Ich will schreiben! Aber ...
„Nähkästchen-Plaudereien“ aus dem Schreibkurs
Viele Menschen wollen lernen, gute Geschichten oder Romane zu verfassen und besuchen deshalb Kurse für kreatives Schreiben. Doch die Realität des Lernprozesses sieht ganz anders aus, als die meisten sich das vorgestellt haben. Mara Laue, selbst erfolgreiche Autorin und Schreibcoach, plaudert in diesem Buch humorvoll aus dem Nähkästchen ihrer Unterrichtserfahrung und schildert, was Kursteilnehmende und Unterrichtende in einem Kurs zu erwarten haben. Ferner gibt sie wertvolle Tipps, wie man einen Schreibkurs im Alltag managt, um den Traum vom eigenen Buch zu verwirklichen. – Ein Ratgeber für alle, die das Schreibhandwerk lernen oder selbst Schreibkurse unterrichten wollen.
Irgendwann ist sie da – die Idee, statt immer nur zu lesen, selbst einmal (oder öfter) Geschichten oder sogar einen Roman zu schreiben. Die Gründe dafür sind so vielfältig, wie es Menschen gibt, die kreativ schreiben (wollen). Die einen möchten eine wunderbare Reise und die sie begleitenden Erlebnisse literarisch verewigen. Andere wollen ihrem geliebten Haustier – meistens Hund oder Katze – in humorvollen Geschichten ein Denkmal setzen. Wieder andere möchten ihre Biografie und ihr „ganzes Leben“ den Kindern und Enkelkindern schriftlich hinterlassen und ihre Lebenserfahrungen auch anderen Menschen zugänglich machen, indem sie die veröffentlichen. Es gibt Menschen, die von der Muse geküsst und dadurch zu unzähligen oder auch nur einer einzigen fantastischen, spannenden, ungewöhnlichen fiktiven Geschichte(n) inspiriert werden und diese aufschreiben wollen. Und es gibt solche, denen die in Büchern veröffentlichten Geschichten nicht gefallen. Sie suchen das Besondere, das „Andere“, finden es aber nicht. Deshalb entschließen sie sich eines Tages, ihre eigenen Geschichten zu schreiben.
Zu diesen Menschen gehörte ich selbst. Als ich im Jahr 1970 zu schreiben begann, war ich gerade zwölf Jahre alt. Ich liebte Abenteuergeschichten, besonders solche, in denen Pferde die Hauptrolle spielten („Blitz, der schwarze Hengst“ von Walter Farley). Ich war Fan von „Bomba, der Dschungelboy“ (Roy Rockwood) und habe alle „Tarzan“-Bücher (Edgar Rice Bourroughs) verschlungen. Ich mochte auch die Abenteuer der „Fünf Freunde“ und die „Rätsel um...“ (beides Reihen von Enid Blyton). Später liebte ich die Krimis von Edgar Wallace, die gruseligen Geschichten von Edgar Allan Poe und die Science-Fiction-Romane von Isaac Asimov und John Wyndham.
Aber etwas fehlte mir bei allen Büchern, so spannend sie auch waren: Frauen und Mädchen als Heldinnen. Nein, ich war damals keine „Feministin“ und erst recht keine „Emanze“. Beide Begriffe lernte ich erst kennen, als ich ungefähr achtzehn war. Ich lebte lediglich in einer Familie von „starken“ Frauen, die ich aber gar nicht so empfand, weil ihre Stärke meine Normalität war. Alle waren berufstätig – nicht unbedingt in „typischen Frauenberufen“ – und managten nicht nur ihre Familien, sondern teilweise auch eigene Geschäfte. Und keine ließ sich von irgendwem die Butter vom Brot nehmen.
Ganz anders sah das Bild in den Romanen aus. Sofern Frauen und Mädchen überhaupt vorkamen, waren sie nicht die Hauptpersonen, sondern nur „schmückendes Beiwerk“. Wenn sie Glück hatten, gönnten ihnen die Autorinnen und Autoren wenigstens einen gewissen Grips, hatten sie Pech, waren Ängstlichkeit und eine extrem produktive Tränendrüse ihre hervorstechendsten und meistens einzigen Merkmale (neben Schönheit bei erwachsenen Frauen). Oder – Stichwort „Hanni und Nanni“ (ebenfalls von Enid Blyton) – sie hatten nichts anderes im Kopf als dumme Streiche und Zickenkrieg im Internat.
Mit besagten zwölf Jahren hatte ich die Schnauze gestrichen voll von diesen aus meiner Sicht unrealistischen Figuren. Und weil ich in der Literatur nichts anderes fand, schrieb ich meine erste eigene Geschichte mit einem Mädchen und einer Wildpferdstute als Heldinnen. Ihr folgten unzählige weitere, und mit achtzehn traute ich mich an meinen ersten Roman, einen Krimi. Bis heute kann ich einfach nicht aufhören zu schreiben, denn die Ideen sprudeln nur so aus mir heraus. (Nebenbei: Sehr viele heute erfolgreiche Autorinnen und Autoren haben schon im Kindheits- und Jugendalter mit dem Schreiben begonnen und waren zunächst begeisterte Leseratten, woraus später der Drang zum eigenen Schreiben erwuchs.)
Was auch immer Menschen veranlasst, selbst zu schreiben, die meisten haben ihre ersten schriftstellerischen Gehversuche im „Aufsatzstil“ verfasst, sofern sie nicht zu dem Zeitpunkt Germanistik, Literaturwissenschaft oder artverwandte Fächer studiert haben. Denn der Aufsatz ist die erste Form, die wir lernen, um Geschichten oder andere selbst formulierte Texte zu schreiben. In Anlehnung an die vielen zuvor gelesenen Romane sind die ersten eigenen Texte mit wörtlicher Rede gespickt und orientieren sich in Aufbau und Handlung an den Romanen, die uns gefallen (haben). Doch klingen die ersten Texte nie so wie die Romane. Dafür gibt es zwei Gründe.
1. Uns fehlt zu Anfang die fundierte Kenntnis über das Schreibhandwerk. Wer mit dem kreativen Schreiben beginnt und keinen literaturrelevanten Beruf ausübt oder studiert, hat in der Regel noch nie etwas von Plotstruktur und Spannungsbogen, von der Prämisse „Zeigen, nicht erzählen!“ gehört, kann mit dem Begriff „Subtext“ nichts oder nur wenig anfangen, und „Stringenz“ oder „Heldenreise“ sind unbekannte Größen. Mangels dieser und der anderen zum Handwerk gehörenden Kenntnisse und Fähigkeiten geraten die Texte suboptimal. Manchmal landen wir an einigen Stellen „Zufallstreffer“, weil wir dort Passagen aus anderen Bücher imitiert (nicht kopiert!) haben. Aber etwas zufällig oder intuitiv oder durch Imitation richtig zu machen, stellt keine Beherrschung des Handwerks dar.
2. Uns fehlt (auch nach dem Erlernen des Handwerks) zunächst die Übung. Sie kennen sicherlich das Sprichwort: „Nur Übung macht die Meisterschaft.“ Das gilt für jeden Beruf, jede sportliche Freizeitbeschäftigung und jedes Hobby, das nicht zum Beispiel ausschließlich im Sammeln und Horten von Gegenständen oder anderen „konsumierenden“ Dingen besteht, sondern bei denen man aktiv etwas tun, etwas herstellen muss. Erst mit der Übung und der damit einhergehenden gesammelten Erfahrung gelingt uns vielleicht nicht unbedingt die Meisterschaft. Aber wir erwerben dadurch die Routine und das Know-how, um gute Leistungen zu erbringen oder ein Produkt anzufertigen, das sein Geld wert ist, falls wir es verkaufen wollen.
Beim kreativen Schreiben verhält es sich genauso.
Die meisten Schreibbegeisterten erkennen das früher oder später. Sofern sie ihre Texte nicht ausschließlich für sich selbst schreiben, sondern sie auch veröffentlichen möchten, wollen sie die Kunst, gute Storys und/oder Romane zu schreiben, erlernen. Aber wie?
Für viele ist die erste Anlaufstelle der Blick ins Kursangebot der örtlichen Volkshochschule oder eines anderen Instituts für Erwachsenenbildung. Doch die wenigsten bieten Kurse im kreativen Schreiben an. Falls doch, so handelt es sich dabei um „Themenkurse“, die sich zum Beispiel mit dem Schreiben von Kurzgeschichten oder Gedichten befassen. Kurse, die einem die gesamten Grundlagen des Handwerks beibringen und wie man erfolgreich Romane schreibt, werden wegen des Umfangs und der Komplexität des Lehrmaterials dort nicht angeboten. Denn wenn Sie das Handwerk von der Pike auf fundiert erlernen wollen, benötigen Sie dazu mindestens drei Jahre bei regelmäßiger Lernzeit von mehreren Stunden pro Woche.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Bei einem Zeitaufwand von ca. 8 bis 10 Stunden pro Woche als Mindest(!)investition dauert das Erlernen des Schreibhandwerks mindestens drei Jahre. Übrigens auch, wenn Sie „literarisches Schreiben“ an einer Universität mit Bachelor-Abschluss studieren wollen. Die Regelstudienzeit beträgt sechs Semester (=drei Jahre). Haben Sie weniger Zeit zur Verfügung als die empfohlene Wochenstundenzahl, können es locker fünf Jahre werden.
Was denn – wirklich SO lange? Ja, wirklich so lange, wenn Sie das Handwerk ordentlich erlernen wollen.
Vermutlich fragen Sie sich spätestens jetzt, ob sich der Aufwand und die damit verbundenen Kosten überhaupt lohnen. Das kommt darauf an, welches Ziel Sie mit dem Schreiben verfolgen. Wenn Sie nur für sich selbst schreiben und Ihre Texte allenfalls im Familienkreis die Runde machen sollen, können Sie ohnehin schreiben, wie es Ihnen gefällt, ohne Rücksicht auf Qualität oder handwerkliche Finesse. Dann müssen Ihre Texte nur Ihnen gefallen und niemand anderem.
Wollen Sie Ihre Texte aber veröffentlichen und somit verkaufen, dann ist ein Mindestmaß an Qualität ein unabdingbares Muss. Der Grund: Die künftigen Käuferinnen und Käufer Ihres Buches/Ihrer Bücher haben für das Geld, das sie dafür ausgeben, Anspruch auf ordentliche Arbeit. Anders ausgedrückt: Ihr Buch muss das Geld wert sein, das man dafür bezahlt. Und diesen Gegenwert können Sie nur liefern, wenn Sie das Handwerk beherrschen, Sie es also von Grund auf erlernt haben.
Weil aber nicht jeder Mensch, der Romane und/oder Storys schreiben will, die Absicht oder auch nicht die Gelegenheit hat, gleich zum Studium an die Uni zu gehen, entscheiden sich viele für ein privates Fernstudium. Entweder bei einem Institut, das sich auf das Unterrichten einer ganzen Palette von Studienfächern spezialisiert hat und auch kreatives Schreiben anbietet, oder bei erfahrenen Autorinnen/Autoren, die neben der Arbeit an ihren eigenen Werken Schreibkurse unterrichten.
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- Artikel-Nr.: SW9783961272143458270.1
- Artikelnummer SW9783961272143458270.1
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Autor
Mara Laue
- Verlag Autoren.tips im vss-verlag
- Veröffentlichung 10.11.2020
- ISBN 9783961272143
- Verlag Autoren.tips im vss-verlag