Der "Islamische Staat"
Historische und politische Dimension
Die brutalen Grausamkeiten seiner Kämpfer, die Geiselnahmen und Enthauptungen wirklicher und vermeintlicher Feinde, die mehr einem Blutrausch gleichenden "Gefechte" und die ebenso exzessive wie häufig willkürliche Anwendung der Scharia-Strafen haben das Ansehen der islamischen Weltreligion außerhalb des "dar al Islam" weiter sinken lassen. Mit einem raschen Zusammenbruch des IS ist kaum zu rechnen. Dazu bedürfte es des massiven Einsatzes von "boots on the ground" - eine Vorstellung, die nach dem Afghanistan-Desaster alles andere als populär ist. Und selbst ein solcher Einsatz böte keine Garantie für den Erfolg. So ist die Ratlosigkeit angesichts dieser Entwicklung verständlich. Und der Gedanke, jene künstlich nach dem Ersten Weltkrieg durch die Mandats- und Kolonialmächte geschaffenen Grenzen aufzusprengen und die dem klassischen Islam fremden Nationalstaaten aufzulösen, genießt bei vielen fundamentalistisch gesinnten Muslimen eine gewisse Sympathie.
Die Beiträge in diesem Buch aus der F.A.Z. und der F.A.S. versuchen, die aktuelle Lage in der Region zwischen der Türkei, dem Nordirak und Syrien aufzuzeigen und ihre tieferen historischen wie religionsgeschichtlichen Hintergründe auf differenzierte Weise auszuloten.
In der deutschen Presselandschaft ist er ein Unikat: Seit 1978 kümmert sich Wolfgang Günter Lerch in der politischen Redaktion dieser Zeitung um die islamische Welt. Er tut das mit der Leidenschaft und Gründlichkeit eines Privatgelehrten alten Schlages, und ein wenig hat er auch die Versponnenheit solcher Menschen. Das beeinträchtigt jedoch nicht seinen wachen journalistischen Sinn: Er verfolgt die Aktualität bis in ihre Details hinein und besitzt die Fähigkeit, sogenanntes Hintergrundwissen und tagesbezogene Analyse schnell zu verbinden und auch schnell - und verständlich - niederzuschreiben. Lerch ist ein wandelndes Lexikon, begabt mit einem sagenhaften Gedächtnis; er hat die entscheidenden Daten und Zusammenhänge von Politik und Geschichte sowie ihre Einbettung in kulturelle Entwicklungen gewissermaßen auf Abruf parat. Das betrifft nicht nur sein Arbeitsfeld im engeren Sinn, das Universum der Muslime, wo immer sie leben - von der arabischen Welt bis zu den neuen Staaten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden sind. Es ist das Phänomen der Religion und der Religiosität in Geschichte und Gegenwart in all seinen Ausprägungen - nicht nur den theologischen und politischen, auch den philosophischen, literarischen und künstlerischen -, das ihn fasziniert. Daß er auch in der Geistesgeschichte und in musikwissenschaftlichen Dingen manchen Fachmann in Erstaunen versetzen würde, gehört zu seiner Vorstellung von einem im alten Wortsinn gebildeten Menschen: Wer mit ihm diskutiert, wird immer etwas lernen. Geboren wurde Wolfgang Günter Lerch am 21. März 1946 im hessischen Friedberg, doch aufgewachsen ist er im Schwäbischen. Nach dem Abitur studierte er in Freiburg und Tübingen Islamkunde, Philosophie und Religionswissenschaft. Über die persische Mystik hat er seine Magisterarbeit geschrieben, türkische Lyrik übersetzt er in seiner Freizeit. Man fragt sich, wo er neben seiner unermüdlichen Arbeit für die Zeitung auch noch Zeit und Kraft fand, immer wieder Bücher zu schreiben.
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- Artikel-Nr.: SW226021.1