Verschwörungstheorien

Politikum 3/2017

Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit infolge der Digitalisierung sowie zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung haben Verschwörungstheorien an Sichtbarkeit gewonnen – obgleich es sich anbietet, den weniger verbreiteten Begriff "Verschwörungsmythen" zu verwenden, denn eine Theorie soll ja gerade eine plausible Erklärung liefern. Dies gilt nicht nur für den Stammtisch, auch in Schule und Universität sind Varianten davon weit verbreitet. Verschwörungsglauben lässt sich einerseits als schrullige Petitesse abtun, bei der Spinner über die erfundene Mondlandung, Chemtrails, Illuminatentum und Weltherrschaft oder den 11.... alles anzeigen expand_more

Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit infolge der Digitalisierung sowie zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung haben Verschwörungstheorien an Sichtbarkeit

gewonnen – obgleich es sich anbietet, den weniger verbreiteten Begriff "Verschwörungsmythen" zu verwenden, denn eine Theorie soll ja gerade eine plausible Erklärung

liefern. Dies gilt nicht nur für den Stammtisch, auch in Schule und Universität sind Varianten davon weit verbreitet. Verschwörungsglauben lässt sich einerseits als schrullige

Petitesse abtun, bei der Spinner über die erfundene Mondlandung, Chemtrails, Illuminatentum und Weltherrschaft oder den 11. September 2001 als CIA-Inszenierung

schwadronieren. Andererseits gehört es zu den Voraussetzungen einer funktionierenden demokratischen Ordnung, dass zwar mitnichten alle Sachverhalte gleich beurteilt

werden, aber doch eine gewisse gemeinsame Basis bei der Faktenbeurteilung nicht verlassen wird. Streit, unterschiedliche Interessen, Lagebeurteilungen, Meinungen,

normative Vorstellungen und Prioritäten gehören zur Demokratie und sind gar konstitutiv für ihr Gelingen. Aber Verschwörungstheorien sind kein Beitrag zur politischen

Meinungsbildung, sondern sie verlassen diese gemeinsame Grundlage. Sie unterstellen Kausalzusammenhänge, die entweder frei erfunden oder grob sinnentstellend gefasst

sind bzw. mitunter sogar gezielt instrumentalisiert werden.



Diese Ausgabe von "Politikum" widmet sich der Frage, welche Konsequenzen daraus für den politischen Raum resultieren. Zunächst fragen wir nach den Funktionen und dem

Ausmaß von Verschwörungsglauben in Geschichte und Gegenwart und nehmen dann mit anti-jüdischen Verschwörungsmythen einen besonders abscheulichen Topos in den

Blick. Zudem werden Trends in der deutschen Protestkultur identifiziert und überlegt, wie ein faktenorientierter Diskurs auch in einer veränderten Medienlandschaft gelingen

könnte.



Prof. Dr. Michael Butter

ist Professor für Amerikanistik an der Universität Tübingen und Leiter eines internationalen und interdisziplinären Forschungsverbunds zur Erforschung von

Verschwörungstheorien.



Laura Luise Hammel

ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen. In ihrem Dissertationsprojekt befasst sie sich mit dem Zusammenspiel zwischen

Verschwörungstheorien, politischem Protest und Populismus.



Prof. Dr. Roland Imhoff

ist Professor für Sozial- und Rechtspsychologie am Psychologischen Institut der Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem

Verschwörungsmentalität, Vorurteile und Stigmatisierung.



Prof. Dr. Rainer Kampling

ist Professor für Biblische Theologie/Neues Testament an der Freien Universität Berlin und Mitglied des Direktoriums des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.



Julia Leschke

ist Masterstudentin in Politischer Forschung an der Universität Oxford und angehende Doktorandin an der London School of Economics and Political Science.



Dr. Dieter Plehwe

ist wiss. Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und war bis Februar 2017 Visiting Scholar am Center for European Studies an der Harvard

University. Er ist zudem Vorstand von Lobbycontrol, ein Verein, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären will und sich für

Transparenz, demokratische Kontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit einsetzt.



Ruprecht Polenz

war bis 2013 Bundestagsabgeordneter, im Jahr 2000 Generalsekretär der CDU und 2005 – 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags. Seit

2015 ist er offizieller Vertreter der Bundesregierung im Dialog um den Völkermord an den Herero und Nama mit Namibia und u. a. Präsident der "Deutschen Gesellschaft für

Osteuropakunde".



Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl

ist Co-Direktor des Istituto Media e Giornalismo (IMeG) an der Università della Svizzera italiana (Lugano) und Direktor der European Journalism Observatory (EJO).



Tobias Wolfram

ist Masterstudent der Statistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Mikroökonometrie sowie der Bayesianischen Statistik.



Verschwörungstheorien



Michael Butter:

Dunkle Komplotte. Zur Geschichte und Funktion von Verschwörungstheorien



Rainer Kampling:

Antijüdische Verschwörungsmythen. Zur langen Dauer der Vergangenheit



Die Mentalität der Verschwörungstheoretiker

Interview mit Roland Imhoff



Laura Luise Hammel:

Verschwörungsglaube, Populismus und Protest



Verschwörungsmythen und Politikgestaltung

Interview mit Ruprecht Polenz



Stephan Russ-Mohl:

Likes und Shares statt Fakten? Zum schleichenden Glaubwürdigkeitsverlust des Journalismus





Nicht nur alberne Spinner … Ernsthafte Machtanalyse versus Verschwörungstheorie

Interview mit Dieter Plehwe



Forum



Julia C. Leschke, Tobias Wolfram:

Welche Faktoren erklären den Verschwörungsglauben? Eine quantitative Erhebung an Berliner Studierenden



Rezensionen



Bücher zum Thema

Das streitbare Buc

Bücher für den Politikunterricht

Literaturtipps

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