Die Gegen-Demokratie

Politik im Zeitalter des Misstrauens

Obgleich das demokratische Ideal uneingeschränkt bejaht wird, stehen die Systeme, die sich auf das Ideal berufen, immer heftiger in der Kritik. Doch diese Differenz ist nicht so neu, wie sie scheint: Historisch betrachtet ist die Demokratie immer schon als Versprechen und Problem zugleich in Erscheinung getreten. Denn der Grundsatz, Regierungen durch den Wählerwillen zu legitimieren, ging stets mit Misstrauensbekundungen der Bürger gegenüber den etablierten Mächten einher. Die Gegen-Demokratie ist nicht das Gegenteil von Demokratie, sie ist Bestandteil der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie, somit permanenter Ausdruck von Misstrauen... alles anzeigen expand_more

Obgleich das demokratische Ideal uneingeschränkt bejaht wird, stehen die Systeme, die sich auf das Ideal berufen, immer heftiger in der Kritik. Doch diese Differenz ist nicht so neu, wie sie scheint: Historisch betrachtet ist die Demokratie immer schon als Versprechen und Problem zugleich in Erscheinung getreten. Denn der Grundsatz, Regierungen durch den Wählerwillen zu legitimieren, ging stets mit Misstrauensbekundungen der Bürger gegenüber den etablierten Mächten einher.



Die Gegen-Demokratie ist nicht das Gegenteil von Demokratie, sie ist Bestandteil der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie, somit permanenter Ausdruck von Misstrauen gegenüber den gewählten Institutionen. Gleichzeitig ist sie aber auch Ausdruck des politischen Engagements der Bürger_innen jenseits der Wahlurnen. Der Begriff Gegen-Demokratie hebt das Widersprüchliche des Misstrauens hervor, das einerseits die Wachsamkeit der Bürger_innen fördert und auf diese Weise dazu beiträgt, die staatlichen Instanzen für gesellschaftliche Forderungen empfänglicher zu machen, das andererseits aber auch destruktive Formen von Ablehnung und Verleumdung begünstigen kann. Das heißt: Die Gegen-Demokratie bestätigt nicht nur, sie kann auch widersprechen.



Rosanvallon entfaltet die verschiedenen Aspekte von Gegen-Demokratie und schreibt ihre Geschichte. Nicht zuletzt plädiert er dafür, die ständige Rede von der Politikverdrossenheit zu überdenken. Denn es ist eher von einem Wandel als von einem Niedergang des bürgerschaftlichen Engagements zu sprechen. Verändert haben sich lediglich das Repertoire, die Träger und die Ziele des politischen Ausdrucks. Die Bürger_innen haben inzwischen viele Alternativen zum Wahlzettel, um ihre Sorgen und Beschwerden zu artikulieren. Die politische Form der Gegen-Demokratie sollte im Diskurs der Politikverdrossenheit nicht unterschätzt, sondern aktiv genutzt werden.



Pierre Rosanvallon ist Professor für Neuere und Neueste politische Geschichte am Collège de France. Er ist einer der international renommiertesten Forscher zur Geschichte der Demokratie und Souveränität sowie zu aktuellen Fragen der sozialen Gerechtigkeit. 2016 erhielt der den Bielefelder Wissenschaftspreis im Gedenken an Niklas Luhmann.



Misstrauen und Demokratie (Einleitung)



Die Misstrauensgesellschaft



Die drei Dimensionen der Gegen-Demokratie



Der Mythos vom passiven Bürger



Entpolitisiert oder unpolitisch?



Die Geschichte der Demokratie neu lesen



I Die Überwachungsdemokratie



Überwachen, denunzieren, benoten



Die Wachsamkeit



Die Denunziation



Die Benotung



Die Aufpasser



Der wachsame Bürger



Der neue Aktivismus



Das Internet als politische Form



Funktionale Aufsicht durch unabhängige Behörden



Interne Prüfungs- und Bewertungsagenturen



Der Lauf der Geschichte



Drei Phasen



Demokratischer Dualismus: eine lange Geschichte



Die unmögliche Institutionalisierung



Legitimitätskonflikte



Feder und Tribüne



Die drei Legitimitäten



Die neuen Wege der Legitimität



II Souveränität als Verhinderung



Vom Widerstandsrecht zur komplexen Souveränität



Widerstand und Zustimmung in mittelalterlichen Theorien



Das Zeitalter der Reformation



Aufklärung, negative Macht und die Volkstribunen



Das Experiment der Französischen Revolution



Fichte und die Idee eines modernen Ephorats



Ein signifikantes Vergessen



Die selbstkritischen Demokratien



Klassenkampf als negative Politik



Die Metamorphosen der Opposition



Rebell, Widerstandskämpfer, Dissident



Der Niedergang der kritischen Dimension in den Demokratien



Die negative Politik



Das Zeitalter der "Abwahlen"



Prävention und Veto-Macht



Schwache Demokratie



III Das Volk als Richter



Historische Referenzen



Das Beispiel Griechenland



Das englische impeachment



Der amerikanische recall



Die Quasi-Gesetzgeber



Die demokratische Jury



Die Produktion konkurrierender Normen



Schattenlegislatoren



Die Vorliebe für das Urteil



Zur Verrechtlichung des Politischen



Das Rechtfertigungsgebot



Die Pflicht zur Entscheidung



Der aktive Betrachter



Die Macht der Theatralität



Der Raum des Exemplarischen



Wählen und Urteilen



IV Die unpolitische Demokratie



Ohnmachtsgefühle und Formen der Entpolitisierung



Das Zeitalter des Unpolitischen



Der Horizont der Transparenz



Die beiden Formen der Entpolitisierung



Die populistische Versuchung



Eine Pathologie der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie



Populismus und Gegen-Demokratie



Lektionen in unpolitischer Ökonomie



Ein Wort kehrt zurück



Die ökonomische Funktion der Überwachung



Der Markt oder Triumph des Vetos



Unpolitische Ökonomie



Das gemischte System der Moderne (Schluss)



Die neuen Wege der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie



Die Gegen-Demokratie konsolidieren



Die Demokratie repolitisieren



Das gemischte System der Moderne



Der Gelehrte und der Bürger



Bibliografie



Personenregister



Zum Autor

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