökonomien und zu Konzepten von Hierarchie und Herrschaft.

Waldemar Isak hat Kulturwissenschaft an der University of Edinburgh und der Humboldt-Universität zu Berlin studiert, wo er zudem als studentischer Mitarbeiter tätig ist. Er hat zu Kulturgeschichten und Philosophien des Bettes, des Schlafs und der Schlaflosigkeit gearbeitet, und beschäftigt sich mit ästhetischen Formen des Denkens.

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