Pantheismus nach der Aufklärung

Religion zwischen Häresie und Poesie

Ist Pantheismus eine verwerfliche Häresie, die zu Atheismus und Materialismus führt? Oder die universelle Religion der Zukunft? Beide Fragen lassen sich deshalb nicht bündig beantworten, weil es "den" Pantheismus nicht gibt. Es gibt zahlreiche Spielarten des Pantheismus. Eine Spurensuche findet sie in den Religionen nach der Aufklärung, insbesondere bei einer Reihe von europäischen und außereuropäischen Philosophen (Tagore), die den Übergang von Kants Kritizismus zu einer neuen Vision auf das Eine und Ganze wagen. Ein dynamischer Neospinozismus (Lessing, Herder) inspiriert mehr als eine Generation von Denkern und Dichtern. Um... alles anzeigen expand_more

Ist Pantheismus eine verwerfliche Häresie, die zu Atheismus und Materialismus führt? Oder die universelle Religion der Zukunft? Beide Fragen lassen sich deshalb nicht bündig beantworten, weil es "den" Pantheismus nicht gibt. Es gibt zahlreiche Spielarten des Pantheismus. Eine Spurensuche findet sie in den Religionen nach der Aufklärung, insbesondere bei einer Reihe von europäischen und außereuropäischen Philosophen (Tagore), die den Übergang von Kants Kritizismus zu einer neuen Vision auf das Eine und Ganze wagen. Ein dynamischer Neospinozismus (Lessing, Herder) inspiriert mehr als eine Generation von Denkern und Dichtern. Um kontroverstheologische Abgrenzungen und weltanschauliche, insbesondere naturalistische Vereinnahmungen zu verhindern, wird ein weiter und offener Begriff von "Pantheismen" untersucht (Herder, Schleiermacher). Am Beispiel von Hegels Ausführungen zum unglücklichen Bewusstsein wird eine spekulative Variante von Pantheismus dargestellt. Der Übergang vom Pantheismus zum Atheismus (Feuerbach, Bruno Bauer) ist möglich, aber nicht zwingend. Einige Pantheisten verknüpfen die autonome (oder "reine" Ethik) mit heteronomen Elementen der Abhängigkeit der Menschen vom Einen und Ganzen. Für eine monistische Deutung der Ethik (Schopenhauer) wird die Verschiedenheit unter den Individuen unwichtig. Auch das Interesse von Hegel und Schopenhauer für den Mesmerismus bezeugt eine Annäherung der "Aufklärung über die Aufklärung" an Elemente einer liberalen Weltfrömmigkeit. Der Mesmerismus wird von Emerson erweitert zum Gleichnis des Einen und Allen.



Jean-Claude Wolf, geb. 1953, ist seit 1993 Ordinarius für Ethik und politische Philosophie an der Universität Fribourg in der Schweiz.Er hat sich in den letzten Jahren mit dem Bösen, mit Tierethik und praktischer Philosophie und Religionsphilosophie des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigt, insbesondere mit Autoren wie Nietzsche, Schopenhauer, Hegel, Stirner und Eduard von Hartmann.



Veröffentlichungen im Bereich der Ethik, Rechtsphilosophie und praktischen Philosophie bei Alber: "Verhütung oder Vergeltung? Einführung in ethische Straftheorien" (1992) und "Kommentar zu Mills Utilitarismus" (1992).

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