Nur Fantasie reicht niemals aus - Band 1

Kreativ Schreiben in 21 Lektionen für alle Genres und Textarten

„Nur Fantasie reicht niemals aus!“ – Diese Erkenntnis steht am Beginn des Lernprozesses, mit dem Schreibbegeisterte sich auf den Weg machen, das Handwerk des kreativen Schreibens zu erlernen, um erfolgreiche Romane oder Kurzgeschichten zu schreiben. Mara Laue, selbst erfolgreiche Autorin und Schreibcoach, hat in diesem 3-bändigen Ratgeber die 21 Lektionen aus ihren Schreibkursen zusammengefasst, die alle Bereiche und Genres der Literatur abdecken, und ein komplettes Lehrwerk zum Selbststudium geschaffen, zugeschnitten auf den deutschen Buchmarkt. In diesem Band: Einführung, Grundlagen, Literaturformen, Sprache, „Show, don’t tell!“,... alles anzeigen expand_more

„Nur Fantasie reicht niemals aus!“ – Diese Erkenntnis steht am Beginn des Lernprozesses, mit dem Schreibbegeisterte sich auf den Weg machen, das Handwerk des kreativen Schreibens zu erlernen, um erfolgreiche Romane oder Kurzgeschichten zu schreiben. Mara Laue, selbst erfolgreiche Autorin und Schreibcoach, hat in diesem 3-bändigen Ratgeber die 21 Lektionen aus ihren Schreibkursen zusammengefasst, die alle Bereiche und Genres der Literatur abdecken, und ein komplettes Lehrwerk zum Selbststudium geschaffen, zugeschnitten auf den deutschen Buchmarkt.



In diesem Band:

Einführung, Grundlagen, Literaturformen, Sprache, „Show, don’t tell!“, Plotaufbau vom guten Anfang bis zum spannenden Ende



1. Schreiben ist ein Handwerk



Ob Sie einen Brief, einen Aufsatz, einen Eintrag in Ihr Tagebuch, ein Gedicht, eine (kurze oder längere) Geschichte, einen Roman, ein Sachbuch oder eine Biografie schreiben, das „Handwerkszeug“, das Sie dafür benötigen und verwenden, ist immer dasselbe. Und zwar völlig unabhängig davon, ob Sie einen Krimi oder einen Liebesroman, einen zeitgenössischen Entwicklungsroman oder einen Fantasyroman, eine Kurzgeschichte oder eine Novelle mit historischem Inhalt schreiben. Malende benutzen auch immer dieselben Techniken für die Erzeugung von Licht, Schatten, Perspektive, Tiefenwirkung, Goldenem Schnitt und so weiter und auch dieselben Pinsel unabhängig davon, ob sie eine Landschaft, ein abstraktes Bild oder einen Akt malen. Mit dem Handwerk des kreativen Schreibens verhält es sich nicht anders.

Der wichtigste Teil dieses Handwerks ist die deutsche Sprache, die Sie auch für Ihren Beruf korrekt beherrschen sollten. In nahezu jedem Beruf – auch in handwerklichen und gewerblichen Berufen – kommen Sie irgendwann in die Verlegenheit, einen Brief oder Bericht zu schreiben. Wer dabei korrektes Deutsch schreibt und sich verständlich und je nach Situation eventuell auch humorvoll, in jedem Fall aber beredt ausdrückt, wird als erheblich kompetenter angesehen (und ernster genommen) als ein Mensch, dessen Brief/Bericht von Fehlern und schlechter Ausdrucksweise („Bürodeutsch“) wimmelt.

Bei Bewerbungen (und erst recht bei Kontakten mit einem Verlag) entscheidet schon das (fehlerfreie) Anschreiben darüber, ob der Rest der Unterlagen überhaupt gelesen oder gleich auf den Stapel „Zurücksenden!“ aussortiert wird. Deshalb gehört der Rechtschreib-Duden (Duden Band 1) in jeden Haushalt (alternativ oder zusätzlich: der Duden-Korrektor als Programm auf den PC).

Bei Literaturwettbewerben, zu denen Sie vielleicht einmal eine Kurzgeschichte einreichen, gilt mittlerweile fehlerhaftes Deutsch (wozu auch unkorrekte oder fehlende Zeichensetzung gehört) ab einer gewissen Fehlerzahl als Ausschlusskriterium, das die Geschichte disqualifiziert. In manchen Lektoraten gibt es den stillschweigenden Konsens, dass ein Manuskript, das auf jeder Seite fünf oder mehr Fehler enthält, allein deswegen abgelehnt wird, weil die Korrektur so vieler Fehler über mehrere Hundert Seiten zu viel Zeit in Anspruch nähme.

Und wenn Sie ein Sachbuch wie zum Beispiel einen Ratgeber verfassen oder vielleicht im Auftrag anderer Menschen deren Biografie schreiben („Ghostwriting“, siehe Lektion 20.2.1), sind Sie Ihrer Klientel und den das Buch später Lesenden neben sachlicher Korrektheit eine gut formulierte Sprache schuldig. Andernfalls wird es niemand kaufen oder Ihr Werk in einer Rezension verreißen und anderen Menschen vom Kauf abraten.

Die übrigen Werkzeuge, die eine Geschichte oder einen Roman für die Lesenden spannend, interessant und gut zu lesen machen, sind ein „Appetit anregendes“ Thema, der Aufbau (der „Plot“), interessante Figuren und die mit Finesse erzeugte Spannung, die die Lesenden dazu veranlassen, jedes Wort zu verschlingen. All das und mehr werden Sie in den folgenden Lektionen kennenlernen.

Wie in jedem Handwerk und jedem kunstschaffenden Beruf oder Hobby gibt es auch fürs Schreiben von literarischen Texten erlernbare „Tools“, die uns zu einer guten, mit zunehmender Erfahrung auch sehr guten Beherrschung der Kunst befähigen. Wer auf der gesamten Klaviatur des Schreibhandwerks zu spielen weiß, ist in der Lage, auch ohne einen Kuss der ohnehin ewig launischen Muse als Inspiration gute Texte zu schreiben. Wollen Sie später das Schreiben professionell betreiben oder haben Sie dieses Stadium schon erreicht, ist diese Fähigkeit ein Muss.

Denn als Profi haben Sie vom Verlag vorgegebene Abgabetermine einzuhalten, zu denen Ihre Manuskripte fertig sein müssen. Lässt sich die Muse wochen- oder sogar monatelang nicht blicken, müssen Sie trotzdem in der Lage sein, einen glaubhaften Plot zu konstruieren, Perspektiven ohne Brüche und andere Katastrophen zu schreiben, real klingende Dialoge zu formulieren, glaubhafte und vor allem lebendig wirkenden Figuren zu erschaffen, Spannung zu erzeugen und Beschreibungen nach dem Prinzip „Show, don’t tell!“ (siehe Lektion4) zu verfassen. Fantasie, Schreibbegeisterung und auch das größte Talent reichen dafür allein nicht aus.

Vom Handwerk abgesehen existiert selbstverständlich noch der persönliche Geschmack der Menschen im Verlag und Lektorat, der darüber entscheidet, ob Ihr Werk angenommen wird. Sollten Sie eine Veröffentlichung Ihrer künftigen Werke anstreben, werden Sie das bei Kontakten mit Verlagen und deren Lektoraten deutlich merken. Der eine Lektor findet eine von Ihnen gewählte Formulierung schrecklich, unlogisch und indiskutabel, eine andere Lektorin findet sie originell und witzig. Der eine ist ein „Perspektiv-Purist“ und ächtet die „schwebende Perspektive“ (siehe Glossar), eine andere Lektorin liebt sie heiß und innig.

Vor etlichen Jahren gab es ein Experiment, bei dem derselbe Deutschaufsatz einer repräsentativen Anzahl von Deutschlehrkräften von der Hauptschule bis zum Gymnasium, studierten Germanistinnen/Germanisten und Germanistikprofessorinnen und -professoren zur Beurteilung und Benotung vorgelegt wurde. Obwohl es sich um denselben Text handelte, gab es alle Noten von 1 bis 6 und Urteile von „brillant“ bis „Thema verfehlt“. Interessant: Je höher der Bildungsstand der Beurteilenden war, desto schlechter war in der Regel die vergebene Note.

Was beweist: Fachleute mit umfangreichem Wissen erkennen Fehler und Schwächen erheblich besser (und sind auch kritischer) als weniger Wissende. Das ist auch der Grund, warum Familie und Freundeskreis der Autorinnen/Autoren, die in der Regel kein Fachwissen besitzen, Texte toll finden, die nach literarischen Ansprüchen objektiv indiskutabel sind.

Sie brauchen sich im Internet nur die Rezensionen für dasselbe Buch anzuschauen, und Sie finden ebenfalls alle Bewertungen von „großartig – fünf Sterne“ bis „ganz schlecht – selbst ein Stern ist noch zu gut für dieses Werk“. Sogar manche Werke späterer Bestsellerautorinnen/-autoren wurden zunächst als „schlecht, so was will kein Mensch lesen“ von Verlagen abgelehnt. Einige dieser verschmähten Werke erhielten sogar Literaturpreise, nachdem sich ein Verlag „getraut“ hatte, sie zu veröffentlichen.

Ich betone das nicht nur, um Ihnen die spätere Angst vor Absagen zu nehmen. Viele Neulinge trauen sich nicht, ihre fertigen Texte Verlagen anzubieten, weil sie befürchten, nicht gut genug zu sein und deshalb abgelehnt zu werden. Doch eine Ablehnung Ihrer Werke bedeutet nicht zwangsläufig, dass Sie die tatsächlich schlecht geschrieben haben. Verlage haben viele Gründe, ein Manuskript abzulehnen, die nichts mit dessen mangelnder Qualität zu tun haben. Das Verlagsprogramm ist bereits für die nächsten zwei oder sogar drei Jahre festgelegt (keine Seltenheit!), man bevorzugt generell Übersetzungen von im Ausland bereits erfolgreichen Büchern, oder das Thema Ihres Werkes passt nicht zum aktuellen Trend und hat ein paar Jahre später erheblich bessere Chancen.

Außerdem ist das Erstlingswerk von Neulingen in den seltensten Fällen bereits veröffentlichungsreif. Selbst wenn Sie das Handwerk ordentlich gelernt haben, fehlt Ihnen noch die Erfahrung, die Übung. Im Durchschnitt haben heute erfolgreiche Autorinnen/Autoren mindestens zehn Romane geschrieben, bevor der erste veröffentlichungsreif war. (Bei mir waren es neunzehn plus dreiundzwanzig Romanfragmente mit unterschiedlichem Umfang. Alles in allem mehrere Tausend, damals noch größtenteils handgeschriebene Seiten.) Denn eine gute Idee allein genügt leider nie.

Ich betone das alles auch, weil in diesem Buch Dinge als suboptimal oder sogar als „No-Go“ eingestuft werden, die Sie vielleicht genau so in einem veröffentlichten Buch gelesen und sich daran orientiert haben. Oder die Ihr Freundeskreis toll findet. Von subjektiven Vorlieben und Abneigungen abgesehen, die Ihnen auch später im Verlagslektorat begegnen werden, gibt es etliche in Verlagen veröffentlichte Bücher, die tatsächlich auch objektiv schlecht sind, weil sie handwerkliche Fehler und Schwächen aufweisen. Ich wurde immer wieder von meinen Schreibkursteilnehmenden gefragt, warum solche Bücher veröffentlicht werden und („anklagend“) warum ich ihnen diese Fehler ankreide.

Die Antwort auf Letzteres ist einfach: Ich wurde dafür bezahlt (und Sie haben für dieses Buch bezahlt), damit ich meinen „Auszubildenden“ das Handwerk ordentlich und bestmöglich beibringe. Fehler und Schwächen zu ignorieren, nur weil Bücher mit ihnen veröffentlicht wurden oder ich Rücksicht auf die sensiblen Autorinnen-/Autorenseelen nehmen will, ändert nichts an der Tatsache, dass sie Fehler sind und bleiben und damit das Gegenteil von guten Texten.

Fehler durchgehen zu lassen, vereinbart sich nicht mit meinem Verständnis von gutem Unterricht und optimaler Wissensvermittlung. Wer nicht lernt zu erkennen, welche Fehler und Schwächen in einem Text stecken und wie man sie vermeidet, wird nie die „Abschlussprüfung“ bestehen und Texte schreiben, die sich positiv und vor allem qualitativ aus der Masse herausheben.

Warum trotzdem „fehlerhafte“ Bücher veröffentlicht werden, liegt zum Teil daran, dass manche Verlage in den letzten Jahren die Ansprüche an die bei ihnen veröffentlichten Texte heruntergeschraubt haben. Zum einen, weil es sich um übersetzte Bestseller aus dem Ausland handelt, wo zum Teil andere Schreibregeln gelten als hierzulande. Zum anderen, weil ihnen nicht genug qualitativ hochwertige Texte deutscher Autorinnen/Autoren eingereicht werden. Das Ergebnis sind bemühte, aber suboptimale Werke, bei denen die sprichwörtliche „Luft nach oben“ in unterschiedlicher Höhe offen ist.

Orientieren Sie sich bitte nicht an diesen Werken! Auch dann nicht, wenn sie auf der Bestsellerliste stehen. Ein vom Verlag vielbeworbenes Buch, das die Liste anführt und eben deswegen viel gekauft wird, bürgt nicht zwangsläufig für Qualität! Unter den heutigen Bestsellern befinden sich reihenweise Werke, die noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren wegen handwerklicher Mängel (in Deutschland) gar nicht veröffentlicht worden wären.

Wie solche Werke Bestseller werden konnten, fragen Sie sich? Der Hauptgrund ist das mangelnde Fachwissen des Lesepu-blikums. Geschätzte 95 Prozent aller Lesenden kennen sich mit dem Schreibhandwerk nicht aus. Deshalb sind sie nicht in der Lage, die Fehler und Schwächen der Texte zu erkennen. Sie beurteilen nur den Inhalt, und wenn der einigermaßen logisch präsentiert wird, sich nicht komplett langweilig liest oder so schlecht geschrieben ist, dass er wie ein Schulaufsatz klingt, sind sie begeistert.

Man kann das durchaus vergleichen mit zum Beispiel dem Textilgestaltungshandwerk und dem Unterschied zwischen den maßgeschneiderten Textilien einer Meisterin/eines Meisters und maschinell „für die Stange“ gefertigten Stücken. Letztere erfüllen ihren Zweck, passen aber nicht annähernd so gut wie ein Kleidungsstück, das von meisterlicher Hand einem Körper buchstäblich „auf den Leib geschneidert“ wurde. Doch wer nicht vom Fach ist, bemerkt den Unterschied nicht, sieht nicht, dass hier ein Abnäher zu lang oder zu kurz ist, ein Saum unregelmäßig ist, eine Naht unterschiedlich große Stiche aufweist oder so eng „auf Kante“ genäht ist, dass der Stoff nach kurzer Zeit ausfransen wird. Oder dass der Stoff von minderer Qualität ist. Dem Laienpublikum genügt das Kleidungsstück, es gefällt ihnen, sie finden es gut und ziehen es gerne an. Aber jeder Fachmensch erkennt auf Anhieb die Fehler und findet das Ding alles andere als gut oder auch nur akzeptabel.

Genauso ist das auch bei Büchern. Die fehlerhaften Werke begeistern das fachlich unwissende Publikum, die Menschen kaufen sie und finden sie gut, obwohl sie das nicht sind. Schließlich bedeutet „Bestseller“ nur, dass das Buch sich sehr gut verkauft hat, nicht dass es tatsächlich gut ist. Denn das stellt man erst nach dem Kauf fest, wenn man es gelesen hat. Doch zu dem Zeitpunkt ist das gekaufte Buch bereits in die Statistik einge-flossen, die es zum Bestseller macht (oder nicht).

Eine meiner Schreibkursteilnehmerinnen beschwerte sich einmal bitter, dass der Schreibkurs ihr die Freude am Lesen vergällt habe, weil sie erst durch das Erlernen des Handwerks begriffen habe, wie schlecht ein Großteil der Bücher de facto ist, von denen sie bis dahin begeistert war.

Aber es gibt weitere Gründe, die aus suboptimalen Büchern manchmal Bestseller machen. Ich darf Sie an dieser Stelle mit einigen Praktiken des Buchhandels bekannt machen. Sicherlich kennen Sie die Präsentationstische in den Buchhandlungen: jene Tische, über die man beim Betreten beinahe stolpert, weil sie mitten im Weg stehen. Bestimmt sind Ihnen auch die Regale an den Wänden aufgefallen, auf denen die Bücher nicht dicht an dicht mit dem Buchrücken zur Kundschaft stehen, sondern das Titelbild zeigen. Falls Sie bisher geglaubt haben, dass dort die guten Bücher hingestellt/gelegt werden, täuschen Sie sich. Die Verlage bezahlen den Buchhandlungen mehrere Hundert, teilweise sogar über tausend Euro (pro Buch!) dafür, dass ihre Bücher auf diesen Plätzen präsentiert werden, wo sie allen Leuten ins Auge fallen, ob diese wollen oder nicht. Sie mieten also diese Plätze. Je exponierter der Platz, desto höher ist die Miete. (Zwar macht nicht jede Buchhandlung diese Praktik mit, aber viele tun das.)

Das rechnet sich für die Verlage durchaus, denn durch die augenfällige Präsentation werden mehr Bücher verkauft als solche, die ein Dasein unter vielen in den regulären Regalen fristen. Kundinnen und Kunden, die in Buchhandlungen stöbern und nicht nach einem bestimmten Titel suchen, tun das in der Regel bei den Präsentiertischen und -regalen. Meistens werden sie dort fündig und sehen keine Veranlassung mehr, in den „hinteren“ Regalen noch nach anderem/weiterem Lesefutter zu suchen. Unter anderem deshalb nicht, weil nach der „Beute“ von den Präsentierplätzen das Budget für neuen Lesestoff oft erschöpft ist.

Durch den Massenverkauf bekommt der Verlag die investierte Mietgebühr wieder herein und macht zusätzlich Gewinn. Vielleicht ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass die dort ausgestellten Bücher fast ausschließlich die von bereits bekannten (Bestseller-) Autorinnen/Autoren sind, die allein schon wegen ihres renommierten Namens einen hervorragenden Absatz versprechen. Oft haben sie noch einen Aufkleber auf dem Cover „Bestseller“ beziehungsweise „XY-Preisträger des Jahres“. So rechnet sich eine Präsentation auf den dafür gemieteten Plätzen doppelt.

Jedoch: Kleinere Verlage, die auf Klasse statt auf Masse setzen oder auch Innovatives im Programm haben, können sich die Miete solcher Plätze nicht leisten und „verschwinden“ in den hinteren Regalen, wenn sie überhaupt in den stationären Buchhandel gelangen. Die meisten von ihnen haben kein Budget für Buchhandelsvertreterinnen/-vertreter, die mit den Büchern im Gepäck bei den Buchläden buchstäblich hausieren gehen, sodass sehr viele „Perlen“ unter den Büchern gar nicht in dort landen; nicht mal in den hinteren Regalen.

Verlage sind Wirtschaftsunternehmen, deren Ziel es ist, Gewinne zu machen und Geld zu verdienen. Ausschließlich handwerklich einwandfreie Bücher zu verlegen, die auch inhaltlich hervorragend sind, können beziehungsweise wollen sich viele Verlage nicht (mehr) leisten und setzten daher zu oft auf Masse statt Klasse. Hauptsache, die Bücher werden verkauft. Ob einige Lesende hinterher von ihnen enttäuscht sind, ist zweitrangig und für manche Verlage sogar komplett uninteressant, sobald sie ihren Schnitt durch den Verkauf gemacht haben. Denn dass ein Buch sich mehrtausendfach verkauft hat, sagt nichts, aber auch gar nichts über seine handwerkliche und/oder inhaltliche Qualität aus, weil man die in der Regel erst erkennt und beurteilen kann, nachdem man das Buch gekauft und gelesen hat.



***



Ich vermittele Ihnen in diesem dreibändigen Buch mein Wissen und Können auf dem Gebiet des kreativen Schreibens, so gut ich es vermag, „nach bestem Wissen und Gewissen“, wie man so schön sagt. Ich bemühe mich in meinen eigenen Texten um eine gute „Schreibe“ und versuche, Ihnen die Tricks und Kniffe in die Hand zu geben, mit denen auch Ihre Werke positiv aus der Masse herausragen können.

Mein Wissen ist auf meiner persönlichen langjährigen Erfahrung gewachsen. (Ich lebe vom Schreiben und blicke – Stand 2024 – auf über 90 veröffentlichte Bücher, über hundert Heftromane, mehr als zweihundert Kurzgeschichten, knapp 3000 Gedichte und drei Theaterstücke zurück.) Und nach dieser Erfahrung setzt sich Qualität früher oder später immer durch.

Ob Ihnen ein Werk gut gelungen ist oder nicht, beurteilt letztendlich Ihr künftiges Lesepublikum. Ich drücke Ihnen schon jetzt die Daumen, dass die Mehrheit von denen begeistert sein wird.





REGELN

Sie werden in diesem Buch einige Dinge lernen, die ich Ihnen als „Regeln“ vermittle. Bitte stören Sie sich nicht an dem Begriff, auch wenn Sie vielleicht eine grundsätzliche Abneigung gegen Regeln haben. Was ich Ihnen als Regeln vermittle, sind Dinge, die tatsächlich teilweise so von Verlagen vorgeschrieben oder gewünscht werden. Wenn Sie später Verlagsveröffentlichungen anstreben, sollten Sie sich an zumindest diese Regeln halten.

Andere Dinge sind deshalb „Regeln“, weil sie für jeden Text funktionieren und gute Ergebnisse bringen und Ihr Text sich durch ihre Beherzigung positiv vom Gros der den Verlagen monatlich eingereichten Manuskripte abhebt. Diese Regeln sind jedoch nicht in Stein gemeißelt. Wie gesagt: Sie funktionieren immer, sonst würde ich sie Ihnen nicht vermitteln. Aber oft gibt es auch andere Methoden, die ebenso gut wirken.

Ein Widerspruch? Keineswegs, denn ob eine Regel oder deren Missachtung oder sogar ihr Bruch funktioniert, hängt von Ihrer Geschichte ab. Manche Dinge funktionieren für die eine Story ganz hervorragend, passen aber für eine andere Handlung überhaupt nicht.

Im Laufe Ihrer zunehmenden Schreiberfahrung werden Sie ein Gespür (und die Routine) dafür entwickeln, wann eine Regel greift und wann nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt bitte ich Sie, mir und meiner Expertise zu vertrauen und die Regeln erst einmal anzunehmen. Mark Twain prägte den Spruch: „Bevor man eine Regel brechen kann, muss man sie erst einmal kennen.“ Das bedeutet, dass ein bewusster Regelbruch dem Text nützen kann; ignoriert man aber eine Regel, weil man sie gar nicht kennt, leidet der Text darunter.

Sie lernen mit dem vorliegenden Werk, wie Sie gute Texte schreiben können. Mit den hier beschriebenen Methoden, Tricks und Kniffen („Regeln“) sind Sie definitiv auf der sicheren Seite hinsichtlich Qualität und somit Erfolgschancen. Sobald Sie das Handwerk beherrschen, werden Sie in der Lage sein zu erkennen, wann Sie eine Regel zwingend anwenden sollten und wann Sie von ihr abweichen können. Bis dahin sollten Sie sie beherzigen.







1.1 Am Anfang: eine Idee



Jeder Roman, jede Geschichte – ob lang oder kurz –, jedes Gedicht beginnt mit einer Idee. In den meisten Fällen bezieht sie sich auf den Inhalt. Manchmal hat man auch eine beeindruckende Person vor Augen oder einen Ort, einen Gegenstand, ein Tier, vielleicht sogar ein Kleidungsstück und möchte darum herum eine Geschichte weben. Auch ein Satz – gesprochen, gehört oder gelesen – und sogar ein einziges Wort kann uns zu einer Geschichte inspirieren.

Die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschen-bach (1830–1916) antwortete auf die Frage, woher Schriftstellerinnen/Schriftsteller ihren Stoff (= die Ideen) nehmen: „Bücken Sie sich, und heben Sie ihn auf, er wächst überall aus dem Boden. So strecken Sie die Hand aus, wenn Sie sich nicht bücken wollen, Stoffe fliegen zu Hunderten in der Luft herum.“ Besser lässt sich das nicht ausdrücken. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, findet an jeder Straßenecke, in jedem Zimmer, bei jedem Blick aus dem Fenster Inspiration für die schönsten Geschichten.

Hier ein paar Beispiele von Dingen, die mich inspiriert haben.

Eine zerschlissene Couch auf dem Sperrmüll wurde erst zu einer Story, später zu einem Theatersketch, in dem eine Couch von ihrem bewegten Leben „unter“ ihren Besitzern erzählt. Die vogelähnliche Maserung einer hölzernen Tischplatte gab die Idee zu einer mystischen Geschichte, in der diese Maserung lebendig wird.

Eine ganz in regenbogenfarbene Kleidung gehüllte Frau auf einem Parkplatz wurde zum Märchen über eine Regenbogenfee. Ein Stück Bindfaden auf der Straße fand sich als Held in einer Geschichte wieder, in der er ein Menschenleben rettet. Eine um Haaresbreite verlorene Schachpartie gab den Anstoß, die Schlacht auf dem Brett aus der Sicht der Figuren zu beschreiben. Und ein wunderschöner Ring in der Auslage eines Juweliers erweckte konspirative Gedanken zu einem Kriminalroman.

Erst recht birgt jede Begegnung mit anderen Menschen eine Fülle von Stoffen für Geschichten und Romane. Aus diesem Grund haben manche Schriftstellerinnen und Schriftsteller die Angewohnheit, regelmäßig in Cafés oder ähnliche Lokale und an andere belebte Orte zu gehen und dort ihre Zeit (unter anderem) damit zu verbringen, die Menschen zu beobachten und ihren Gesprächen zu lauschen. Bahnhöfe, Supermärkte, Straßenbahnen, Kinos und so weiter sind fantastische Orte für einschlägige Studien.

Nebenbei: Eine gute Beobachtungsgabe ist gerade für die authentische Schilderung des Verhaltens von Menschen für kreativ Schreibende von Vorteil. Je mehr Sie in Ihrem ganz normalen Alltagsleben beobachten, desto besser gelingt Ihnen das.

Doch wie wird aus der Idee die Geschichte, die in ihr steckt? Wie formen wir daraus eine Story oder sogar einen Roman, die/der nicht nur uns selbst gefällt, sondern auch andere Menschen begeistert oder doch zumindest interessiert?

Sehen wir einmal davon ab, dass es einige sehr seltene Naturtalente unter den Schreibenden gibt, die ein intuitives Gespür für die Materie haben und ausreichende Kenntnisse des dafür erforderlichen Hauptwerkzeugs (der Sprache) besitzen, so ist und bleibt Schreiben ein Handwerk, das man lernen kann und lernen muss, wenn man nicht nur für sich selbst schreiben will. Jeden Beruf und auch die Fertigkeiten jedes Hobbys muss man in einer Lehrzeit oder einem Studium zwischen zwei und acht Jahren (Regellehr- beziehungsweise Regelstudienzeit) lernen. Der Beruf/das Hobby des kreativen und erst recht des journalistischen Schreibens bildet da keine Ausnahme! (Ein Studium „Literarisches Schreiben“ an der Universität dauert drei Jahre.) Sogar für die Naturtalente gilt das alte Sprichwort: „Begabung macht dich allenfalls gut; allein die beständige Übung bringt dich zur Meisterschaft.“

Beginnen wir also mit den ersten Schritten auf dem Weg zu Ihrer Meisterschaft.



Vergessen Sie bitte alles, was Sie noch aus der Schule über das Schreiben von Aufsätzen wissen. Ein Aufsatz verhält sich zu einer belletristischen Geschichte und erst recht zu einem Roman (abgesehen von der Länge) wie Fastfood zu einem Drei-Gänge-Menü in einem Nobelrestaurant; wie ein Volkslied zu einer Mozart-Oper. Womit ich weder etwas gegen Fastfood noch Volkslieder oder Aufsätze sagen will. Es handelt sich dabei völlig wertfrei um etwas ganz anderes als das, was Sie anstreben.

Das gilt auch für den Fall, dass Sie sich mit dem Schreiben von Sachtexten auskennen und sich vielleicht auch schon durch Veröffentlichungen in diesem Bereich einen Namen gemacht haben. Sachtexte leben, wie ihr Name schon andeutet, von Sachlichkeit und damit verbundener nüchterner Sprache. Belletristik lebt vom Beschreiben und davon, dass wir Schriftstellenden in den Köpfen unseres Lesepublikums Bilder erschaffen, die in ihren Gedanken das sogenannte „Kopfkino“ ablaufen lassen, die Fantasie anregen. Sachlichkeit ist dabei zu ungefähr fünfundneunzig Prozent fehl am Platz.

Wie Sie gutes Beschreiben in Ihren Texten erreichen, lesen Sie in Lektion4.

Gehören Sie zu jenen vom Schreiben begeisterten und faszinierten Menschen, die von einer Idee oder mehreren Ideen übersprudeln und genau wissen, was in Ihrer Geschichte, Ihrem Roman zumindest als grober Handlungsplan ablaufen soll (auch wenn es Ihr erster Versuch ist), dann wird Ihnen der Einstieg in die Arbeit nicht schwerfallen. Gehören Sie aber zu denen, die sagen: „Ich habe eine wundervolle Idee für eine Geschichte, einen Roman, aber ich weiß nicht, wie ich sie umsetzen, wie ich anfangen soll!“, dann finden Sie hier die ersten Tipps für den Einstieg. Detaillierte Beschreibungen, wie aus einer Idee ein Plot, ein tragfähiger „Handlungsplan“ wird, lesen Sie in Lektion5.

Das Wichtigste: Sitzen Sie bitte niemals vor einem leeren Blatt oder der weißen Fläche einer frisch geöffneten Textverarbeitungsdatei, ohne sofort etwas darauf oder hinein zu schreiben. Schreiben Sie! Und wenn es nur der Titel oder ein einziger, vager Satz ist, der Ihre Idee formuliert: „Meine Hauptfigur soll die Welt retten.“ Da Sie mit Sicherheit schon ein bisschen mehr im Kopf haben, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen, schreiben Sie auch das auf. Dabei dürfen Sie Ihre Ideen schlagwortartig und auch zusammenhanglos skizzieren. Es kommt nur darauf an, dass Sie alles aufschreiben, was Ihnen zu Ihrer Idee einfällt. „Sortiert“ wird hinterher.

Falls Sie tatsächlich noch nicht allzu viel mehr von Ihrer Idee entwickelt haben, können Sie sich für den Aufbau Ihrer Geschichte, Ihres Romans an folgenden Punkten orientieren:

1. Was ist der Kernpunkt der Geschichte? Rettung der Welt, Aufklärung eines Verbrechens, Held/Heldin verliebt sich...

2. Wer ist die Hauptperson? Name, ungefähres Alter und Geschlecht genügen für den Anfang. Grundsätzlich reicht erst einmal sogar das Geschlecht. Alles andere kann nachgetragen werden.

3. Welches ist der zentrale Konflikt der Handlung? Jemand will die Welt zerstören (warum?), Eifersucht, Hass, Feigheit...

4. Wer ist der „Bösewicht“, der Feind/die Feindin Ihrer Hauptperson? Vor allem: warum?

5. Welche wichtige(n) Nebenfigur(en) braucht die Geschichte? Freunde/Freundinnen oder Familie der Hauptperson und des Bösewichts, Ermittelnde, Arbeitskollegschaft und so weiter.

6. Wo soll die Handlung spielen? Legen Sie Zeit, Orte, berufliches und soziales Umfeld fest.

7. Wie soll sie anfangen? Mit einer Szene aus dem Alltag der Hauptperson? Mitten in einem Konflikt, einer Actionszene? Mit einem Ereignis aus der Vergangenheit? Entwerfen Sie ruhig mehrere mögliche Anfänge! (Hier jedoch gleich ein TIPP vorweg: Beginnen Sie Ihre Geschichte nach Möglichkeit nicht mit einer Beschreibung von Landschaft, Wetter, Ort oder einer Person. Von Ausnahmen abgesehen wirkt das in vielen Fällen zähflüssig. Näheres darüber erfahren Sie in Lektion4 und5.)

8. Wie soll sie enden? Auch hier sollten Sie mehrere mögliche Ausgänge entwerfen und den wählen, der am spannendsten und/oder überraschendsten ist. Grundsätzlich kann das Ende offen bleiben, bis Sie beim Schreiben zu eben diesem Ende kommen.

ACHTUNG: Geschichten haben manchmal die unangenehme (aber höchst spannende) Angewohnheit, sich im Laufe des Schreibens zu verselbstständigen, das heißt, sie entwickeln sich ganz anders, als wir das ursprünglich geplant hatten. TIPP: Versuchen Sie in so einem Fall bitte nicht, mit Gewalt die Story in die ursprünglichen Bahnen zu zwingen. Das klappt nie! Darauf gebe ich Ihnen aus langjähriger Schreiberfahrung Brief und Siegel. Lassen Sie die Geschichte sich entwickeln, wie sie sich entwickeln will. Das bringt in der Regel die besten Ergebnisse.

9. Haben Sie für die genannten Dinge noch keine richtige Idee, können Sie sich an den „7 W-Fragen“ orientieren: Wer (Hauptpersonen) tut was (zum Beispiel die Welt retten), wo (Orte), wann (Zeitpunkt, Zeitraum), wie (auf welche Weise), warum (Motive) und womit (oder mit wem beziehungsweise mit wem zusammen)?

Für den Anfang genüg das vollkommen. Sie können die einzelnen Teile in eine Computerdatei oder auf Zettel schreiben und diese an die Wand oder die Tür kleben (ein sogenanntes „Storybord“ anfertigen), um sich daran zu orientieren. Wenn Ihnen zu einem Punkt noch nichts einfällt– macht nichts. Lassen Sie die gesammelten Ideen ein paar Stunden, einen Tag oder mehrere Tage ruhen, irgendwann fällt Ihnen das Fehlende ein. Manchmal erst im Lauf des Schreibprozesses.

Falls Sie eine konkrete Szene im Kopf haben oder den Teil einer Szene oder auch nur einen einzigen Satz, der Ihnen gefällt, schreiben Sie das sofort auf, auch wenn Sie noch nicht einmal die Namen der darin vorkommenden Personen festgelegt haben. Nehmen Sie irgendeinen Namen oder Platzhalter wie X1, YY, Z2 oder „Mann3“, „Frau2“, „WH“ (für „weibliche Hauptperson“) und so weiter, die Sie später austauschen können. Jede Szene ist wertvoll und hilft Ihnen, Ihre Geschichte zu entwickeln, auch wenn sich später herausstellt, dass Sie diese Szene doch nicht verwenden wollen oder können, weil sich die Handlung anders entwickelt hat, als ursprünglich geplant. Werfen Sie die Szene aber nicht weg! Speichern Sie sie in einer gesonderten Datei, denn sie könnte perfekt in eine andere Geschichte passen. Das gilt selbstverständlich auch für jede Idee und jeden gesammelten „Zettel“.

Haben Sie Ihre Idee soweit skizziert, folgt, sofern das nicht schon für Sie feststeht, vor der detaillierten Ausarbeitung des Plots (siehe Lektion5) die Entscheidung, welcher Textart Ihre Geschichte angehören soll. Ist Ihre geplante Handlung umfangreich genug für einen Roman? Wollen Sie nur eine einzige Episode aus dem Leben einer Person schildern? Möchten Sie nur aus der Sicht einer einzigen Figur erzählen oder die Perspektive wechseln?

In Lektion 2 erfahren Sie, welche Möglichkeiten Sie haben.





1.1.1 „Geklaute“ Ideen

Wir alle sind von Büchern, die uns begeistert haben, so fasziniert, dass wir liebend gern „auch so ein Buch“ schreiben möchten. Das ist normal, und viele von uns haben ihre ersten schriftstellerischen Gehversuche damit begonnen, Geschichten zu entwerfen/zu schreiben, die den geliebten Vorbildern ähneln. Oder eine von einer Autorin/einem Autor entworfene Welt (Fantasy oder Science Fiction) gefällt uns so gut, dass wir unsere eigenen Geschichten in ihr spielen lassen wollen. Oder wir sind von einer Figur oder mehreren Figuren begeistert und möchten ihnen eigene Geschichten auf den Leib schreiben.

Diese Art der Literatur nennt man „Fan Fiction“. (Ich selbst habe in meiner Neulingszeit unzählige Storys geschrieben, die auf dem „Raumschiff Enterprise“ spielten und ließ in ihnen eigene Figuren mit der Stammbesatzung von Captain Kirk, Mr. Spock und Co. interagieren.) Fan Fiction macht ungeheuren Spaß und ist in jedem Fall eine hervorragende Übung, um unsere „Schreibmuskeln“ zu stählen.

Jedoch darf man sie nicht veröffentlichen, weil die Urheberrechte an allen fiktiven Figuren und Welten den Autorinnen und Autoren gehören, die sie erfunden haben. Die sogenannten „Verwertungsrechte“ (= das Recht, die Texte zu veröffentlichen – als Buch und eBook –, zu Filmen, Theaterstücken, Hörbüchern zu verarbeiten und eine Menge mehr) gehören den Verlagen, die die Romane veröffentlicht haben. Ohne deren schriftliche Genehmigung ist eine Nutzung durch andere Autorinnen/Autoren nicht nur strengstens untersagt, sie stellt auch einen Straftatbestand nach dem Urheberrechtsgesetz dar. Das heißt, dass bei Entdeckung der Tat eine Strafanzeige gegen die „diebischen“ Autorinnen/Autoren erfolgt, die richtig teuer werden kann. (Außerdem gilt man im Fall einer Verurteilung zu mehr als drei Monaten Freiheitsstrafe oder mehr als 90 Tagessätzen Geldbuße als vorbestraft.)

Manche Neulinge (und leider nicht nur die) glauben, das umgehen zu können, indem sie die Namen der Figuren ändern, einen anderen Handlungsort wählen und/oder „Geschlechtsumwandlung“ vornehmen, indem sie die im Original vorkommenden Männern zu Frauen machen und umgekehrt. Doch das genügt nicht, um vor einer Strafverfolgung wegen „Ideenklau“ sicher zu sein. Ihr Text muss sich zwingend und sehr deutlich (!) vom ideengebenden Original unterscheiden. Idealerweise ähnelt Ihr Werk überhaupt nicht mehr dem Original außer in dem von Ihnen verarbeiteten Thema, denn ein völlig neues, noch nie literarisch ausgearbeitetes Thema zu erfinden, ist nahezu unmöglich. Irgendwo auf der Welt hat irgendwer irgendwann dasselbe Thema schon einmal bedient.

Deshalb gibt es zum Beispiel unzählige Fantasyromane, in denen eine Gruppe von Auserwählten (seltener eine auserwählte Einzelpersonen) ein (magisches) Artefakt vernichten und einen „dunklen Herrscher“ (im weitesten Sinn) zu Fall bringen muss, um das eigene Heimatland oder gleich die ganze (Fantasy-) Welt zu retten. Doch mit dem Thema als solchem sollte jede Ähnlichkeit zu bereits vorhandenen Werken enden. Sind die Hauptfiguren Ihrer Geschichte kleinwüchsige Wesen, die in höhlenartigen Wohnungen in Erdhügeln hausen und in einem Land mit überwiegender Wiesenlandschaft leben, „brüllt“ das allen Lesenden ins Gesicht, dass Sie sich bei Tolkiens „Der Hobbit“/„Herr der Ringe“ bedient haben.

Und die Verlage werden reihenweise abwinken, Ihren Roman zu veröffentlichen. Nicht nur wegen der Gefahr, wegen Urheberrechtsverletzung Probleme zu bekommen. (Deshalb haben die meisten Verlage einen Passus im Vertrag, dass die Autorinnen/Autoren versichern, mit/in ihrem Werk keine Rechtsverletzung zu begehen und dass sie allein für diese haften, sollte eine existieren und entdeckt werden; siehe Anhang B in Band 3.) Der zweite Ablehnungsgrund ist, dass bereits mindestens ein Werk wie das „geklonte“ existiert. Ist das ein weltbekannter Bestseller, gibt es unzählige „Klone“, und kein Verlag macht sich die Mühe, dem noch einen weiteren hinzuzufügen. Auch das Lesepublikum wünscht sich frische, unverbrauchte Geschichten und will nicht die gefühlt tausenderste Variation eines sattsam bekannten Plots lesen.

Von den rechtlichen Problemen, die „geklaute“ Ideen nach sich ziehen, abgesehen: Sie sind Autorin/Autor. In dieser Eigenschaft sollten Sie genug Fantasie besitzen, eigene Ideen zu entwickeln und, wenn Sie schon bekannte Themen als Grundhandlung wählen, diese individuell auszuarbeiten, ohne die vorhandenen Werke anderer Autorinnen/Autoren „zweit zu verwerten“ oder „nur“ zu „zitieren“, egal wie sehr die Sie begeistern.

Nebenbei: Zu Bestsellern werden nie die „Klone“ bereits erfolgreicher Bücher, sondern die Innovationen, deren Handlungen und/oder Figuren „so“ noch nie zuvor existierten. Versuchen Sie also immer, etwas hundertprozentig Eigenes zu erschaffen. Das sind Sie sich als Autorin/Autor und Ihrem Lesepublikum schuldig.



1.2 Schreibweisen und Textgestaltung



WICHTIG:

Auch wenn Sie überzeugt sind, dass Sie wissen, wie man einen Text gestaltet, bitte ich Sie, dieses Kapitel unbedingt durchzulesen. Gerade die Gestaltung belletristischer Texte unterscheidet sich in den aufgeführten Punkten gravierend von jeder anderen Textart. Neulingen und bei manchen Punkten leider auch Fortgeschrittenen unterlaufen dabei Fehler, die Ihre Manuskripte allein deshalb bei den Verlagen für eine Veröffentlichung disqualifizieren, weil deren Korrektur zu viel Zeit in Anspruch nähme.

Reichen Sie einem Verlag ein Manuskript ein, setzt er voraus, dass Sie besonders auch in den nachfolgenden Punkten das Schreibhandwerk beherrschen. Ist das offensichtlich nicht der Fall, wird es von vorn herein abgelehnt.



Wer noch wenig Erfahrung im Schreiben von erzählenden Texten hat und vielleicht auch wenige Bücher liest oder bei diesen nur auf den Inhalt, aber nicht auf die Gestaltung des Textes achtet, begeht meistens einige Fehler bei der Textformatierung. Hier finden Sie die wichtigsten Hinweise, die Sie in Ihren künftigen Texten berücksichtigen sollten. Die meisten werden später in den entsprechenden Lektionen noch ausführlich erläutert. Der Rest kommt, wie so Vieles, mit der Übung.

Jedoch: Dass Sie diese Regeln der Textgestaltung beherrschen, setzt man in den Verlagen voraus. Missachten Sie die, outen Sie sich nicht nur als Neuling, sondern Ihr Manuskript wird von vorn herein abgelehnt, weil die Korrektur der Formfehler zu viel Zeit in Anspruch nähme. Selbst wenn Ihr Text richtig gut sein sollte, wird er nicht einmal gelesen, wenn einem schon auf den ersten Blick zig Formfehler „ins Gesicht springen“.



Textverarbeitungskenntnisse

Dass Sie Textverarbeitung beherrschen (das immer noch gängigste Programm ist „Word“), setzt man in den Verlagen voraus, denn die heute am weitesten verbreite Form der Manuskripteinreichung ist die als Textdatei per Email-Anhang. Das heißt, Sie schreiben im Fließtext und schalten nicht am Ende jeder Zeile manuell in eine neue Zeile (wie damals bei der guten alten Schreibmaschine).

Sie generieren einen manuellen Seitenwechsel mit „Strg“ plus Drücken der Entertaste und nicht, indem Sie zigmal die Entertaste drücken, bis das Programm automatisch auf eine neue Seite springt. Diese so generierten Leerzeilen müssen später im Verlag „per Hand“ wieder gelöscht werden. Sie formatieren Ihr gesamtes Manuskript als Normseite (siehe Glossar und Lektion18). Sie wissen, wie man Kommentare einfügt, löscht, den Text im Überarbeitungsmodus korrigiert, Änderungen annimmt oder ablehnt und vor allem eine Seite formatiert.

Falls Ihnen diese Kenntnisse fehlen, sollten Sie die in einem Kursus oder durch ein Lehrbuch erwerben, denn sie sind neben korrekten Deutschkenntnissen die Basis für jede schriftstellerische Arbeit.

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